Sammler und Gejagter

Alfred Flechtheim war der wichtigste Galerist der Weimarer Republik – 15 deutsche Museen, auch die Bayerische Staatsgemäldesammlung, beteiligen sich nun an einem Ausstellungsprojekt
von  Roberta De Righi

Er war eine schillernde Figur im Kunstbetrieb der Weimarer Republik: Der Sammler, Galerist und Verleger Alfred Flechtheim, geboren 1878 in Münster, gestorben 1937 im Londoner Exil. Er brachte die französische Avantgarde nach Deutschland, förderte – vor allem junge – Künstler der deutschen Moderne. Barlach, Campendonk, Grosz, Klee, Kokoschka, Modersohn-Becker, Munch. Allein 324 Kunstwerke, die einst durch Flechtheims Hände gingen, dokumentiert nun das Forschungsprojekt von 15 Museen in Deutschland und der Schweiz, das ab heute unter www.alfredflechtheim.com im Netz zu finden ist.

Beteiligt sind auch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, deren Bestände mit 13 Objekten eine vergleichsweise kleine Zahl von Flechtheim-Provenienzen aufweisen. Darunter sind sechs Beckmann-Gemälde, eines von Klee, Hofers „Maskenball“, ein Bild von Juan Gris sowie eine Kleinplastik von Barlach.

Vor hundert Jahren gründete Flechtheim seine erste eigene Galerie in Düsseldorf, 1921 zog er nach Berlin um. 1933 musste der Sohn einer westfälisch-jüdischen Kaufmannsfamilie Deutschland verlassen. Seine Frau Betty blieb zurück, nahm sich 1941, am Abend vor ihrer Deportation, das Leben. Einen Teil seiner Sammlung konnte Flechtheim nach London retten, ein Teil blieb in Deutschland. Allein 52 Gemälde wurden von den Nazis als „entartet“ beschlagnahmt, sie sind bis heute verschollen.

So gibt es einige Restitutionsforderungen: Nicht alle der 324 nun eingehend dokumentierten Flechtheim-Provenienzen sind direkt über Flechtheim selbst in das jeweilige Museum gelangt, viele wechselten zuvor mehrmals den Besitzer. Inwieweit er als Verfolgter des NS-Regimes gezwungen war, weite Teile seiner Sammlung zu veräußern, und sie somit als NS-Raubkunst gelten müssen, ist darum im Einzelnen zu klären. Dem Anwalt der Flechtheim-Erben gelten, laut „Spiegel“, insgesamt noch etwa 35 Bilder „verdächtig“ – auch die sechs Münchner Beckmann-Gemälde (darunter „Quappi in Blau“, „Duchessa di Malvedi“, „Kleiner Traum“).

Für Andrea Bambi, bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen für Provenienzforschung zuständig, spricht der Zeitpunkt des Verkaufs 1932 an Günther Franke, damals Unterhändler des Beckmann-Galeristen Israel Ber Neumann, eher gegen den Verkauf unter Druck des NS-Regimes, 1974 kamen die Bilder durch die Stiftung Günther Franke ins Haus. Die Gegenseite sieht das wohl anders, denn es gibt keine Unterlagen mehr zum Verkauf.

Erst im April 2013 hat das Kölner Museum Ludwig Kokoschkas „Porträt Tilla Durieux“ restituiert. Dort folgte man der Empfehlung der „Beratenden Kommission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter“, weil die Geschichte des Bildes nicht lückenlos aufklärbar ist: Es gebe keine Beweise, dass er es nicht „verfolgungsbedingt aufgeben“ musste.

Andrea Bambi betont, dass die Restitutionsforderungen zwar Anlass für das Flechtheim-Projekt seien, aber darin nicht näher erläutert würden. Man wolle vielmehr, „die großen Verdienste Flechtheims“ würdigen. So werden neben den 324 Kunstwerken, 90 Künstlerbiografien, Quellen und Rezeptionsgeschichte aufgefächert. Anekdote am Rand ist auch der Beltracchi-Skandal: Nachgeahmte Aufkleber der Galerie Flechtheim zierten die Rückseiten einiger der Fälschungen aus der angeblichen „Sammlung Jäger“.

Die langwierigen juristischen Auseinandersetzungen um Flechtheims Bilder „korrekt darzustellen“, sei „unmöglich“. Eine endgültige Entscheidung über die Restitution steht aus.

www.alfredflechtheim.com, Werkpräsentation in der Pinakothek der Moderne, ab 24. Oktober

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