Rundgang durch Münchner Galerien: Noch ein Drink?

In der Galerie Karin Sachs gibt es Werke der vor einem Jahr verstorbenen Künstlerin Annette Bastian zu sehen. Diese und drei weitere Ausstellungen laden zu einem Rundgang ein.
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"Im Nachhinein" heißt diese Acryl-Arbeit auf MDF-Platte von Annette Bastian.
"Im Nachhinein" heißt diese Acryl-Arbeit auf MDF-Platte von Annette Bastian. © Franz Kimmel

München - Kunst genießen in Zeiten der Corona-Pandemie: Die Museen sind zu, die Galerien aber offen: Ein Rundgang in München, Beobachtungen in vier Ausstellungen.

Galerie Karin Sachs

Was ist nur los in diesen Bildern? Unter dem Titel "Die Welt anders" zeigt Karin Sachs Werke der vor einem Jahr verstorbenen Künstlerin Annette Bastian.

Ein winziger Stuhl balanciert auf einer riesigen Wurst. Ein offenbar weibliches Wesen steht in einem Pool und hält die Hand prüfend ins Wasser. Trägt sie Kopfhörer oder eher eine aus der Zeit gefallene Schneckenfrisur wie Prinzessin Leia in "Star Wars"? Und dann ist da noch ein punkiger Androide, der an einem Strohhalm nuckelt. Das Glas wird allerdings von einer dunklen Bärenfigur gehalten.

Annette Bastian verweigert eine eindeutige Perspektive

Annette Bastian macht es ihrem Publikum tatsächlich nicht leicht. Dabei wirken die Bilder aufs Erste so überschaubar und klar. Alles ist aufs Wesentliche reduziert, die pastelltonigen Farbfelder sind exakt konturiert wie in der Pop Art, im Comic oder bei Piktogrammen. Aber dann ist da dieses coole, völlig emotionslose Personal, das heißt, Menschen, die einem modernen Metropolis entsprungen sein könnten, und vermenschlichte Tiere.

Ist der Bär, der dem Punk so verschwörerisch das Glas hinhält, eine Art innerer Schweinehund? Ein Verführer, der immer noch einen Drink aus dem Ärmel zaubert, bis sein "Opfer" willenlos in die Knie geht? Er schaut ja eher düster als freundlich, doch mit solchen Deutungen kommt man bei Annette Bastian nicht weiter.

Und schließlich verweigert die Malerin eine eindeutige Perspektive. Das macht die Sache nur komplizierter, aber im Zusammenspiel mit den Bildtiteln entwickeln sich zuweilen humorvolle, auch subversive Grübelstücke.

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Und das Surreale macht die Arbeiten einprägsam. Denn wer die Galerie von Karin Sachs verlässt, bekommt diese Malerei auf MFD-Platten nicht so schnell aus dem Kopf. Schade nur, dass man Annette Bastian nicht mehr fragen kann. Sie ist im letzten Herbst verstorben, mit 75 Jahren. Die Ausstellung sollte die kranke Künstlerin beflügeln.

Nun ist daraus ein hinreißender Nachruf geworden, der noch einmal in Erinnerung ruft, wie unverwechselbar Annette Bastian mit ihrem ganz eigenen Stil war und wie wenig sie sich um Moden und den Markt gekümmert hat.


Galerie Karin Sachs, Augustenstraße 48, noch bis 9. Januar 2021, Mi -Fr 13- 8 Uhr, Sa 13-16 Uhr, Telefon: 089/2011250

Galerie Schöttle

Neu in der Galerie Schöttle: Elif Saydams märchenhaft verbrämte Gesellschaftskritik "Everybody's Fool". 

Rosen, Granatäpfel, Orangenfrüchte und Gold leuchten aus diesen Bildern. Der reiche Kosmos der osmanischen Miniaturmalerei ist auf den Arbeiten von Elif Saydam in die Gegenwart übertragen. Wirklich paradiesisch geht es unter den fein aufgetürmten Ornamenten dann aber doch nicht zu.

Die kanadische Künstlerin mit türkischen Wurzeln schleust Alltäglichkeiten in ihre Bildräume. Billige Honigflaschen etwa, kleine Apparaturen und Hybridwesen, die sich am schönen Schein zu schaffen machen. Ist also nicht alles Gold, was glänzt?

Elif Saydam: Alles hat einen doppelten Boden

Und schließlich verrenkt sich immer wieder ein Harlekin. Also die Figur aus der Commedia dell'Arte, die eine Doppelrolle zwischen artistischem Spaßvogel und anarchischem Gauner spielt. "Everybody's Fool" lautet der Titel der Ausstellung, "Jedermanns Narr" oder vielleicht doch eher der Depp für alle?

Nichts ist eindeutig, alles hat einen doppelten Boden. Insofern passen auch Elif Saydams Schichtungen. Auf Fotografien oder Stoffscans, die sie auf die Leinwand bügelt, folgt die klassische Ölmalerei. Und wenn es sein darf, kommt zusätzlich Blattgold obendrauf.


Galerie Schöttle, Amalienstraße 41 Rgb., noch bis 20. Februar 2021, Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr

Galerie van de Loo

Katharina Ponnier schrieb Gedichte, Franz Hitzler hat radiert. Das Buch samt Entstehungsgeschichte ist nun in der Galerie van de Loo zu sehen. 

Sie hat ihn immer wieder zart angestupst. Wie das eben so ist, wenn man miteinander vertraut ist, und am Ende ein gemeinsames Werk auf dem Tisch liegen soll. Dann muss eine, in diesem Fall Katharina Ponnier, zusehen, dass auch er, Franz Hitzler, an der Sache bleibt. Das Künstlerehepaar war dennoch erstaunt, dass die Sache so kompliziert werden könnte. Denn beim Zusammenfügen von Hitzlers Radierungen und Ponniers Gedichten - in Bleisatz - zu einem Buch müssen zwei völlig unterschiedliche Techniken kombiniert werden.

Es kam zu einem guten Ende: 15 Kassetten mit je 35 kraftvollen Radierungen und 24 Gedichten sind mit Unterstützung der Stiftung van de Loo entstanden. Der Prozess, die Zeichnungen und ersten Drucke kann man in der Galerie minutiös verfolgen. 


Galerie van de Loo, Gabelsbergerstraße 19, Besichtigung nach Anmeldung unter Telefon 089/226270. Bei Allitera erscheint ein Lesebuch mit Gedichten von Katharina Ponnier und Hitzlers Radierungen aus der Mappe.

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Galerie Klüser

In der Galerie Klüser dreht sich alles um die "Welt des Menschen", und in der Dependance an der Türkenstraße sucht Bernardí Roig nach Goyas Kopf.

Einsam ist der große Francisco de Goya 1828 im französischen Exil gestorben. Und weil in Spanien niemand den Finger hob, wurde er in Bordeaux beigesetzt und war bald vergessen. 60 Jahre später entdeckte der spanische Konsul das Grab und ordnete die Exhumierung an, um die Überreste nach Madrid zu bringen.

Bernardí Roig: Panik vor dem Überflieger Goya?

Doch bei der Öffnung des Sargs fehlte der Kopf. Für Bernardí Roig aus Palma geistert dieses Haupt bis heute durch unzählige Köpfe, vor allem von Künstlern, die sich vom Vorbild oft genug erdrückt fühlten. Roig hat dieser Enthauptung Goyas nachgespürt und sie in albtraumhaften Zeichnungen und Aquarellen verarbeitet. Gleich beim Betreten der Galerie an der Türkenstraße blickt man auf Fratzen. Panik vor dem Überflieger Goya? Die müssen nur die Maler haben.

Wobei auch die Schauspielerin Béatrice Dalle leicht panisch wirkt, wenn sie sich mit windzerzauster Mähne an ein dunkles Tor schmiegt, als wollte sie dahinter verschwinden und einen Verfolger abschütteln. Weit gefehlt. Die Französin posiert für Juergen Teller. Der Fotografen-Star zählt zur Gruppe von Künstlern, deren Interesse auf das Verhältnis der Menschen in Beziehung zur Welt zielt.

"Il Mondo Umano" lautet der Titel der Schau mit Werken von Boltanski bis Baselitz und Cindy Sherman bis Tony Cragg. Der leistet mit einer grünen Resteverwertung vorbildliche Arbeit: Aus diversen Plastikteilen ist Anfang der 80er ein Polizist entstanden. Sehenswert.


Galerie Klüser, Georgenstraße 15, "Il Mondo Umano" , noch bis 23. Dezember, Di- Fr 11-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr; Klüser 2: Türkenstraße 23, "Bernardí Roig", noch bis 27. Februar 2021, Di-Fr 14-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr

 

 

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