Rudolf Wachter war kein Dünnbrettbohrer
Liegt's am Holz? Als Material für Bildhauer hatte es jedenfalls in den letzten Jahrzehnten keinen allzu guten Stand. Manche rümpften schon fast die Nase und sagten: Holz, altbacken, gewöhnlich, brennt gut.
Aber angesichts der Renaissance dieses Uralt-Werkstoffs in Sachen Bauen - was man als Boom, oder etwas kritischer als Blase, bezeichnen könnte - ändert sich vielleicht auch die Einstellung zur Holz-Kunst. Profitieren könnte davon auch das Œuvre von Rudolf Wachter (1923 - 2011), der zwar als einer der bedeutendsten Erneuerer der Holzbildhauerkunst in der Nachkriegszeit gilt, aber viel zu wenig beachtet wird. Dabei zeigt gerade dieses Werk, worauf es beim Werken mit Holz ankommt.

Das wiederum kann man jetzt in einer sehenswerten Ausstellung mit vielen monumentalen Skulpturen, einigen Zeichnungen, wenigen kleineren frühen Bronzen und vielen Fotografien aus dem Arbeitsleben des am Bodensee geborenen aufgewachsenen und zeitlebens schwäbisch schwätzenden Münchner Holzskulpteurs in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste sehen.
Wachter zeigt uns, das Lebendige im Holz zu erkennen
Natürlich ist das keine Lehrveranstaltung im Sinne einer universitären Holz-Ausbildung wie sie noch vor nicht allzu langer Zeit Architekten genossen haben. Diese mussten etwa an kleinen Holzstückchen erkennen, um was für einen Baum es sich zuvor handelte.
Der Unterricht, den Wachter sozusagen erteilt, ist künstlerischer, aber mindestens genauso eindrücklicher Natur. Er zeigt mit seinen Skulpturen, dass dieser Werkstoff ein lebendiges Produkt ist. Das sieht man den abstrakten, oft geometrische Formen wie Kuben oder Spiralen nachzeichnenden Figuren auf den ersten Blick nicht an. Deutlich wird das, wenn man auch die Herstellungsweise der Plastiken betrachtet.
Ein tiefer Schnitt durch den Stamm
Wachter sagte über seine Methode einmal: "Ich arbeite mit dem Holz und das Holz arbeitet mit mir". Was das bedeutet lässt sich etwa in einem in der Akademie gezeigten 15-minütigen Video gut nachvollziehen. Er arbeitet eigentlich wie ein Holzfäller, allerdings überlegter, viel inspirierter, dennoch mit einer Kettensäge. Die beherrschte der aus einer uralten Schreinerdynastie am Bodensee stammende Künstler selbst im hohen Alter meisterhaft.
Startpunkt seines aktiven Tuns war dann meistens ein tiefer Schnitt bis in die Mitte des Stammes. Vorher aber hatte er den gelieferten meist dicken Holzstamm auf sich wirken lassen: mitunter monatelang, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was sozusagen auf die beiden zukommt.

Das kann sich der unkundige Betrachter gar nicht vorstellen. Aber da wird zum Beispiel geschaut, ob Äste den Stamm durchschneiden, die die spätere Form mitbestimmen könnten. Gerne nutzte Wachter das recht faserige weiche Pappelholz, das kaum Äste besitzt und so ein homogenes Bild an der Oberfläche abgibt. Diese Oberfläche zeigt geradezu offenherzig auch die Spuren der Kettensäge.
Wachter meinte dazu: "Ein Werkzeug hinterlässt Spuren. Warum sollte ich die wegmachen?" Wenn der Künstler Wachter wusste, was aus dem Rohling werden könnte, ging es an die Arbeit. Dabei meint Wachter auch, dass jeder Stamm ein neues Erlebnis ist. Weil jeder natürlich anders ist.
Die Natur als Koproduzent der Schreinerarbeit
Zuerst sägt er den noch feuchten Stamm ein, meist bis zum Kern. Frisch geschnittenes Holz besitzt einen hohen Feuchtigkeitsgehalt, der mit den Jahren immer weniger wird. Durch den Schnitt ins Herz des Holzes werden die Jahresringe durchgeschnitten, und über die angeschnittenen Flächen verliert das Holz die Feuchtigkeit und schwindet. Dabei verändert sich auch die Form.

Diese Formveränderungen, die für den Künstler freilich vorher schon vorstellbar waren, versuchte Wachter in vielen unterschiedlichen Werkgruppen sichtbar zu machen. Beeindruckend einfach in dieser Hinsicht ist etwa die mehrteilige Reihe aus jeweils vier brettartigen Hölzern, die den Titel "Entwicklung einer Kiste" trägt.
Ein Trendsetter, der auf den Erfolg warten musste
Auf manch einen wirkt das wie eine misslungene Schreinerarbeit. Aber genau an solchen Experimenten, die ja nicht ohne Humor daherkommen, sieht man sehr genau, wie sich Holz verhält, wie es sozusagen lebt. Und was Wachters große Leistung nicht nur für die Bildhauerkunst des 20. Jahrhunderts ist: Seine Holzskulpturen, denen er sich seit den 70er Jahren verschrieb, stellen sozusagen eine Koproduktion mit der Natur dar. Womit sie heute doch absolut im Trend sind und ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus waren. Genug zum Leben verdient hat der Künstler mit seinen Arbeiten - nach eigenen Aussagen - allerdings erst im letzten Drittel seines Lebens.
Königsbau der Residenz, Max-Joseph-Platz 3, bis 22. Juni, Di - Sa, 11 - 17 Uhr, Eintritt frei
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