Räume zweckentfremden
Welche Dinge sollen in 30 Jahren im Stadtmuseum stehen? Zwei junge Münchner bespielen am Samstag die Sammlung am Jakobsplatz mit einer ganz speziellen Mitbring-Party
Feste, auf denen jeder etwas mitbringt, kennt man. Bier, Wein oder Knabberkram, das geben sogar leere Studenten-Kühlschränke her. Parties, auf denen die Gäste aber aufgefordert sind, ein Stück Münchner Zeitgeschichte mitzubringen – das ist neu. „Munich Item“ heißt das Projekt, das dem gemeinen Budenzauber nun historischen Glanz verleiht. Ausgedacht hat sich die Sammelaktion das Stadtmuseum zusammen mit Münchens wichtigsten Blogs „MunichOpenMinded“, „Elektrischer Garten“, „Inside The Haze“ und dem Konzertveranstalter Hauskonzerte.com. Dessen Gründer, Tobias Tzschaschel und Stefan Zinsbacher, sorgen auch für die musikalische Untermalung des Abends. Im AZ-Interview erzählen sie, wie es zu der Idee kam, was man alles mitbringen kann und was das Konzept mit ihren eigenen Veranstaltungen zu tun hat.
AZ: Kunst und Unplugged-Konzerte – eine Kombination, die man im Stadtmuseum mit seinen fest definierten Formen nicht erwartet hätte. Wie kam es dennoch dazu?
TOBIAS TZSCHASCHEL: Im Stadtmuseum findet momentan die temporäre Ausstellung „Mein München“ statt, die Studenten als Intervention in die Dauerausstellung „Typisch München!“ integriert haben. Wir starten mit „Munich Item“ jetzt sozusagen eine Intervention innerhalb dieser Intervention. Das Motto dabei ist: „Welche Dinge von heute sollten in 30 Jahren im Stadtmuseum stehen?
Ein Zeitdokument sind ja auch die Konzerte, die Sie organisieren – spiegeln sie doch eine Kulturströmung wider, die sich fernab großer Hallen oder bekannter Locations abspielt. Wie passt da das Stadtmuseum rein?
TOBIAS TZSCHASCHEL: Wunderbar! Seit über zwei Jahren laden wir mit Hauskonzerte.com Bands aus aller Welt nach München ein und lassen sie an Nicht-Konzert prädestinierten Orten spielen, wie zum Beispiel Dachböden, Ateliers oder Wohnungen. Das schafft eine intime Atmosphäre, bei der es sich das Publikum direkt vor den Musikern auf dem Boden bequem machen kann. Oder, wie im Stadtmuseum, gleichzeitig auch Kunst genießen darf.
STEFAN ZINSBACHER: Wir haben dazu verschiedene „Bühnen“ kreiert. So gibt es nicht nur die typische Akustik-Bühne, die unter anderem von Al Oakmill oder Timm Trauberts Blues, wo ja Tobi singt, bespielt werden. Es gibt auch ein Piano-Konzert in dem vierstöckigen Treppenhaus des Stadtmuseums, bei dem die Zuschauer von oben nach unten auf den Münchner Klavierspieler Carlos Cipa blicken werden.
Wie kommt ihr an Künstler und Räumlichkeiten ran – in München sicher kein leichtes Unterfangen.
STEFAN ZINSBACHER: Angefangen hat es mit Akustik-Sessions, die wir gefilmt haben, wenn die Bands eh schon in München waren. Wir haben dann bei den Veranstaltern angefragt, ob die Bands ein, zwei Songs vor ihren Konzerten für uns spielen, damit wir das für unsere Homepage filmen können. Das war zu Beginn natürlich sehr schwer, weil uns keiner kannte und wir uns erstmal ein Künstlerrepertoire aufbauen mussten.
TOBIAS TZSCHASCHEL: Mittlerweile haben wir aber ein ganz gutes Netzwerk – auch was die Räumlichkeiten anbelangt. Die haben sich meist über Freunde von Freunden ergeben – der typische Weg eben, wenn man außergewöhnliche und vor allem mietfreie Orte in München finden will.
Ein Do-it-yourself-Ansatz quasi...
TOBIAS TZSCHASCHEL: Ja, wenn in München das Angebot für solche Events rar ist, dann muss man sich diese Orte eben selber schaffen. Und die Resonanz ist überwältigend, wie viele Menschen bereit sind, ihre Räumlichkeiten zweckentfremden zu lassen.
Eine Zweckentfremdung werden am Samstag auch hoffentlich ganz viele Gegenstände aus Wohnung, Keller oder Dachboden der Münchner erfahren. Was kann zum Stadtmuseum mitgebracht werden und wer entscheidet letztendlich, was ausgestellt wird?
TOBIAS TZSCHASCHEL: Vom Jutebeutel über Konzertplakate bis zu Surfboards – alles geht. Ursula Eymold, die Kuratorin für Stadtkultur im Stadtmuseum, nimmt die Gegenstände dann auf und bewertet sie. In einem zweiten Schritt wird dann entschieden, was letztendlich ausgestellt wird.
Was bringen Sie beide mit?
STEFAN ZINSBACHER: Ein Megafon, könnte ich mir vorstellen. Die Idee stammt allerdings von der Münchner Band Moop Mama, die viele Guerilla-Gigs macht, bei denen der Rapper der Band, Keno, ein Megafon als Mikro hernimmt. Für mich ist das auch ein Symbol dafür, sich in München auf alternative Weise Gehör und Raum zu verschaffen.
TOBIAS TZSCHASCHEL: Vielleicht einen kaputten batteriebetriebenen Plattenspieler, den ich mal auf einem Hinterhofflohmarkt gekauft habe. Der hat einige Platten abgespielt, die mich an tolle Momente in dieser Stadt erinnern.
Stadtmuseum, Samstag, St.-Jakobs-Platz 1, 19.30 Uhr, Eintritt: 12 Euro (Konzerte und Party), 8 Euro (nur Party, ab 24 Uhr, muenchner-stadtmuseum.de
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