Pinakothek der Moderne: So ist die Ausstellung "Blickwechsel"
Die Grenzen des Verstandes” liegen diffus im Schein einer Sonne. Die vermessbare Welt ist unterhalb, ganz oben scheint nur fahles Licht auf gegenstandslosen Dunst. So sieht es jedenfalls Paul Klee im gleichnamigen Bild von 1927. Nebenan, in Caspar David Friedrichs „Riesengebirgslandschaft im aufsteigenden Nebel” von 1819/20 umhüllen Nebelschwaden eine einsame Berglandschaft. Der Himmel ist in beiden Bildern nah und doch ewig fern.
Dass sie nun zeitweilig in der Neuen Pinakothek nebeneinander hängen, ist der an sich ärgerlichen Tatsache zu verdanken, dass die Pinakothek der Moderne bis September geschlossen ist. Aber hier wird das Desaster zum Glücksfall. Denn Friedrich und Klee sind, trotz des Jahrhunderts zwischen ihnen Brüder im Geiste. Und Friedrichs berühmtes Diktum „Der Maler soll nicht nur malen, was er vor sich sieht, sondern was er in sich sieht” fand bei Klee ein Echo: Man gelangt in eine Welt jenseits des Sichtbaren.
Die Staatsgemäldesammlungen machen aus der Not eine Tugend: Für die Schau „Blickwechsel. Pioniere der Moderne” schafften sie einige Hauptwerke der Klassischen Moderne herüber ins 19. Jahrhundert. Der Augenmerk der Kuratoren liegt dabei auf den „künstlerischen Revolutionen um 1900”. Man findet Picassos „Sitzende Frau” neben Degas’ „Büglerin” wieder, Matisse „Stilleben mit Geranien” neben Cézanne und Noldes Südsee-Eindrücke neben Gauguins Tahiti-Szenen.
Mackes letztes Gemälde „Mädchen unter Bäumen” schimmert neben Renoirs „Gärten von Montmartre” umso ergreifender, Hofers „Großer Karneval” und Beckmanns „Vor dem Maskenball” werden neben Ensors „Stilleben im Atelier” ein bisschen unheimlicher, und vor Hodlers „Jenenser Student” und Kirchners „Brüder” führt Wilhelm Lehmbrucks Plastik „Der Stürzende” die Gebrochenheit durch die Schrecken des Krieges vor Augen.
Sicher ist nicht jede Kombination gleichermaßen überzeugend. De Chiricos Selbstporträt und die „Beunruhigenden Musen” neben Klenzes „Camposanto in Pisa” sind eher gut gemeint. Der Erfinder der „Pittura Metafisica” war zwar zum Studium in München und von Klenzes Klassizismus fasziniert. Dennoch ist er vom Maler Klenze formal und geistig weit entfernt. Beckmann wiederum passt überall und nirgendwo so ganz, und warum wurde bei den Porträts von Dix und Kanoldt neben Bergmüller nicht auch Leibl miteinbezogen?
Aber dann trifft man wieder auf geglückte Gegenüberstellungen wie Böcklins „Pan im Schilf” und Max Ernsts „Lebensfreude”: Da wuchert und lockt das Triebhafte, Unbewusste halb verborgen im Dickicht. Oder Alexej von Jawlenskys „Landschaft bei Carantec” in einem Raum mit van Goghs „Blick auf Arles”: Anders als in Carl Lohses Ackerlandschaft erkennt man hier die expressive Weiterentwickelung. Und es wird deutlich, dass die Klassische Moderne ja letztlich doch ein Stückchen näher an Cézanne, van Gogh und Gauguin liegt, als bei Beuys, Warhol und Donald Judd.
Bis 31. August 2013, täglich außer Di 10 bis 18, Mi bis 20 Uhr in der Neuen Pinakothek