Pinakothek der Moderne: Jetzt plane ich mal (mit)!

Das Architekturmuseum zeigt städtebauliche Projekte aus Taiwan, die im engen Dialog mit den beteiligten Nutzern entstanden sind.
von  Joachim Goetz
Die Guan-Pu-Grundschule, bei der schon das Gebäude Spaß macht.
Die Guan-Pu-Grundschule, bei der schon das Gebäude Spaß macht. © TUM / Architekturmuseum

München - Salopp könnte man sagen: "Taiwan acts" und Deutschland schläft. Aber die gleichnamige Ausstellung im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne vergleicht (glücklicherweise) nicht, sondern zeigt, was sich in Taiwan in den letzten 25 Jahren in Sachen Stadtreparatur und Planung so tat.

Materialschlacht in fünf Kapiteln weckt Emotionen

Die Präsentation überrascht, weil man zwar eine Menge teils extravaganter taiwanesischer Hochhäuser und fantasievoller Bauwerke aus dem Landesteil Formosa kennt, nicht aber die gezeigte soziale Planung, bei der die Nutzer mitreden sollen und dürfen. So entstand hoffnungsvolle Architektur, die das Leben der Einwohner besser macht, weil sie nach Lösungen für Missstände sucht. Architektur, die nicht für die Gewinne der Investoren geschaffen wird.

Zu sehen ist eine üppige Ausstellung mit mehr als 100 Projekten, 60 Modellen, vielen Videos und vielen riesigen Fotografien. Eine anschauliche Materialschlacht in fünf Kapiteln, die Emotionen weckt und damit auch jenem Besucher einen schönen atmosphärischen Eindruck vermittelt, der sich gar nicht so sehr mit planerischen Details auseinandersetzen will.

Angefangen hat alles mit dem verheerenden Jiji-Erdbeben von 1999, das viele Architekten zum Nachdenken brachte. So entstanden zahlreiche Architekturinitiativen, die die Lebensbedingungen für alle Bewohner des Landes sozialer und nachhaltiger gestalten wollten und die gesellschaftliche Verantwortung von Architektur betonten.

Grüne Korridore ins Stadtgewebe eingeflochten

Das erste Kapitel widmet sich dem in Yilan an der Nordostküste tätigen "Fieldoffice Architects" von Sheng-Yuan Huang, dem Doyen der taiwanesischen Partizipations- und Beteiligungs-Architektur. 1994 begann er mit der Revitalisierung des Stadtkerns von Yilan.

Sein Team arbeitet nicht nur auf Auftrag, sondern benutzt auch die von ihnen betreuten öffentlichen Projekte, um sie zu ergänzen - etwa um eine gar nicht vorgesehene Fußgängerbrücke zur sinnvollen Verbindung zweier Teile der Stadt. Den Steg hängten sie als begrünten Käfig unter eine hässliche Autobahn- Betonbrücke. So konnten auch die Räume darunter genutzt werden. Schaukeln machen aus dem einst unwirtlichen Ort einen Treffpunkt für Kinder und Jugendliche.

Die Uferpromenade erhielt durch weitere neue Gestaltungen nicht gekannte Aufenthaltsqualitäten. Dann wurden grüne Korridore ins Stadtgewebe eingeflochten. Ein Plan zeigt die Verläufe. Das Ziel: eine inspirierende Atmosphäre, neue Begegnungsräume und Wege zu schaffen und die Sicherheit für Fußgänger zu erhöhen. Unkonventionelle Mittel und sehr niedrige Budgets waren kein Hinderungsgrund. Und die fast vergessene Geschichte der Stadt rief man in Erinnerung: mit recycelten Materialien und Fragmenten aus der ursprünglichen Funktion.

Beeindruckender Ort für einen Stamm von Indigenen

Das Ergebnis - das manche mit der Restaurierung eines alten Teppichs vergleichen, wenn neue Fäden in das beschädigte Textil eingewebt werden - ist ein urbanes Patchwork aus Alt und Neu.

Bei zehn der gezeigten Entwicklungsprojekte stand die Partizipation im Vordergrund. Hier waren Aktivisten und engagierte Bürger die treibenden Kräfte, die unter Beteiligung von Fachleuten und Verwaltung disziplinübergreifend kreativ wirkten. "Von unten" (Bottom-up) betrieben, suchte man nach lokalen Lösungen für Missstände wie Armut, Zersiedelung, Umweltverschmutzung, Exklusion ethnischer Gruppen.

So wurde etwa ein beeindruckender Ort für einen Stamm von Indigenen geschaffen, die heute etwa zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen und ursprünglich aus dem polynesisch-australischen Raum stammen. Auch alte Bautraditionen wurden wiederbelebt - etwa mit dem faszinierenden Butterfly Bambus-Pavillons in Nantou.

Deutschlands Stadtplanung kann sich ein Beispiel nehmen

Ein weiteres für europäische Verhältnisse hochinteressantes Projekt wurde im 500.000-Einwohner-Ort Hsinchu an der Nordwestküste realisiert. Ein Fachberaterteam bestimmte die für die Stadterneuerung relevanten Orte, an denen öffentliches Leben toben soll, Brennpunkte für das neu entwickelte komplexe Fußgängerleitsystem wurden erforscht, Ringwege entstanden und zusätzliche Verbindungen. Grundlegende Kriterien waren: hohe Aufenthaltsqualität, kurze Wege, Machbarkeit, und die Nachbarschaft wurde in vielen Workshops mit einbezogen. Deutschlands Stadtplanung kann sich ein Beispiel nehmen.


Pinakothek der Moderne, bis 3. Oktober (Katalog erscheint noch im August)

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