"Past Statements" in München entdecken: Denk mal nach

Die Projektreihe "Past Statements" über Denkmäler im Münchner Stadtraum.
von  Roberta De Righi
"Victory Spikes" auf dem Dach des Siegestors im Rahmen des Projekts "Past Statements - Denkmäler in der Diskussion".
"Victory Spikes" auf dem Dach des Siegestors im Rahmen des Projekts "Past Statements - Denkmäler in der Diskussion". © rri

München - Vom Siegestor ragen neuerdings martialisch Stacheln in den Münchner Himmel – links und rechts der Bavaria mit ihrer Löwen-Quadriga. Bei den 3,5 Meter langen Stäben handelt sich allerdings nicht um eine Installation zur Abwehr von Tauben und größerer Flugwesen, sondern um Kunst im öffentlichen Raum.

Stilisierte Abwehr der Tauben: Pazifismus in der Defensive?

Das Wiener Trio Steinbrener/Dempf & Huber schuf die Arbeit "Victory Spikes" im Rahmen des Projekts "Past Statements – Denkmäler in der Diskussion" des Münchner Kulturreferats.

"Dem Sieg geweiht, im Krieg zerstört, zum Frieden mahnend": Mit dem Tor in Form eines römischen Triumphbogens wollte Ludwig I. das bayerische Heer ehren; es wurde zum Symbol des Sieges über Frankreich und nach dem 2. Weltkrieg zum Mahnmal umgewidmet. Im aktuellen Kontext lässt sich die stilisierte Abwehr der Tauben - als Friedenssymbol - als Kommentar dazu deuten, dass der Pazifismus neuerdings in der Defensive ist.

 "Ist die Erinnerungskultur noch repräsentativ?

Im Kulturreferat reagiert man mit "Past Statements" auf Debatten, die zu Monumenten oft auf Stadtteilebene geführt werden, so Kuratorin Sabine Schalm, etwa am Kriegerdenkmal in Obergiesing oder am Bismarckbrunnen in Pasing. "Ist die Erinnerungskultur noch repräsentativ? Sind die traditionellen Setzungen noch zeitgemäß?"

Ausgehend von diesen Fragen wolle man neue Impulse für die Auseinandersetzung entwickeln. Schalm: "Werte, Haltungen, Themen ändern sich", im besten Fall biete die Kunst da "eine Reibungsfläche".

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Daniel Bürkner entwickelte sie "Past Statements" und wählte fünf Beiträge aus. Die Wahl der Standorte lag bei den Beteiligten, die Ausschreibung war völlig offen.

Die meisten Künstler beziehen sich auf vorhandene Objekte, so wie Michele Bernardi, der nur mit drei Wörtern auf die Hakenkreuze am NS-Bau an der Prinzregentenstraße verweist, in dem heute das bayerische Wirtschaftsministerium logiert: Gestern, heute, morgen. Michaela Melián wiederum widmet den Neptunbrunnen des NS-Bildhauers Joseph Wackerle im Alten Botanischen Garten um und erinnert an die von den Nazis 1941 in Kaunas ermordete jüdische Künstlerin Maria Luiko. Sie verhüllt die kolossale Götterstatue mit Folien, auf die sie Luikos "Die Trauernde, 1938" vergrößert drucken ließ.

Per QR-Code: Verwandeln Sie real existierende Statuen virtuell in diverse Persönlichkeiten

Mit Virtual Reality arbeiten wiederum das New Yorker Extended Reality Ensemble und die Münchnerinnen von denkFEmale und zeigen eine Leerstelle auf: Ob Bayerns Kurfürsten und Könige oder Bismarck, Montgelas und Tilly - es sind zu 90 Prozent Männer, die in Stein gemeißelt oder Bronze gegossen die Plätze bevölkern.

Joseph Wackerle war ein NS-Bildhauer. Im Alten Botanischen Garten steht sein Neptunbrunnen, der jetzt mit einer Abbildung von "Die Trauernde, 1938", der ermordeten jüdischen Künstlerin Maria Luiko verhüllt ist.
Joseph Wackerle war ein NS-Bildhauer. Im Alten Botanischen Garten steht sein Neptunbrunnen, der jetzt mit einer Abbildung von "Die Trauernde, 1938", der ermordeten jüdischen Künstlerin Maria Luiko verhüllt ist. © Tobias Haase

Bedeutende Frauen sucht man vergebens. Für "#Makeusvisible X DenkFemale" entwickelte das Künstler-Team nun eine interaktive Landkarte, auf der man mit einem QR-Code real existierende Statuen virtuell in diverse Persönlichkeiten verwandeln kann.

"Permanente Arbeiten im öffentlichen Raum haben eine gewisse Aufmerksamkeitsdauer, irgendwann treten sie wie Mobiliar in den Hintergrund", so Schalm. Auch diesem möchte man mit der aktuellen Neuvermessung entgegenwirken. Führungen und ein international besetztes Symposium im Haus der Kunst mit internationalen Künstlern runden "Past Statements" ab.

Bis 30. November im Stadtraum. Ein geführter Spaziergang findet am Sonntag, 9. Oktober, ab 10.30 Uhr zu den Projekten statt, genauere Infos: www.publicartmuenchen.de. Ein Symposium zum Thema gibt es in der kommenden Woche, am 7. und 8. Oktober, im Haus der Kunst 

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