Party, Panik und rastlose Malerei
Ob er einem längst auf den Keks geht oder die Frühstückstasse ziert – der „Schrei“ schrillt wie eine bildgewordene Sirene durch den Kopf, wenn die Rede auf Edvard Munch (1863-1944) kommt. Umso erfreulicher, dass zum 150. Geburtstag des berühmtesten norwegischen Malers mehr im Fokus steht, als der große Weltschmerz, die Psychosen und all die Traumata der Jugend, von der früh verstorbenen Mutter über die elend dahingeschiedene Schwester bis zum allzu pietistischen Vater.
Kein leichtes Leben, sicher, dass sich Munch 1908 freiwillig in die Kopenhagener Nervenheilanstalt zu Professor Jacobson begab, kam ja nicht von Ungefähr. Nach all den Sauf-Exzessen, Abstürzen, kurz vor der endgültigen Verwahrlosung. Acht Monate blieb er, um clean zu werden, ruhiger, seinen Verfolgungswahn in den Griff zu bekommen. Aber das Leben davor war nicht nur grausig und von Ängsten durchzogen.
Der attraktive Munch kommt gut an bei den Frauen
Allein in Berlin eröffnen sich dem exzentrisch-spleenigen jungen Mann aus Oslo 1892 völlig neue Welten, unglaubliche Anregungen strömen auf ihn ein. Der Schriftsteller August Strindberg wird ihm ein enger Freund, überhaupt lernt er eine Menge Künstler kennen. Und der attraktive Kerl kommt – wie schon in der Heimat – gut an bei den Frauen. Er flirtet, was das Zeug hält. Die Abenteuer, die er im „Schwarzen Ferkel“ Unter den Linden und bei den Geliebten nicht bekommt, erlebt er im Bordell.
Natürlich hasst er sich dafür. Doch Munchs Leben ist ein Mix aus Party, Panik und Malen, also intensivem Vergnügen, Leiden und Schaffen. Keine Biografie hat das bislang so griffig auf den Punkt gebracht wie Steffen Kvernelands neuer Munch-Comic aus Norwegen, der – köstlich übersetzt – im Berliner Avant Verlag erschienen ist.
Ein Munch-Comic? Aber ja!
Kverneland konzentriert sich in seiner Graphic Novel auf die Berliner Jahre, entschlackt Munch von all den küchenpsychologischen Deutungen. Mit einer üppigen Portion Humor. Dafür gab’s immerhin Norwegens bedeutendsten Literaturpreis.
Den ganzen Lebenslauf, minutiös recherchiert, liefert der Stuttgarter Kunsthistoriker Hans Dieter Huber. Weniger trocken, auch mit sehr viel weniger Daten gespickt ist dagegen Tanja Langers Buch „Der Maler Munch“. Die Autorin geht von den Bildern aus, erzählt aus Hirn, Herz und Bauch des Künstlers, wühlt ausgiebig in dessen Beziehungen, besonders der unheilvollen zu Tulla Larsen (der abgeschossene Mittelfinger!). Und dabei gelingt ihr ein wild-farbiges, (psycho)analysegetränktes, oft spannendes, allerdings auch etwas einseitiges Porträt, das dauernd Literatur sein will.
Steffen Kverneland: „Munch“, Avant Verlag, 270 Comic-Seiten, 34,95 Euro;
Hans Dieter Huber: „Edvard Munch. Tanz des Lebens“, Reclam, 198 Seiten, 19, 95 Euro;
Tanja Langer: „Der Maler Munch“, Langen Müller Verlag, 230 Seiten, 18 Euro