Neue Schätze, ungelöste Fragen

Die Pinakothek der Moderne hat auf die "Reset"-Taste gedrückt und die Ausstellung neu sortiert - nicht gerade zum Vorteil!
von  Roberta de Righi
"Himalaya Goldsteins Stube" von Pipilotti Rist.
"Himalaya Goldsteins Stube" von Pipilotti Rist. © Nicole Wilhelms / Pipillotti Rist

Die Pinakothek der Moderne hat auf die "Reset"-Taste gedrückt und die Ausstellung neu sortiert - nicht gerade zum Vorteil!

Würde man Ministerpräsident Horst Seehofer ab und zu ein psychoaktives Pilzgericht servieren, sähe sein Hobbykeller vielleicht so aus wie die „Doppelgarage“ des Schweizer Künstlers Thomas Hirschhorn: Vier Modelleisenbahnkreise, zwischen denen riesige Pilze wachsen, alles mehrfach verklebt mit Paketband; an den Wänden Werkzeug und Pin-up-Girls, kombiniert mit Magazin-Fotos zerstörter Städte und Nietzsche-Fetzen.

Eine krause Grotte, die den 11. September 2001 und Bush Juniors „Achse des Bösen“ thematisiert, aber ein bisschen zu wirr ist, als dass sie der irren Gegenwart standhalten kann. Nach einiger Zeit im Depot steht die „Doppelgarage“ nun wieder im Saal 21 der Pinakothek der Moderne. Denn die Kuratoren haben auf die „Reset“-Taste gedrückt. Für den Neustart der ständigen Ausstellung wurden nicht nur Neuerwerbungen – darunter zwei Farbkompositionen von Hans Hoffmann – eingefügt, sondern Gemälde, Installationen, Fotografien sowie mit Pipilotti Rists „Himalaya Goldstein Stube“ ein weiteres raumfüllendes Environment zurückgeholt. Und der Vermittlungsansatz hat sich leicht verändert: Der Rundgang beginnt mit „Pionieren der Moderne“ aus der Neuen Pinakothek, Ferdinand Hodlers „Jenenser Student“, Lehmbrucks „Gestürztem“ und Munchs „Frau im roten Kleid“.

So wird aus der Not der Sanierung eine Tugend gemacht, der rote Faden der Aufmerksamkeit durch alle vier Häuser gezogen – und epochenübergreifende Entwicklungslinien aufgezeigt. Einen starken Eindruck hinterlässt der erste Saal „Apokalypse und Erster Weltkrieg“: Da verbinden sich Corinths „Roter Jesus Christus“, Kirchners „Selbstbildnis als Kranker“, Kokoschkas „Auswanderer“ und Ludwig Meidners „Selbstmörder“ zu einem Bilderreigen der Heimatlosen und Versehrten. Eine Bereicherung ist der aus dem Depot befreite „Kranke mit den Blumen“ des neusachlichen Einzelgängers Walter Gramatté: Ein vom Leid Gezeichneter mit irritierend intensivem Blick – und eine Gestalt, die aussieht, als habe sie für die Filmfigur des „Gollum“ im „Herr der Ringe“ Pate gestanden. „Outskirts“ überschreibt den Raum mit Foto-Kunst: Neben US-Ansichten von Robert Adams, Stephen Shore und Zoe Leonard findet man hier Berliner Brachen von Joachim Brohm und eine Serie von Sven Johne, der leere Flächen festhielt, auf denen vor kurzem ein Zirkus gastierte: Das Ereignis liegt in der Vergangenheit.

Bei der Gegenwartskunst neu ist u.a. Wolfgang Laibs Bienenfleiß-Monument „Blütenstaub von Kiefern“ aus dem Tschernobyl-Jahr 1986. Und die Twomblys nebenan stellen eine Verbindung zur Sammlung Brandhorst her.

Die Sonderschau „GegenKunst“ wurde aufgelöst, Beckmanns „Versuchungs“-Triptychon und Otto Freundlichs Großplastik „Der Aufstieg“ sind nun ebenso wie Adolf Zieglers „Vier Elemente“ nun (in verschiedenen Sälen) in die Dauerschau integriert.

Letztere haben diese Ehre aber nicht unbedingt verdient. Die temporäre Präsentation von künstlerisch belanglosen, zudem ideologisch kontaminierten Bildern mag sinnvoll sein. Für die permanente Hängung ist der Platz jedoch zu schade.

Einige Säle weiter soll außerdem anhand von Landschaften die Willkür-Grenze zwischen als „entartet“ gebrandmarkten und NS-konformen Malern sichtbar werden. Bernhard Maaz, Direktor der Staatsgemäldesammlungen betont, es gehe hier nicht um die „Einteilung in Gut und Böse“ – zweifellos als Kategorien obsolet.

Was jedoch wesentlich bleibt, sind die Fragen nach menschlicher Größe und künstlerischer Qualität. Kapitulation vor der Komplexität ist bei diesem Thema keine angemessene Haltung.

Pinakothek der Moderne, Di – So 10-18, Do bis 20 Uhr

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