Napoleon und Bayern

Die Landesausstellung in Ingolstadt zeigt, wie Bayern von Napoleon profitierte - und unter ihm litt
Volker Isfort |
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Die Landesausstellung in Ingolstadt zeigt, wie Bayern von Napoleon profitierte - und unter ihm litt

In Ingolstadt übernachtete Napoleon einmal, am 18. November 1809, auf Truppenbesuch. „Der Jubel der Armee war unbeschreiblich“, verkündet die Stadtchronik. Nun kehrt er wieder zurück und bleibt bis zum 31. Oktober.

„Napoleon und Bayern“ ist das Thema der diesjährigen Landesausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte. Sie widmet sich der wechselvollen Beziehung des französischen Kaisers und seines Verbündeten Bayern. Rund 100 Ausstellungsstücke hat das Bayerische Armeemuseum im Neuen Schloss in Ingolstadt selbst beigesteuert, drei Viertel der Exponate wurden von über 100 externen Leihgebern in vierjähriger Vorbereitungszeit akquiriert – von einem Zweispitz des Kaisers aus dem Russland-Feldzug bis zur Guillotine. Sie steht sinnbildlich für die Zeit der Französischen Revolution, jene Umwälzung aller Werte, die den Aufstieg des Korsen an die Spitze Frankreichs erst möglich gemacht hatte. Drei Männer bestimmen in den folgenden zwei Jahrzehnten die bayerische Geschichte maßgeblich: Napoleon, der Bayern als starkes und eigenständiges Bollwerk gegen Österreich braucht, Kurfürst Max IV. Joseph und sein findiger Minister Maximilian von Montgelas. Die Ingolstädter Ausstellung aber erzählt die Geschichte nicht allein aus der Perspektive der Macht, sondern auch aus der der einfachen Leute. Denn der Preis, den die Bevölkerung in Bayern in der napoleonischen Zeit zahlen musste, war hoch: Fast zwei Jahrzehnte ziehen Heere durch das Land, Plünderungen, Vergewaltigungen, Verwüstungen bestimmen den Alltag. Gastwirt Lorenz Gerhauser aus Aichach klebt die Einquartierungszettel zu einer 15 Meter langen Fläche zusammen, in der Hoffnung, vom bayerischen Staat Entschädigungen zu erhalten. Meist vergeblich. Am Ende der napoleonischen Kriege ist er bankrott.

Der Jubel über Napoleon war schnell vorbei

Doch die Zeit ist auch eine der Reformen, die vor allem der Minister Montgelas vorantreibt. Was in Frankreich durch die Revolution der untersten Schichten begann, betreibt der Minister als Revolution von oben: die politische Entmachtung des Adels und der Kirche, die umfassende Säkularisierung des Staates und Gleichberechtigung der christlichen Religionen, eine neue Verfassung und Steuerpolitik, allgemeine Schulpflicht, Pockenimpfung, Verbot von Folter. Das wichtigste Ereignis im bayerisch-napoleonischen Verhältnis ist natürlich die Erhebung Bayerns zum Königreich 1806, ein seit Ewigkeiten gehegter Traum der Wittelsbacher. Aber bei Napoleon hat alles seinen Preis. Bayern erhält Gebietszuwächse und Napoleons Stiefsohn Eugène Beauharnais die Hand von Max Josephs ältester Tochter Augusta Amalia. Sehr zum Bedauern dieser und zum Entsetzen von Königin Karoline, die Napoleon nicht nur aus politischen Gründen hasste. Sondern auch aus privaten: Er hatte 1804 ihre Jugendliebe, den Herzog von Enghien, erschießen lassen. Auch der eingefleischte Junggeselle Eugène Beauharnais war nicht begeistert. So soll einzig Napoleon beim Fest in der Münchner Residenz am 13. Januar 1806 gute Laune gehabt haben. Immerhin: Aus der Zwangshochzeit wurde eine in Adelskreisen selten glückliche Ehe mit sieben Kindern. „Ich werde Bayern nicht nehmen, ich werde es verschlingen“, hatte der österreichische Kaiser Franz 1805 wütend über das sich anbahnende bayerisch-französische Bündnis gesagt. Das war auch Montgelas und dem nun als König Maximilian I. Joseph auftretenden Regenten bewusst. Ohne einen starken Napoleon war Bayerns Position schwierig, das sollte sich erweisen.

In der Bevölkerung jubelte den Franzosen schon bald kaum noch jemand zu. Knapp 200 000 französische Soldaten standen 1806 auf dem Gebiet Bayerns: Die einstigen Retter vor einer österreichischen Annexion waren selbst zur unerträglichen Last geworden – und in der Theatinerkirche stapelte sich das Heu für die Pferde der Armee. Napoleons Politik blieb die eines ständigen Krieges.

Das bekamen die Bayern immer deutlicher zu spüren, der Blutzoll stieg. Zwar gab es noch historische Erfolge, wie den siegreichen Feldzug gegen die Preußen, bei dem die bayerischen Divisionen eine eher untergeordnete Rolle spielten. Aber das große Desaster des 19. Jahrhunderts stand noch bevor. Kleine Holzstücke konnten beim Würfeln über Leben und Tod entscheiden, über Einberufung oder nicht. Und man schaudert ein wenig in der Ingolstädter Ausstellung, wenn man dieses „Spielzeug“ sieht, denn bald schon führt der Weg hinein in den Saal der Napoleons Russlandfeldzug gewidmet ist. Wer will, kann sich als Besucher in der Ankleidestation Mantel Helm und Tornister anziehen, um ein wenig das Gespür zu entwickeln, aber es hilft wenig.

Hitze, Schlamm, Durst, Hunger, Kälte, Krankheit waren die Hauptfeinde der fast 450 000 Soldaten, mit denen Napoleon gen Moskau zog und die so gut wie aufgerieben wurden. Fast 36 000 bayerische Soldaten marschierten 1812 mit. Über 30 000 kehrten nicht wieder.

Im letzten Augenblick wechselte Bayern die Seiten

Napoleon konnte zwar in kurzer Zeit eine neue Armee auf die Beine stellen, aber sein militärischer Nimbus war gebrochen. Und für das Überleben Bayerns begann ein heikles geheimdiplomatisches Spiel. Am 12. August 1813 erklärte Österreich Frankreich den Krieg, ließ aber Bayern noch die Chance, wieder die Seiten zu wechseln. Montgelas und Kronprinz Ludwig bedrängten König Max I. Joseph, sich von seinem Verbündeten loszusagen. Aber der Regent zauderte. Als Österreich schließlich die Geduld verlor und mit dem Einmarsch drohte, war Max I. Joseph mürbe und unterzeichnete den Vertrag von Ried, den neuerlichen Seitenwechsel Bayerns ins antinapoleonische Lager. Napoleon bezeichnete Max I. Joseph später als Schuft. Noch einmal fielen 6000 bayerische Soldaten, dieses Mal beim Kampf gegen die napoleonischen Truppen in Hanau. Aber dieser Blutzoll überzeugte den österreichischen Kaiser von der Ernsthaftigkeit des Seitenwechsels. Bayern war zurück auf der Siegerstraße, allerdings nicht im Konzert der Großen. Beim Friedensvertrag in Paris unterzeichneten die Großmächte ohne Bayern.

Auch beim Wiener Kongress saß Bayern eher am Katzentisch. Österreichs Gebietszusagen waren längst Makulatur, Bayern musste Salzburg und Tirol wieder hergeben, ebenso die rechtsrheinische Pfalz, erhielt aber Gebiete um Würzburg und Aschaffenburg.

Nach Napoleons endgültiger Niederlage in Waterloo vor 200 Jahren, holten sich die Bayern immerhin die aus Schloss Nymphenburg entwendeten Bilder aus Paris zurück, darunter Altdorfers „Alexanderschlacht“: heute ein Prunkstück der Alten Pinakothek.

Ausstellung im Bayerischen Armeemuseum im Neuen Schloss, Ingolstadt, täglich bis 31.Oktober, 9 - 18 Uhr, Zur Ausstellung sind erschienen: der Katalog „Napoleon und Bayern“ (Theiss Verlag, 400 Seiten, 350 Abbildungen, 29.95 Euro) Thomas Schuler: „Napoleon und Bayern“ (C.H. Beck Verlag, 320 Seiten, 24.95 Euro, ab 8. Mai)

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