Muß der Max-Joseph-Platz vor der Oper schöner werden?

Hat München ein Platzproblem? Ein Gespräch über Münchens öffentlichen Raum und denkbare Verbesserungen am Max-Joseph-Platz
von  Christa Sigg

Die Entwürfe für einen neuen Max-Joseph-Platz sind am Lehrstuhl von Regine Keller entstanden – als Bachelor-Abschlussarbeiten. Ein Gespräch mit der renommierten Landschaftsarchitektin über Münchens Paradezimmer, die leidige Tiefgarage und weitere Münchner Plätze.

AZ: Frau Keller, welche ist denn die schlimmste Sünde am Max-Joseph-Platz?

REGINE KELLER: Dass man ihn nicht als Platz, sondern als Verkehrsdrehscheibe nutzt. Vergleicht man die Innenstadt mit einer Wohnung, dann sprechen wir hier vom Paradezimmer. Das hat unglaubliches Potenzial, das man sich einfach nicht zunutze macht.

Manches funktioniert ja ganz gut: Die Leute sonnen sich jetzt wieder vor dem Königsbau. Sich Max Joseph zu nähern, ist schon schwieriger.

Ja, und ich würde diesen Herrscher auch nicht infrage stellen. Das Monument lässt von allen Seiten genügend Raum, diesen Platz zu nutzen. Max Joseph thront in der Mitte, und drumherum ist Demokratie, wunderbar!

Sie haben mit Ihren Studenten den Platz analysiert, was kam dabei heraus?

Das, was alle vermuten: Dass es nicht nur viel Verkehr gibt, sondern der Verkehr den Platz auch dominiert. Zeitweise wird er von 20 Touristenbussen gleichzeitig frequentiert. Die stehen dort mit laufenden Motoren, versperren weite Bereiche und stören die Optik.

Dagegen empfindet man die Trambahn als charmant und münchnerisch.

Die Tram und auch der Taxiverkehr sind absolut akzeptabel und gehören zur Stadt. Es geht ja nicht darum, die Mobilität komplett vom Platz zu verbannen. Vielmehr sollte man nachdenken, ob der PKW-Verkehr hier zwingend notwendig ist. Momentan ist das noch der Fall, weil die Geschäftsleute im Umfeld angemietete Parkplätze haben, die sie brauchen. Wenn man im Zentrum eine Stellplatzsituation verändert, muss man auch für Ersatz sorgen.

Und schon sind wir beim Grundproblem des Autoverkehrs in der Innenstadt. Den würde ja auch Stadtbaurätin Elisabeth Merk auf das Notwendigste reduzieren.

Völlig richtig. Im Umfeld des Stadtzentrums entstehen ja neue Parkmöglichkeiten. Abgesehen davon bieten die Kulturbetriebe rund um den Max-Joseph-Platz Eintrittskarten mit MVV-Fahrt. Wobei die Opern- und Theaterbesucher den geringsten Teil der Tiefgaragennutzer ausmachen. Die meisten sind Tagesnutzer.

Sie haben das Geschehen auf dem Platz mit einer Intervallkamera eingefangen, die in bestimmten Abständen kurze Sequenzen dreht.

Und die Auswertung hat uns gezeigt, wie dramatisch es wirklich ist. Morgens und abends staut sich eine unglaubliche Autoschlange vor der Tiefgarage. Die Einfahrt ist durch das Schrankensystem extrem zeitintensiv. Da brauchen nicht nur die Autofahrer viel Geduld.

Die Tiefgarage scheint jedenfalls ein Knackpunkt zu sein.

Damit setzen sich einige Entwürfe auch explizit auseinander. Manche lassen Verkehr zu, regeln ihn aber anders. Andere verzichten komplett auf die Tiefgarage oder nutzen diesen Unterbau mit anderen Inhalten.

Einige Modelle sehen Bäume vor, Landschaftsarchitekten drängt es nach Bepflanzung?

Ein städtischer Platz muss nicht unbedingt Bäume haben, um gut zu sein. Es gibt Studierende, die diesen Platz in unterschiedliche Aufenthaltsqualitäten aufgeteilt haben – dazu können auch Schatten spendende Bäume gehören.

Wie soll dann „Oper für alle“ funktionieren?

Das war sogar die Rahmenbedingung: Die Studierenden mussten in ihren Entwürfen nachweisen, dass „Oper für alle“ trotz aller Interventionen stattfinden kann. Interessanterweise funktioniert das auch mit Bäumen.

Wie groß ist die Chance, dass einer der Pläne tatsächlich umgesetzt wird?

Es geht im Moment nicht um eine Umsetzung, sondern um die Anregung zu einer Diskussion. Nicht nur die Zuständigen bei der Stadt – Planungs-und Baureferat, Oberbürgermeister, Stadtrat – sollen sich daran beteiligen, sondern genauso die Bürger. Veränderungen an einem solchen Ort brauchen eine breite Unterstützung. Und wenn es dazu kommt, soll es am Ende ja für alle ein guter Platz werden.

Lassen Sie uns noch ein bisschen über Münchens Plätze sprechen. Wie finden Sie den Marienplatz?

Der ist für mich wunderbar!

Der Odeonsplatz?

Alles gut!

Der Gärtnerplatz?

Wurde nach einem historischen Vorbild reinterpretiert. Ich persönlich finde das an dieser Stelle schwierig, weil wir einfach nicht mehr im 19. Jahrhundert leben. Aber er erfreut sich größter Beliebtheit, und das zeigt auch wieder, wie notwendig ein solcher Freiraum in einer dichten Stadt ist. Denn außer an der Isar haben Sie dort ja keinen Freiraum.

Und wo besteht dringender Korrekturbedarf?

Am Stachus! Inklusive der Fortführung Sonnenstraße. Der Karlsplatz hat wunderbare Anrainer, ist aber vollkommen vom Verkehr bestimmt. Leider gibt es an dieser großen Kreuzung nur wenige Möglichkeiten, Alternativen zu schaffen. Der Untergrund ist komplett unterbaut, da kann man auch nichts verlagern. Aber man muss dringend über Veränderungen nachdenken. Etwa, wo es möglich ist, ebenengleiche Flächen zusammenfassen. Und aufräumen! Der Straßenraum ist ja mit Hunderten von Objekten vollgestellt. Auch die Oberleitungen könnte man einem neuen Design unterziehen. Die derzeitige Begrünung verdient eigentlich nicht den Namen Pflanze, auch daran könnte man arbeiten.

Mit dem Königsplatz müssten Sie eigentlich zufrieden sein.

Der ist historisch auf das zurückgeführt, was Fischer und Klenze geplant hatten. Der Platz schafft den notwendigen Abstand zu den monumentalen Gebäuden und bildet damit eine wohltuende Zäsur. Auf der Seite der Propyläen würde man sich gerade vor dem Lenbachhaus mehr Leben wünschen. Vom Zentrum zwischen Glyptothek und Antikensammlung aus hat man den Blick aufs NS-Dokumentationszentrum und sogar auf die denkmalgeschützten Fundamente oder Reste der Ehrentempel, die zum Nachdenken anregen. Die Freiflächen lassen die Gebäude wirken. Insofern glaube ich, dass diese Rückführung auf diese klassizistische Interpretation des Ortes mit den Grünflächen hier eine richtige Geste ist.

Besichtigt werden kann die Ausstellung „Ein Platz für alle“ mit den erwähnten Entwürfen und Platzanalysen beim Besuch einer Vorstellung im Nationaltheater – ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn – und an den Samstagen 14.3., 21.3., 28.3. und 2.5. zwischen 11 und 14 Uhr. Die Onlinepetition findet sich auf www.openpetition.de

 

 

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