"Munich Creative Business Week": Schaukeln, Kunst, All und Natur

Vom Samstag an findet die 11. Munich Creative Business Week statt – unter dem Titel "Moving Horizons".
von  Joachim Goetz
Ein öffentliches Spielgerät während der MCBW vom Produkt- und Möbeldesignstudio OHA (Office Heinzelmann Ayadi) vor der Alten Pinakothek.
Ein öffentliches Spielgerät während der MCBW vom Produkt- und Möbeldesignstudio OHA (Office Heinzelmann Ayadi) vor der Alten Pinakothek. © OHA

Frühlingsgefühle tun einer Veranstaltung im Freien gut. Das kann man jetzt schon über die in den Mai geschobene "Munich Creative Business Week" (MCBW) sagen. Denn Deutschlands größter Design-Event mit 170 Programmpunkten - deutlich mehr als im letzten (Corona-)Jahr - findet wieder überwiegend analog statt. Und sie zeigt sich in der Stadt, mal mit ernsten Themen mal mit spielerisch-vergnüglichen.

So hat man auf der Südwiese der Alten Pinakothek eine Riesenschaukel von 38 Metern Länge aufgebaut, die auf der Traverse den Schriftzug und das Motto der MCBW "Moving Horizons" trägt.

Schaukeln an der Pinakothek

Warum Schaukeln? Gut, Vergnügen und etwas sportliche Bewegung schaden nach zwei Jahren Pandemie und Ausgangssperren nicht. Aber das ist freilich nur ein Aspekt des von dem Münchner Produkt- und Möbeldesign-Studio OHA (Office Heinzelmann Ayadi) entworfenen Werks, für das die Kategorie "Fliegender Bau" im wörtlichen Sinne zutrifft.

Die frei zugängliche und benutzbare Installation illustriert auf launige, lustige und zugleich sehr reale Weise das Motto der "Bewegten Horizonte". Beim Schaukeln ist die permanente Verschiebung der Horizonte Programm. Die Mitmach-Aktion soll aber auch - jetzt wird´s seriös - auf das verschobene neue Lebensgefühl aufmerksam machen, das durch die Corona-Pandemie und andere Krisen von bislang unbekannten Unsicherheiten geprägt wird. Flexible Reaktionen können nicht nur Notwendigkeit, sondern auch Chance sein. Das ist die Botschaft.

Fabrik präsentiert Papier-Installation

Und wie sehr dem Menschen das Schaukeln im Blut liegt, erklärte dem staunenden Publikum Ministerialdirigentin Ulrike Wolf bei der Vernissage: "Schaukeln erinnert uns an die früheste Kindheit. Wir schaukeln im Mutterleib, wir schaukeln in der Wiege und später auf Schaukeln und Schiffschaukeln. Es beruhigt, verbessert die Sinneswahrnehmung und schult unseren Gleichgewichtssinn." Schaukeln soll sogar Schmerzen lindern und für besseren Schlaf sorgen. Könnte während der vollgepackten intensiven Designwoche von Vorteil sein.

Bis zum Glaspavillon gleich um die Ecke an der Pinakothek der Moderne dürfte man sich jedoch noch nicht die Füße wund gelaufen haben. Dort präsentiert die Papierfabrik Gmund vom Tegernsee, die für ihr Hanfpapier mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurde, eine Papier-Installation. Das Thema Nachhaltigkeit spielt überhaupt eine große Rolle. Neue Materialien für nachhaltiges Design sind im zweiten Pop-Up-Pavillon auf dem Viktualienmarkt zu sehen. Sechs Themeninseln zeigen, wie aus Lebensmittelresten Möbel, Brillen oder Uhren werden. Wie die Wurzeln von Pilzen sich in Akustikpaneele, Stühle oder Schuhsohlen verwandeln. Algen machen sich nützlich als Luftreiniger, Färbemittel oder Grundlage für Möbel. Kleider aus Gras, Brillen aus Bohnen und Taschen aus Blumenresten verblüffen den Besucher ebenso wie die unkonventionellen Ideen zu Kunststoff, der aus alternativen Quellen gewonnen und ebenso verwendet werden soll: Zuhauf also Rezepte wie jetzt doch noch die Welt ein wenig zu retten ist.

Interaktion von Mensch, Maschine und Nutzpflanzen

Aber ohne Auto? Der Zukunft des Lenkrads haben sich 18 Studenten des Produkt Designs mit überraschenden Visionen verschrieben. Der Zukunft des Ackerbaus widmet sich das Taserbeam-Kollektiv in der Containerstadt des Bahnwärter Thiel mit der Vertical Farming-Installation "Auxin". Es geht dabei um die Interaktion von Mensch, Maschine und Nutzpflanzen, die kontrolliert in Hydrokultur mit künstlichem Licht angebaut werden. Das soll als ästhetisch-emotionales Erlebnis Stadtmenschen mit der Natur in Berührung bringen und für die Produktionsmethoden ihrer Lebensmittel sensibilisieren.

Und falls wir doch noch mal in stellare Welten emigrieren müssen: Fourplus Design in der Adelgundenstraße 12 hat uns für das Leben auf dem Mars mit seiner tödlichen kosmischen Strahlung, dem fehlenden Sauerstoff und seinen arktischen Temperaturen schon mal eine Wohnungseinrichtung entworfen. Und macht uns klar, dass es für den Lebensraum auf dem roten Planeten eine Lösung gibt - aber wollen wir wirklich so leben?

Auch Workshops, Führungen oder ein Spaziergang  durch die Innenstadt

Vieles andere ist freilich bodenständiger: etwa Workshops, Vorträge, Führungen oder der Spaziergang durch die #kreativmuenchen Läden in der Innenstadt und der Designwalk durch den designorientierten Glockenbach. Dabei können rund um die Uhr mit Hilfe eines Mobiltelefons, das den Weg weist und Interviews abspielt, zehn Stationen angelaufen werden. Schaufensterauslagen und Ton lassen die kreativen Frauen, die hinter diesen Brands und Shops stecken, lebendig werden.

Dieses Format wurde ebenso wie die Filmreihe aus dem letzten, digitalen Corona-Jahr herübergerettet. Filme wie über den finnischen Architekten der klassischen Moderne Alvar Aalto (2020), "Monobloc" (2021) und "Fast Fashion - Die dunkle Welt der Billigmode" sind während der ganzen Laufzeit bis 22. Mai rund um die Uhr von zu Hause aus zu streamen. Ein Beispiel dafür wie die eingangs erwähnte "flexible Reaktion auf die Pandemie" in eine Chance umgemünzt wurde.


"Munich Creative Business Week", 14. bis 22. Mai. Infos unter www.mcbw.de 170 analoge und digitale Veranstaltungen.

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