Mit anderen Augen: Die lange Nacht der Architektur
München - Was macht sie bloß so attraktiv, diese Lange Nacht der Architektur? In einer kalten Winternacht von 19 bis 24 Uhr strömen 30 000 Menschen in 70 Gebäude, warten frierend auf einen der kostenlosen Shuttlebusse, um zu einem Gebäude zu gelangen, das sie schon seit Jahren kennen – salopp gesagt. So war es jedenfalls auch bei der letzten Langen Nacht vor zwei Jahren.
Freilich: Man kommt – kostenlos – in Gebäude, die einem sonst so verschlossen sind wie Fort Knox. Manchmal gibt es sogar Cocktails und Häppchen mit Livemusik. Oder Führungen und Vorträge. Aber mitunter steht man auch wegen Überfüllung vor verschlossener Tür. Veranstaltet wird die Lange Nacht von der alle zwei Jahre stattfindenden Messe BAU, einem weltweiten Treff der Spezialisten.
Touren durch die Innenstadt oder das Kunstareal
Der nächtliche Streifzug durch die gebaute Münchner Architekturwelt steht freilich allen offen. Denn die BAU möchte „eine Brücke schlagen von der Fachmesse zur breiten Öffentlichkeit“. Zwei geführte Touren führen den Besucher zu Fuß durch die Münchner Innenstadt oder das Kunstareal. Auf der Tour „Baukultur und Kunstgenuss“ - Dauer 90 Minuten – stehen nicht nur die neuen Münchner Museen auf dem Programm, man wird auch durch das umgenutzte Heizkraftwerk „Mix Munich Arts“ geführt, in dem Konzerte und unkonventionelle Kunstaktionen stattfinden.
In den 35 Meter hohen Faultürmen der Münchner Stadtentwässerung gegegenüber der Allianz-Arena wird in Großlappen Biogas gewonnen. Foto: Veranstalter
Genauso spannend: „Tradition und Moderne – Neues Bauen in der Münchner Altstadt“. Hier erfährt man, wie es München bei seinem rasanten Wachstum schaffen will, das „alte Stadtbild zu erhalten und dennoch den herrschenden Aufschwung in modernen Gebäuden widerspiegeln zu lassen“. Wie gut das etwa bei der Hofstatt (Meili Peters Architekten), dem Restaurant Donisl (Hild und K) oder beim Siemens Headquarter am Wittelsbacher Platz (Henning Larsen Architects) gelungen ist, kann der Besucher hinterher dann sicher selbst beurteilen.
Ausblick vom ADAC-Hochhaus
Wers lieber mit Aussicht von oben mag, kann sich etwa in der obersten Etage des ADAC-Hochhauses in der Hansastraße (Sauerbruch Hutton), im „Skygarden“ in der Arnulfstraße (Bothe, Richter, Teherani), in der „Skybar“ des Osram-Hochhauses (Architekten: Murphy/Jahn) oder auf der Sonnenterrasse der TU im Café im Vorhoelzer Forum (Sitzberger Hoyos Architekten) vergnügen. Dort ist die Aussicht über München selbst bei Schneegestöber natürlich nicht zu verachten.
Spektakulär geht’s weiter – und das nicht bloß architektonisch. So erklärt etwa die Innenarchitektin Julia Schneider von interior.architects.munich ihr Konzept von „Box-Kitchen“ am Rundfunkplatz, das Fitness, Boxen und Restaurant auf zwei Ebenen und 2500 Quadratmetern vereint. Nach der Devise „Wer hart trainiert, soll auch gut essen“ gibt’s dort gehobenes, natürlich gesundes Essen. In der Heßstraße kommen diejenigen, die in ihrer Kinderzeit mal Feuerwehrmann werden wollten, auf ihre Kosten. Dort gibt’s Führungen durch die Feuerwache 4 (Architekten: AGN-Niederberg – Haus & Partner GmbH), die ab Mitte 2017 die integrierte Leitstelle beherbergen wird und im August 2016 bezogen wurde.
Die neue Feuerwache in der Heßstraße min Schwabing. Foto: Jens Weber
Wer sich mal im neuen Werksviertel hinter dem Ostbahnhof umschauen möchte, besucht die „Pop up City“ in der Atelierstraße 4. Auf 750 Quadratmetern sind in Containern, die schon zahllose Weltreisen hinter sich haben, Shops, Werkstätten, Ateliers, Ausstellungsflächen oder Gastro-Konzepte untergebracht. Diese bunte Welt erfindet sich ständig neu – und bildet anschaulich die kreative urbane Stadtidee ab, die das Werksviertel gerade so spannend macht.
Umbauten und Umnutzungen sind zu bestaunen. So ist etwa das Kare Kraftwerk (Architekt Markus Stenger) im ehemaligen Heizkraftwerk in Sendling zur Kulisse für das unkonventionelle Wohndesign geworden. In den denkmalgeschützten Backstein-Hallen der einstigen Isartalbahn in Thalkirchen befinden sich nun die Isartalwerkstätten. Dort stehen die Architekten von „binnberg Architekturentwicklung“ Rede und Antwort dazu wie sie mit Glas, Stahl und Beton die alten (zuvor baufälligen) Gemäuer energetisch und optisch aufgepeppt haben.

Ein Blick in die sonst unzugänglichen alten Großmarkthallen (Architekt Richard Schachner) lohnt ebenso wie in die rumänisch-orthodoxe Holzbaukirche (Architekten: Haindl + Kollegen GmbH) oder ins Dominik-Brunner-Haus der Johanniter (Girnghuber Wolfrum Architekten). Auch wer was über neue Wohn- und Lebensformen erfahren will, wird fündig im Angebot der Langen Nacht. Das genossenschaftliche Wohnprojekt „wagnisART“ im Domagkpark (bogevischs buero und Schindler Hable Architekten) beherbergt eine Vielzahl an Gemeinschaftsräumen, Ateliers und Werkstätten, die das ganze Quartier beleben sollen. Außerdem wurden sogenannte „Cluster-Wohnungen“ realisiert, bei denen sich Apartments rund um einen gemeinsamen Wohn- und Aufenthaltsbereich gruppieren.
Wer immer noch nicht fündig geworden ist, dem bleibt eigentlich nur noch die Reise in die Messestadt. Dort wurde von Rainer Freitag für „pro aurum“ ein Gebäude in der Form eines Goldbarrens geschaffen. Da drin eine Führung bekommen – das ist besser als Fort Knox.

Form follows Function: Das goldglänzende Gebäude von „pro aurum“ in Riem. Foto: Veranstalter
Infos: Die lange Nacht der Architektur
Freitag, 20. Januar, Beginn 19 Uhr.
Alles Wissenwerte (etwa zur WhatsApp-Gruppe, Voranmeldungen, Sicherheitskontrollen, MVV- oder Eigenanreise, eigene Tour planen) findet sich im Booklet zur Langen Nacht, das u.a. in der Rathaus-Information zu bekommen ist.
Oder unter www.lange-nacht-der-architektur.de