"Look At This": Eine Schau der neuen Ordnung
München - Sie schauen immer noch siegesgewiss, die alten weißen Männer. In Bodo Buhls Foto-Serie "Wir wollen alle nur das Beste" aus dem Jahr 1983 reihte der Münchner Künstler (1951-2010) anonyme Porträts so genannter "Bestimmer" in den einschlägigen Posen mächtiger Männer aneinander. Die Foto-Arbeit lagerte jahrelang im Depot der Staatsgemäldesammlungen.
Der junge nigerianische Kurator Folakunle Oshun holt sie nun für seine Ausstellung "Look At This" in der Pinakothek der Moderne aus der Versenkung und hängte sie quasi als Intro an die Schauwand am oberen Ende der Prachttreppe.
Bernhart Schwenk hatte Oshun eingeladen, mit dem klaren Blick von außen die Bestände der zeitgenössischen Kunst neu zu sichten. Und Oshun unterlief etwaige Erwartungen, Farbe und Bewegung in die kühl respektgebietende Pinakothek zu bringen, und stellte eine analytische Sammlungspräsentation (ergänzt um ein paar Leihgaben) zusammen, die die Institution Museum räumlich und ideell neu vermisst.
Farbe spielt nur eine marginale Rolle
Schwarzweißmalerei ist hier Programm: In den meisten Beiträgen spielt die Farbe eine marginale Rolle, und auch die Wände sind teils weiß, teils schwarz getüncht, um das Spiel der Gegensätze formal auf die Spitze zu treiben und die Pathosformeln der Architektur zu hinterfragen.
Der eigentliche Auftakt zur Schau ist David Shrigleys titelgebende Zeichnung "Look At This": Ein schwarzes Rechteck, in dem es nichts weiter zu sehen gibt - und das den Blick auf uns selbst zurückwirft. Und so dünkelhaft die Herren nebenan auftreten, so klar ist, dass ihre Zeit abläuft. Das macht denn auch ein paar Wände weiter Gerhard Richters Gemälde "Sargträger" von 1962 deutlich.
Rosemarie Trockels Gips-Porträt "Großvater" (1995), eher eine Clownsmaske, und Heike Kati Baraths windschiefe Uhr (2014) führen ebenfalls demonstrativ vor Augen, dass die alten Gewissheiten nur noch eingeschränkt gelten. Kirstin Buch sprengt in ihrer Doppel-Projektion "Such prophecies we write on banana skins" von 2015 gleich den Mount Everest und das New Yorker Guggenheim. Das ist plakativ, aber wirkungsvoll.
Performance von Sameh al Tawil: Aus minimalem Spielraum alles herausgeholt
Julian Göthe, in dessen Skulpturen und Arrangements das Equipment und die Kulisse zu m Hauptdarsteller werden, macht in "Immer nur lächeln" und "Exit" Leere und Erstarrung sichtbar, über die der permanente "Showtime"-Imperativ hinwegtäuschen soll. In diesem Kontext liest man Nam June Paiks Video-Installation "Der Denker" von 1976 anders, in der die Kamera ein Abbild von Rodins Sitzfigur bei seiner - unsichtbaren - Tätigkeit filmt.
Vielleicht ist da einfach nichts. Dass es andererseits auch möglich ist, aus minimalem Spielraum alles herauszuholen, führt die Film-Performance des Ägypters Sameh al Tawil vor, der einst in München studiert hat. In seinem "Solo" ist Unterdrückung Gegenwart: Darin spielen Hände, die in Handschellen stecken, eine beklemmend-schöne Melodie.
Eine der schönsten Arbeiten ist die Raum-Plastik "Contrade dell' Arte" des 2008 verstorbenen Andreas von Weizsäcker: Der Münchner Künstler nahm von den Rössern der Zwillinge Castor und Pollux vor der Kunstakademie Gipsabdrücke ab und arrangierte diese, in Einzelfragmente zerfallen, zu einer schwebend leichten, in Ausdruck und Wirkung umso gewichtigeren Installation. Ähnlich filigran sind nur die schemenhaften Boote aus Metallstreben, die Ndidi Dike unter dem Titel "Lost" auf dem Boden im Raum nebenan stranden ließ.
Der einzige Künstler, der das Haus mit Farbe und Flitter ein wenig locker macht, ist Victor Ehikhamenor - am Außenbau: Mit zig fransig zerschnittenen, bunten Leinwänden hat er die Rundstützen um den Haupteingang verkleidet, die das Dach tragen. "Bha dò ghé" heißt seine Installation, "Komm und Schau". Unbedingt.
Bis 19. September, Pinakothek der Moderne, Di - So 10 bis 18, Do 10 bis 20 Uhr; Besuch derzeit ohne Voranmeldung möglich
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