Interview mit Bernhard Maaz, dem Chef der Münchner Pinakotheken

Seit einem Jahr ist Bernhard Maaz Chef der Pinakotheken. Ein Gespräch über schnelle Wege, endlose Sanierungen und alte Wünsche
von  Christa Sigg
Der 54-jährige Kunsthistoriker aus Jena arbeitete an Museen in Berlin und Dresden, ehe er nach München wechselte.
Der 54-jährige Kunsthistoriker aus Jena arbeitete an Museen in Berlin und Dresden, ehe er nach München wechselte. © dpa

Seit einem Jahr ist Bernhard Maaz Chef der Pinakotheken. Ein Gespräch über schnelle Wege, endlose Sanierungen und alte Wünsche

Der gelbe Bauhelm liegt griffbereit im Schrank. Den haben ihm die Kollegen in die Hand gedrückt, als Bernhard Maaz vor einem Jahr bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen angetreten ist. Man kann sich Angenehmeres vorstellen, als marode Museen zu sanieren. Doch den neuen Generaldirektor scheint diese Aufgabe sogar zu reizen, schließlich hat er damit geliebäugelt, Architektur zu studieren. „Du bekommst alles im Leben, was Du Dir wünschst“, sagt er. Manchmal eben etwas später.

AZ: Herr Maaz, wieviel Schlaf brauchen Sie?

BERNHARD MAAZ: Sieben bis acht Stunden, ganz normal.

Man hat aber das Gefühl, Sie sind omnipräsent.

Manchmal reicht ja Geistesgegenwart. Ich kann mich relativ gut organisieren und habe eine Mannschaft, auf die ich mich verlassen kann. Deshalb reicht mitunter ein Termin von 15 Minuten, dann ziehe ich weiter. Ich bin gerne überall. Und das Wochenende im Veneto war zauberhaft.

Hoffentlich privat.

Es gibt ein Leben neben dem Museum. Ich lese gerade Siegfried Lenz‘ posthum erschienenes Buch „Der Überläufer“. Also ich lese und lebe nebenbei.

Es soll hier Abteilungen geben, in denen nie zuvor ein Generaldirektor gesichtet wurde – bis Sie gekommen sind.

Das hab ich auch so gehört. Mein Verständnis ist, dass ich wissen will, mit wem ich arbeite. Ich möchte die Menschen sehen, weil ich dann auch die Ressourcen und die Lebensläufe besser einschätzen kann. Ich will übrigens auch wissen, warum viele Kolleginnen und Kollegen so hoch motiviert sind. Denn der Output dieser kleinen Mannschaft ist immens. Und umgekehrt: Das Kollegium soll genauso wissen, wer ich bin.

Für Chris Dercon, den Ex-Direktor im Haus der Kunst, haben die Staatsgemäldesammlungen die „ältesten Strukturen“, die er kennt. Und vor Kurzem monierte der Oberste Rechnungshof einen „tradierten Strukturmangel“.

Was der Oberste Rechnungshof jetzt veröffentlicht hat, betrifft auch die Zentralverwaltung der staatlichen Museen in Bayern, also zwei Dutzend Institutionen, das wurde etwas verkürzt dargestellt. Wir befinden uns längst in einem intensiven Evaluationsprozess. Und wenn Sie auf die Gehälter anspielen, muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass in der teuersten Stadt Deutschlands die Gehälter im öffentlichen Dienst vergleichsweise so gering sind, dass wir Besetzungsprobleme haben. Die Eingruppierungen werden geprüft, und dann wird man sehen, ob nicht auch Stellen zu niedrig dotiert sind.

Vor einem Jahr klangen Sie ziemlich euphorisch, jetzt kennen Sie den Laden aus der Nähe.

Und ich habe keine Sekunde bereut, hergekommen zu sein. Wir haben vorher über Strukturen gesprochen: Sie sind schlank, und darin liegt auch ein großer Vorzug. Ich habe ja die Erfahrung der kolossal großen Verbünde in Berlin und Dresden. Wir haben keine tausend Gremien, sondern arbeiten auf kurzen Wegen zusammen. Und ich spüre, dass man mich gerne aufgenommen hat.

Aktuell haben Sie vor allem mit Sanierungen zu kämpfen, die schränken den Aktionsradius doch deutlich ein.

Nicht, wenn man in der Dimension von Jahren und Jahrzehnten denkt. Wir müssen den Sanierungsstau, den es hier und in anderen Kulturbauten der Stadt und des Freistaats gibt, benennen und darüber nachdenken, wie wir das lösen können. Es gilt ja auch, Katastrophen oder Risiken zu verhindern, denken Sie nur an die Schließung der Neuen Pinakothek im letzten Herbst. Das war unabwendbar. Gegenüber, in der Alten Pinakothek, endet jetzt der erste Bauabschnitt, und man sieht bereits im Rubens- und Rembrandtsaal, dass die maximale Ausnützung des Tageslichts zu wunderbaren Ergebnissen führt.

Die Sanierung der Alten Pinakothek ist ja auch ein Ergebnis des gesetzlich verordneten Sparfuchs-Dogmas.

Ja, dass grundsätzlich mit dem billigsten Anbieter gearbeitet werden muss, ist ein enormes Problem. In der Schweiz zum Beispiel fliegt der Billigste gleich mal raus. Einige Mängel in der Alten Pinakothek sind ja offenkundig: Die Scheiben im Treppenhaus sehen grauenhaft aus, das eingelegte Gel ist außerdem ins Holz und ins Mauerwerk gesuppt. Inzwischen ist aber die eine Seite im Döllgastschen Treppenhaus ausgetauscht, und Ihnen fällt sofort der Unterschied auf: Das Licht ist ein ganz anderes – richtigeres. Aber auch der Wärmeeinfall wird reduziert. Und so geht das jetzt weiter im zweiten und dritten Bauabschnitt bis Ende 2017.

Und dann erst kann die Neue Pinakothek folgen?

Wir müssen vermeiden, dass gleichzeitig an beiden Häusern gebaut wird. Zurzeit können wir die Neue Pinakothek noch verantwortlich betreiben, aber die Vorschriften haben sich verschärft, die Technik ist hoffnungslos veraltet. Bereits aus den Zeiten von Herrn Baumstark wissen wir, dass es technische Probleme gab. Dagegen sind die Ausstellungsräume in einem vergleichsweise guten Zustand, weil sich alle immer bemühen, unseren Besuchern die bestmögliche Präsentation zu bieten. Gleichwohl dringt allein in sechs Ausstellungsräume Wasser ein.

Über das Äußere des Branca-Baus kann man streiten, im Inneren ist er mit sehr viel Bedacht geplant. Wie wollen Sie bei der Sanierung vorgehen?

Wir sind mit den Architekten Hild und K im Gespräch und entwickeln in mehreren Workshops den Entwurf, wie weitreichend und wie behutsam zu sanieren ist. Es geht um eine technische Ertüchtigung, nicht um eine ästhetische Veränderung. Alexander von Brancas Gebäude steht zwar nicht unter Denkmalschutz, aber wir behandeln es umsichtig. Die äußere Gestalt hat in ihrer Zeit eine faszinierende Mischung aus Innovation, Konvention und Postmoderne verkörpert. Im Inneren ist der Rundgang so elegant, so charmant, so selbstverständlich, auch funktional mit den Rampen so umsichtig geplant, dass man daran nichts tun muss. Teuer sind die Berücksichtigung heutiger Brandschutzmaßnahmen, die Ertüchtigung von Licht und Verschattung, die Sicherheitsfragen, die man bei der Planung des Baus vor 40 Jahren noch ganz anders eingeschätzt hat.

Das betrifft auch den Service.

Da gibt es Nachholbedarf, die Erwartungen des Publikums sind heute anders als vor 50 Jahren. Wir müssen auch museumspädagogische Einrichtungen und Räume stärken.

Die Museumpädagogik wurde ja selbst in der Pinakothek der Moderne nicht berücksichtigt.

Das ist hochproblematisch. Dass Klenze das vor 175 Jahren nicht geplant hat, ist klar. Aber diesen Bereich in der Pinakothek der Moderne auf einen zweiten Bauabschnitt zu vertagen, den wir nicht kommen sehen, ist ein Unglück. Deshalb müssen wir das jetzt wenigstens in der Neuen Pinakothek bei der Sanierung verstärken.

Gibt es schon ein Ausweichquartier für die Verwaltung während der Sanierung?

Wir sind über Ausweichquartiere mit potenziellen Anbietern im Gespräch. Das ist ein immenser logistischer Aufwand. Und wenn ich nicht den Auszug der Alten Nationalgalerie und die Logistik der Gemäldegalerie Alter Meister in Dresden schon gemacht hätte, würde ich unruhiger schlafen.

Was geschieht mit der Schausammlung?

Diese Frage ist tatsächlich noch nicht zu beantworten. Erst muss geklärt sein, wo die Menschen, Werkstätten und Labors unterkommen und die Depots mit Tausenden von Werken.

Könnten Sie sich vorstellen, dass ein Teil auf Reisen geht?

Zumindest möchte ich den Münchnern da nur zurufen: Kommen Sie 2016 und 2017, schauen Sie sich ein liebgewonnenes Museum an, denn das wird dann auf Jahre so nicht zu sehen sein.

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