Im Legoland der Erinnerung
Die deutsche Einheit ist quietschbunt – wenn es nach dem Münchner Künstler-Duo M+M geht. Marc Weis und Martin De Mattia belegen gemeinsam mit den Berliner Landschaftsarchitekten Annabau beim Wettbewerb zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal den ersten Platz. Mit einer ziemlich farbenfrohen, sich auf 9000 Quadratmeter ausdehnenden Gestaltung des Wilhelm-Leuschner-Platzes, der sich unweit vom Neuen Rathaus befindet.
Analog zur Zahl der Demonstranten am 9. Oktober 1989 sind unter dem Titel „70000” exakt 70000 Podeste auf ebenso vielen Farbfeldern geplant. Der Clou: Die Mini-Rednertribünen können, ja, sollen von den Bürgern mitgenommen werden. „Dass das Denkmal in die Stadt hineinreicht, nicht abgeschlossen ist, gehört zum Konzept und ist das Spannende”, erklären die beiden Künstler, „es liegt in der Verantwortung des Einzelnen, wie er mit dem Angebot umgeht”. Man muss dann allerdings auch in Kauf nehmen, dass die Podeste womöglich da landen, wo man sie nicht so gerne hat: etwa bei Ebay.
Leipzigs erfrischend unkonventioneller Bürgermeister Burkhard Jung träumt davon, dass eines der portablen Aluminiumexemplare irgendwann in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens landet. Oder im Sudan. Das Denkmal ist sein Riesen-Baby, das nach einem langen Procedere – vom Experten-Workshop bis zur Bürgerumfrage – am 9. Oktober 2014 das Licht der Freiheit erblicken soll.
Aus 325 Bewerbungen, darunter der explizit politische Alfredo Jaar oder Michael Sailstorfer, wurden drei Entwürfe ausgewählt, die seit Mitte Juli im Rathaus ausgestellt sind und für lebhafte Diskussionen sorgen. Platz drei belegt der „Herbstgarten” eines Leipziger Teams, der durchaus wörtlich zu nehmen ist. Der Entwurf des Berliner Büros Realities:united sieht einen bunten Fächer vor, der permanent verändert werden soll. Etwa mit Schriftzügen wie „Freiheit für Ai Weiwei”.
Was das Münchner Konzept betrifft, stören sich besonders ältere Bürger an den Farben – von einer Verniedlichung der Ereignisse und einem Legoland ist die Rede. M+M betonen dagegen, dass die Farben – sieben an der Zahl – einen starken Bezug zu den Montagsdemonstrationen hätten, jede für einen konkreten Buchstaben stehe. In der Anordnung auf dem Platz ergeben sich daraus die Worte „Einheit” und „Freiheit”. Ein Spaßdenkmal sei das 6,5 Millionen-Projekt also auf keinen Fall. „Wir haben vor allem das freudige Ereignis gesehen, das Dynamische, Positive, das um die Welt ging”, sagen M+M. Und dann soll „70000” auch in die Zukunft reichen, daran erinnern, dass die Freiheit immer neu errungen werden muss. Jetzt sollte der Stadtrat mit sich ringen und eine Entscheidung treffen.
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