Haus der Kunst: Die Wirklichkeit im Kunstbunker

Pünktlich zum Regierungswechsel kann auch die Endlage-Frage geklärt werden: Jeder Bürger bekommt eine Atommüll-Urne fürs Wohnzimmer - sicherer geht's nicht. Jedenfalls in der Film-Satire "Taiwaste", die der Absolvent der Münchner Kunstakademie Patrik Thomas in Taiwan gedreht hat, und die in der aktuellen "Debütant*innen"-Ausstellung zu sehen ist.
Da liefern die freundlichen Herren der kommunalen Müllabfuhr dem verdutzten Inhaber eines Gemischtwarenladens eine strahlend rote Box. Die Antwort auf dessen Frage, was passiere, wenn er die Annahme verweigere, lautet: Das gibt nicht nur Abzug von Sozialpunkten.
So bringt Patrik Thomas nicht nur das Endlagerproblem, sondern auch die latente Gefährdung Taiwans durch die Volksrepublik China auf den Punkt.
Absolventinnen zeigen beeindruckende Vielfalt
Studium und Abschluss unter Pandemie-Bedingungen sind in vielerlei Hinsicht erschwert. Umso bemerkenswerter ist, mit wie viel Ernsthaftigkeit und Energie sich die 22 ausgezeichneten Absolventen in die Arbeit für die Schau im Bunker unterm Haus der Kunst gestürzt haben. Weil die letzten drei Präsentationen nicht stattfinden konnten, stellen nun die Jahrgänge 2019, 2020 und 2021 gemeinsam aus.
Der Luftschutzkeller ist kein leichter Ort für Kunst, die Vorbereitungszeit war knapp. Dennoch zeigen die jungen Künstler und Künstlerinnen hier beeindruckende Vielfalt - in Filmen, Bildern, Installationen, Skulpturen und Dokumentationen von Performances.
Was die Größe von Ziegeln mit dem Deutschen Reich und das Format von NS-Bodenplatten mit Schlender- und Stechschritt zu tun hat, kann Dominik Bais erhellend erklären, der sich in "Moving Monuments" der Vergangenheit performativ nähert. Sein Konzept ist ebenso überzeugend wie seine Detailkenntnis fundiert.
Kritisch-wacher Blick auf die Zeitläufte
So wie bei Bais offenbaren viele Beiträge einen kritisch-wachen Blick auf die Zeitläufte, sind mehr oder weniger deutlich politisch. Und zugleich poetisch überhöht wie Laura Lepperts Video "Possession", das den RWE-Braunkohle-Tagebau im "größten Loch Europas" bei Hambach sowie bei Garzweiler monströs sichtbar macht.
Zur Dystopie werden die Versatzstücke der bizarren Wirklichkeit in Sophia Mainkas Video "SHTF", in dem vier Film-Charaktere die fließenden Übergänge zwischen links und rechts und die Untiefen von Esoterikern und Preppern ausloten.
Einige Beiträge sind berührend und sehr persönlich, etwa der Gedächtnis-Raum "Oh my Bernd" von Jaemin Lee, die der Künstler seinem verstorbenen Lebensgefährten gewidmet hat. Ebenso Kadir Fadhels Raum-Installation "Widerspruch": Darin spielt der gebürtige Iraker am Tahrir-Platz in Bagdad, Schauplatz von Demonstrationen mit Toten und Verletzten, eine Totenklage mit der Säge auf der Geige - die auch das Instrument nicht überlebt.
Ob Pandemie oder Klimakrise - es gibt kein Entkommen
An die Nieren geht auch die performative Raum-Inszenierung von Minjae Lee, die den Atem, eigentlich Symbol des Lebens, hier als Hauch des Todes spürbar werden lässt. Nicht nur ein beklemmender Corona-Kommentar, sondern einprägsame Darstellung eines generellen Gemütszustands - der "Angst essen Seele auf" bedeutet.
Fast eine Erholung bietet da Paul Valentins surrealer Film, der ins Naturschutzgebiet "Lotharpfad" im Schwarzwald führt. Seit der gleichnamige Orkan 1999 hier alle Bäume gefällt hat, wird das Areal wie am Lusen im Bayerischen Wald sich selbst überlassen. Doch seltsame Fundstücke, die Valentin eingeschmuggelt hat, machen aus dem Pfad ein Vexierspiel mit Natur und Künstlichkeit.
Bei Junpei Uchida schließlich dient die Kunst als klassisches Vehikel des Eskapismus. Mit der "Landschafts-Lieferbox" bietet er eine kleine Flucht aus der Seuchen-Wirklichkeit an: Landschaften im Pizzakarton-tauglichen Kleinformat. Doch beim zweiten Hinsehen erkennt man, dass aus den Idyllen alles Leben ausradiert wurde. Die Debütant*innen sind heuer gnadenlos real: Ob Pandemie oder Klimakrise - es gibt kein Entkommen.
Bis 19. Dezember, Haus der Kunst - Luftschutzkeller (Eingang Parkplatz Ost), Mi - Mo 11 bis 19, Do bis 21 Uhr, Eintritt frei