Haus der Architektur: Zimmer mit Seeblick

Das Haus der Architektur widmet sich in einer Ausstellung bemerkenswerten Bauten in Feldafing.
von  Joachim Goetz
Der 1865 errichtete Bahnhof nach der Umgestaltung.
Der 1865 errichtete Bahnhof nach der Umgestaltung. © Heinrich

Kann vorbildliche Architektur älter als 100 Jahre sein? Der Wessobrunner Kreis, der momentan die Ausstellung "Alte und neue Architektur am Starnberger See in Feldafing" im Haus der Architektur an der Waisenhausstraße in München zeigt, sagt: Ja!

So ist etwa eines der ansprechendsten vorgestellten Bauwerke die 1910 von Richard Riemerschmid gebaute Villa Carl. Der Münchner Architekt, Maler, Kunsthandwerker, der von den Idealen der Lebensreformbewegung durchdrungen war, schuf auf einem 20.000 Quadratmeter großen Areal ein zugegeben geräumig-großes - aber ziemlich einfach wirkendes Haus samt Inneneinrichtung und Parkgestaltung. Eine künstlerische seit 1976 denkmalgeschützte Einheit. Solche Bauten waren zu dieser Zeit - besonders im Umland von Großstädten - die absoluten Ausnahmen. Da war doch eher eine Art historistischer Zuckerbäckerstil verbreitet.

Das Objekt wurde der Kategorie "Renovierung/Erhalt" zugeordnet. Worunter auch die bekannte, 2004 - 06 renovierte Villa Waldberta fällt, die sich der Bankier Schuler im Stile eines "Schweizer Hauses" 1901 erbauen ließ. Heute dient die verspielte Bauskulptur, die einem phantastischen Stilmix aus trutzig-steinernem Burgfried und hölzern-geschnitzter Kuckucksuhr zur baulichen Harmonie verhilft, der Stadt München als internationales Künstlerhaus.

Weitere Kapitel der Schau sind "Neubauten ab 2000", "Neubauten bis 2000", "An- und Umbauten" oder "Öffentliche Nutzung". Auffällig: viele der Neubauten in der Auswahl von gut 20 Projekten sind aus Holz. Mal gediegen und zurückhaltend, mal stark an Traditionen angelehnt - mal freche avantgardistische Volumina. Das "Schwarze Haus am Moor", ein dunkler, mit Holz verschalter Solitär, wirkt wie eine gebaute, bewohnbare Skulptur.

Interessant auch der Umbau des historischen "königlichen" Bahnhofs von 1865, in dem nun Büroräume der Gemeinde, multifunktional nutzbarer Bürgersaal und ein Café untergebracht sind. Hier hat man mit viel Glas im Inneren und Außen sozusagen Licht ins dunkle 19. Jahrhundert gebracht - und so die Voraussetzungen für die modernen Nutzungen geschaffen. Das ganze in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz.

Sonderthemen der Schau widmen sich der Geschichte der Feldafinger Villenkolonie am Höhenberg und den dort entstandenen faszinierenden Gärten. Vom geplanten und wieder verworfenen königlichen Sommerschloss über die verkauften Parzellen – 4.000 bis 70.000 Quadratmeter – bis hin zur Vernichtung des ursprünglichen Bildes durch die ungebremste Verdichtung, die natürlich auch vor Feldafing nicht Halt macht.

Womit man auch beim Anspruch des Wessobrunner Kreises wäre. Der will nämlich mit seinen Veranstaltungen Architektur bewusst und erlebbar machen - und zwar für den ganz normalen Bürger.

Qualitätvolle Architektur, vor allem in der Region, will man fördern -nicht das Schürfen von "Betongold".

So hat man inzwischen - den Verein gibt es seit 1998 - in drei großen Ausstellungen drei Gebiete Oberbayerns architektonisch akribisch unter die Lupe genommen: Die erste Schau widmete sich dem Blauen Land, die zweite dem Ostufer des Starnberger Sees, die letzte Feldafing auf dem Westufer. Und das ist nicht das Ende. Da kommt noch was.


Haus der Architektur, Waisenhausstraße 4, bis 2. 3. 2018. Öffnungszeiten Mo-Do 9 - 17 Uhr, Fr 9-15 Uhr. Eintritt frei, Katalog 10 Euro

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