Gemeinsam plant sich's besser
Ein bisschen kommt man sich vor wie beim Besuch einer Moschee: vor dem Eintritt müssen die Schuhe runter. Doch gerade im Museum ergibt das ein vielsagendes Bild. Zumal manchem die Kunstversenkung längst den Kirchgang ersetzt, und Exponate oft genug wie Kultgegenstände auf ehrfurchtgebietenden Sockeln thronen. Was sich in den Räumen des Architekturmuseums auftut, konterkariert allerdings das übliche Ausstellungsprozedere. Gleich mit seiner ersten Schau „Afritecture – Bauen mit der Gemeinschaft” versucht Andres Lepik, der neue Direktor, auch neue Wege einzuschlagen.
Und dazu gehört es, sich strumpfsockig dem Schwarzen Kontinent zu nähern. Was weniger psychologisch motiviert sein dürfte – auch wenn das manchen vom hohen westlichen Ross holen kann –, als mit der Ausstellungsarchitektur zu tun hat. Die ist nämlich aus Karton. Von der Stellwand über den ockerfarbenen Boden bis zum Hocker. 28 Projekte aus zehn Ländern werden gezeigt. Keine stylische Investorenarchitektur, sondern durchweg aus sozialem Engagement heraus entstandene Bauten wie Schulen, Krankenhäuser, Sportanlagen oder Kulturzentren in Kenia, Nigeria, Burkina Faso oder Südafrika.
Architektur für die Menschen und ihre Bedürfnisse
Dabei geht es weder um eine Leistungsschau mit spektakulären Entwürfen, noch um „spezifisch Afrikanisches” in punkto Stil (wie man es chic und hip auf der Plattform www.afritecture.com findet, die mit der Ausstellung rein gar nichts zu tun hat). Entscheidend für die Auswahl war vielmehr der zukunftsweisende Ansatz. Und damit auch eine Reihe von Architekten, die selbständig Projekte in Angriff nimmt, wie Lepik sagt, und nicht auf fein abgezirkelte Aufträge wartet. Das setzt genauso voraus, dass sich die Architektur vollständig an den Bedürfnissen derer orientiert, für die sie bestimmt ist. Deshalb sind bei den vorgestellten Gebäuden die späteren Nutzer direkt an Planung und Umsetzung beteiligt.
Da gibt es etwa im nigerianischen Makoko eine schwimmende Schule, die sich dem Wasserstand anpasst und von den Schülern mit Booten angesteuert werden kann. In Kooperation mit der TU München wurde in Malaa bei Nairobi eine Handwerkerschule aus Holz errichtet – von einem Team aus Studenten und kenianischen Auszubildenden. Besonders anschaulich wird der Bau von „Sandbag Houses” – Sandsack-Häusern – in der Nähe von Kapstadt geschildert, für die in Gemeinschaftsarbeit Säcke mit Erde gefüllt zu Mauern aufgeschichtet und mit Lehm verputzt wurden. Das Verfahren kann man am Boden auf comicartigen Illustrationen verfolgen.
Kéré baut einfach mit dem, was da ist: Lehm
Und natürlich ist auch Diébédo Francis Kéré von der Partie, der nicht zuletzt durch die Umsetzung von Christoph Schlingensiefs Operndorf in Burkina Faso bekannt wurde. Quasi aus dem Nichts realisierte er eine Grundschule in seiner Heimat – gemeinsam mit den Bewohnern und dem, was unbegrenzt vor Ort ist: Lehm. Die Schule kommt so gut an, dass nun ein Gymnasium gefragt ist.
„Afritecture” kann natürlich keinen Überblick über die aktuelle Architektur Afrikas liefern, stattdessen soll sich der Blick öffnen. Nicht nur für fremde Baukulturen, sondern vor allem für zukunftstaugliche Modelle, die künftige Bewohner wenigstens in Planungsprozesse einbeziehen. Was genauso für den reichen Westen gilt. Dass bürgerfern konzipierte Großprojekte kaum noch funktionieren, zeigt ja nicht nur Stuttgart 21. Und auch Lepik setzt in seiner Ausstellung auf Auseinandersetzung, Diskussion. Etwas weniger Museumspädagogik für Erwachsene wäre allerdings mehr gewesen.
„Afritecture” – bis 12. Januar 2014, Katalog (Hatje Cantz) 38 Euro