Gekippte Stimmung

Der thailändische Protest gegen den Buddha auf dem Viktualienmarkt stößt eine Debatte über die Kunst im öffentlichen Raum an – auch das Kulturreferat will darüber diskutieren
Volker Isfort |
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„A Space Called Public” – Das vom Duo Elmgreen & Dragset kuratierte Kunstprojekt bespielt die ganze Münchner Innenstadt: Den Münchner Viktualienmarkt ziert seit dem 8. Mai ein schräger Buddha-Skulptur "Made in Dresden", das Projekt des Malaysischen Künstlers Han Chong. Der unecht anmutende goldene Farbton der Skulptur und ihr einfaches Design erinnern an typische Souvenirartikel – ein kritischer Verweis auf die industrielle Massenproduktion als Phänomen unserer Zeit sowie auf die weitgehend unbekannte Tatsache, dass Billigartikel für den asiatischen Raum in Europa hergestellt werden.
Leonie Felle 12 „A Space Called Public” – Das vom Duo Elmgreen & Dragset kuratierte Kunstprojekt bespielt die ganze Münchner Innenstadt: Den Münchner Viktualienmarkt ziert seit dem 8. Mai ein schräger Buddha-Skulptur "Made in Dresden", das Projekt des Malaysischen Künstlers Han Chong. Der unecht anmutende goldene Farbton der Skulptur und ihr einfaches Design erinnern an typische Souvenirartikel – ein kritischer Verweis auf die industrielle Massenproduktion als Phänomen unserer Zeit sowie auf die weitgehend unbekannte Tatsache, dass Billigartikel für den asiatischen Raum in Europa hergestellt werden.
Tatiana Trouvé greift das im Stadtraum klassische Motiv des Brunnens auf. Ihre Skulptur kombiniert den Alltagsgegenstand einer Matratze aus hochwertigem Bronzeguss mit dem einfachen Baumaterial Beton.
Leonie Felle 12 Tatiana Trouvé greift das im Stadtraum klassische Motiv des Brunnens auf. Ihre Skulptur kombiniert den Alltagsgegenstand einer Matratze aus hochwertigem Bronzeguss mit dem einfachen Baumaterial Beton.
Die weiße Marmorskulptur des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson erinnert an einen repräsentativen, neoklassizistischen Sockel und scheint damit auf den ersten Blick einem klassischen Denkmal zu gleichen. Die vertraute Erscheinung wird bei genauem Hinsehen jedoch von der Inschrift, die auf dem Sockel zu lesen ist, gebrochen: "Alles was er machen wollte, war zu onanieren und Pralinen zu essen" steht dort in Stein gemeißelt und zitiert den Inhalt eines Traums des Künstlers.
Leonie Felle 12 Die weiße Marmorskulptur des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson erinnert an einen repräsentativen, neoklassizistischen Sockel und scheint damit auf den ersten Blick einem klassischen Denkmal zu gleichen. Die vertraute Erscheinung wird bei genauem Hinsehen jedoch von der Inschrift, die auf dem Sockel zu lesen ist, gebrochen: "Alles was er machen wollte, war zu onanieren und Pralinen zu essen" steht dort in Stein gemeißelt und zitiert den Inhalt eines Traums des Künstlers.
Besucher der Rathausgalerie finden einen Ort vor, der im Umbau zu sein scheint: Durch die vollständige Auskleidung des Raums mit rohen Holzwänden, auf denen vier große Bauschilder angebracht sind, wird eine Baustelle simuliert. Die Schilder zeigen die Pläne eines neuen Raums für zeitgenössische Kunst, der mit der Rathausgalerie durch einen für die Öffentlichkeit unzugänglichen Tunnel im Untergrund verbunden ist.
Leonie Felle 12 Besucher der Rathausgalerie finden einen Ort vor, der im Umbau zu sein scheint: Durch die vollständige Auskleidung des Raums mit rohen Holzwänden, auf denen vier große Bauschilder angebracht sind, wird eine Baustelle simuliert. Die Schilder zeigen die Pläne eines neuen Raums für zeitgenössische Kunst, der mit der Rathausgalerie durch einen für die Öffentlichkeit unzugänglichen Tunnel im Untergrund verbunden ist.
Nur scheinbar ein ganz natürliches Zusammenspiel von lokalem Regenwasser und Beton ist die Arbeit "Berliner Pfütze" von Kirsten Pieroth. Die Skulptur besteht aus einer in Berlin aufgesaugten Pfütze, die in München installiert wird.
Leonie Felle 12 Nur scheinbar ein ganz natürliches Zusammenspiel von lokalem Regenwasser und Beton ist die Arbeit "Berliner Pfütze" von Kirsten Pieroth. Die Skulptur besteht aus einer in Berlin aufgesaugten Pfütze, die in München installiert wird.
METRO-Net zählt zu dem Werkkomplex der "unsinnigen Bauvorhaben", die Martin Kippenberger in den letzten vier Lebensjahren bis zu seinem Tod 1997 beschäftigten. In München ist die legendäre Installation auf dem Marienhof zu finden: Hier spielt sie auch die lokalen Diskussionen um die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München an.
Leonie Felle 12 METRO-Net zählt zu dem Werkkomplex der "unsinnigen Bauvorhaben", die Martin Kippenberger in den letzten vier Lebensjahren bis zu seinem Tod 1997 beschäftigten. In München ist die legendäre Installation auf dem Marienhof zu finden: Hier spielt sie auch die lokalen Diskussionen um die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München an.
Zeugnisse aus dem Hier und Jetzt, Notizen zum persönlichen Stadt(er)leben, Dokumente oder Wünsche für München in 100 Jahren sollen die "Münchner Zeitkapsel 2013-2113" füllen. Als mobile Sammelstelle dient ein ausgehöhlter Stein. Das Projekt von Iván Argote und Pauline Bastard beginnt am Marienhof und wechselt anschließend den Standort.
Leonie Felle 12 Zeugnisse aus dem Hier und Jetzt, Notizen zum persönlichen Stadt(er)leben, Dokumente oder Wünsche für München in 100 Jahren sollen die "Münchner Zeitkapsel 2013-2113" füllen. Als mobile Sammelstelle dient ein ausgehöhlter Stein. Das Projekt von Iván Argote und Pauline Bastard beginnt am Marienhof und wechselt anschließend den Standort.
Die für ihre provokanten Videoinstallationen und Live-Performances bekannte Münchner Künstlerin Funda bespielt einen dezentralen Ort der Stadt: den Bereich zwischen Jutier- und Tonnenhalle in der Dachauer Straße 110. Ihr Projekt hematisiert das Verweilen an einem unscheinbaren Ort, einem "Nicht-Ort" in Zeiten". Das Foto zeigt den Aufbau.
Leonie Felle 12 Die für ihre provokanten Videoinstallationen und Live-Performances bekannte Münchner Künstlerin Funda bespielt einen dezentralen Ort der Stadt: den Bereich zwischen Jutier- und Tonnenhalle in der Dachauer Straße 110. Ihr Projekt hematisiert das Verweilen an einem unscheinbaren Ort, einem "Nicht-Ort" in Zeiten". Das Foto zeigt den Aufbau.
Nach Stationen in Rotterdam und New York präsentieren Elmgreen & Dragset ihre Performance "It's Never Too Late To Say Sorry" auf dem Münchner Odeonsplatz: Täglich um 12 Uhr mittags nimmt ein Mann ein Megaphon aus einem fest installierten Glaskasten und ruft den Satz "Es ist niemals zu spät, sich zu entschuldigen".
Leonie Felle 12 Nach Stationen in Rotterdam und New York präsentieren Elmgreen & Dragset ihre Performance "It's Never Too Late To Say Sorry" auf dem Münchner Odeonsplatz: Täglich um 12 Uhr mittags nimmt ein Mann ein Megaphon aus einem fest installierten Glaskasten und ruft den Satz "Es ist niemals zu spät, sich zu entschuldigen".
Das Projekt "Schöner Wohnen" des Münchner Künstlers Alexander Laner nutzt den "4th Plinth Munich" von Stephen Hall und Li Li Ren am Wittelsbacherplatz nicht in seiner Funktion als monumentalen Sockel, sondern eignet sich den gemauerten Hohlkörper als exklusive Immobilie an – ähnlich wie architektonische Umnutzungen bestehender Bauten zu Luxus-Immobilien.
Leonie Felle 12 Das Projekt "Schöner Wohnen" des Münchner Künstlers Alexander Laner nutzt den "4th Plinth Munich" von Stephen Hall und Li Li Ren am Wittelsbacherplatz nicht in seiner Funktion als monumentalen Sockel, sondern eignet sich den gemauerten Hohlkörper als exklusive Immobilie an – ähnlich wie architektonische Umnutzungen bestehender Bauten zu Luxus-Immobilien.
Der britische Künstler David Shrigley hat ein Denkmal für Bubbles, den Lieblingsaffen Michael Jacksons entworfen. "Bubblesplatz" befindet sich direkt neben dem Monument für Orlando di Lasso auf dem Promenadeplatz, das die Fans von Michael Jackson zu einem Erinnerungsort für den Popstar umgewidmet haben.
Leonie Felle 12 Der britische Künstler David Shrigley hat ein Denkmal für Bubbles, den Lieblingsaffen Michael Jacksons entworfen. "Bubblesplatz" befindet sich direkt neben dem Monument für Orlando di Lasso auf dem Promenadeplatz, das die Fans von Michael Jackson zu einem Erinnerungsort für den Popstar umgewidmet haben.
Das großformatige Billboard auf einer Verkehrsinsel am Lenbachplatz zeigt eine eindrucksvolle Berg-Collage Ed Ruschas: Auf dem Panorama einer verschneiten Bergkette erscheint die Aufschrift: "Pay Nothing until April" (dt. „Nichts zahlen bis April“).
Leonie Felle 12 Das großformatige Billboard auf einer Verkehrsinsel am Lenbachplatz zeigt eine eindrucksvolle Berg-Collage Ed Ruschas: Auf dem Panorama einer verschneiten Bergkette erscheint die Aufschrift: "Pay Nothing until April" (dt. „Nichts zahlen bis April“).

Aufgabe erfüllt, könnte man aus Sicht des Kulturreferenten sagen. Denn was gibt es Schöneres, als wenn das immerhin 1,2 Millionen Euro teure Projekt im öffentlichen Raum, „A Space Called Public“, eben genau dort Debatten anstößt. Auch wenn es nicht immer die Debatten sind, die man vielleicht anstoßen wollte.

Außenwirkung bis nach Bangkok erzielt sonst allenfalls das Oktoberfest, nun hat es auch eine von den 17 Installationen des temporären Kunstprojekts in die thailändischen Medien geschafft. Seit dem 8. Mai liegt der gekippte Buddha des malayischen Künstlers Han Chong auf dem Viktualienmarkt. Die Aufschrift „Made in Dresden“ soll auf die die industrielle Massenproduktion als Phänomen unserer Zeit verweisen.

Die thailändische Botschaft in Berlin sah das ein wenig anders und beschwerte sich bei den Münchnern. Auch ein Dutzend Thailänder demonstrierte in Bangkok vor der deutschen Botschaft, Hauptvorwurf mangelnder Respekt. „Wir werden den Konflikt lösen durch Dialog und Vermittlung“, sagt Marc Gegenfurtner vom Kulturreferat, der zu diesem Thema eine öffentliche Diskussion vorbereitet. Prinzipiell aber sei das Kulturreferat für das „Aufstellen, nicht für das Abräumen“ von Kunst zuständig.

Dass nun der Buddha zum „Star“ unter den 17 Skulpturen avanciert, liegt an der – leicht vorhersehbaren – Provokation. Andere Kunstinstallationen haben es da schwerer. Alexander Laners „Schöner Wohnen”, der umgebaute Denkmalsockel am Wittelsbacherplatz, führte beispielsweise zehn Tage lang einen aussichtslosen Kampf gegen den drumherum tobenden Hamburger Fischmarkt.

Auch im Zentrum des Geschehens, im Gärtnerplatz-Rondell, errichtet Ragnar Kjartansson das Marmormonument „Träumerei“ mit der wenig poetischen Inschrift „Alles was er machen wollte, war zu onanieren und Pralinen zu essen“. Auf der Zornesskala der AZ-Leser rangiert er damit knapp hinter der Buddha-Figur von Han Chong. Vielleicht sehe diese Wertung ein wenig anders aus, wenn sich noch mehr Bürger auf die Suche nach der Kunst machten und am Isartorplatz Kirsten Pieroths „Berliner Pfütze“ – mit Hauptstadtregenwasser (und der bayerischen Zugabe des „Sommers“) entdeckten.
Spätestens zum Oktoberfest aber ist der Kunstspuk wieder entfernt. Und wenn dann der öffentliche Raum durch gekippte Figuren oder Pfützen bereichert wird, handelt es sich ganz sicher nicht um Kunst.

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