Fridas wundersame Welt

München - Am Anfang war das Flirren des Goldstaubs. Der fliegt durch einen klapprigen Bus, als der von einer Straßenbahn gerammt wird und sich in der Folge eine Eisenstange durch das Becken der 18-jährige Frida Kahlo bohrt. Blutüberströmt liegt sie am Boden, während die glitzernden Metallpartikel, die ein Vergolder bei sich trug, wie Schneeflocken auf den schwer verletzten Körper sinken.
Symbol und Bewegung
Mehr Symbolik geht nicht. Vom mystischen Goldgrund heiliger Szenen bis zu den vergoldeten Särgen der Pharaonen. Deshalb kommt der Goldstaub nicht nur in Julie Taymors oscarprämierter Filmbiografie "Frida" mit der umwerfenden Salma Hayek zum Einsatz, sondern auch in einer immersiven "Viva Frida Kahlo"-Show im Utopia. Allerdings wirbelt er lediglich durch die Videoprojektionen. So, wie alles hier in ständiger Bewegung ist - und eben flirrt.

Das hat den Vorteil, dass man bequem im Sitzsack lungern kann, während 45 Minuten lang Fridas wundersame Welt vorbeizieht. Wobei das untertrieben ist, man wird von diesem Kosmos umflutet und bald geschluckt. Sofern das ordnende Gehirn aufgibt und sich einfach treiben lässt.
Papageien flattern, Melonenstücke kreiseln, Fridas ikonisches Konterfei ist omnipräsent. Genauso Diego, ihr zweiter Lebensunfall. Kein schöner, aber ein gewaltiger, das machen die übergroßen Fotografien ein für alle Mal klar. Man leidet mit den Eltern, die ihrer "Taube" den "Elefanten" gerne erspart hätten und sich bestimmt nicht nur am kommunistischen Parteibuch störten. Doch Frida findet Gefallen an Riveras enormem Kugelbauch und den stabilen Beinen.
Stimme aus dem Tagebuch
Das sagt ihre Tagebuch- und Briefstimme mit so heftigem Hispano-Akzent, dass die Karikatur manchmal nicht weit ist. Diese Frida redet ohne Punkt und Komma: über den Schmerz und ihren Eigensinn, über die Malerei und den Mann, der sie in einer Tour betrügt. Auch mit ihrer eigenen Schwester, das ist vielleicht die größte Enttäuschung, die sie im Alkohol zu versenken versucht. Dass sie es ihrem Koloss mit Männern wie Frauen ordentlich heimzahlt, rutscht eher in den Hintergrund.
Sie kommen ja auch nicht so recht vor in einer Kunst, die den siechen Körper zelebriert, um damit gegen just dieses Leiden anzumalen. Mit blutenden Herzen und geflickten Leibern, spitzen Pfeilen und Skeletten. Und genauso mit einem Paradies, das kein Urwald prächtiger hervorbringen könnte. Alles umkreist diese stolze Frau, die sich wie eine Tijuana unter sagenhaft aufgebrezelten Haartürmen präsentiert.
Ideal für den optischen Rausch: Frida Kahlos Kunst
Kahlos Kunst ist ideal für den optischen Rausch. Fast alle ihrer gut 140 Gemälde sowie historische Fotos ziehen zumindest kurz vorüber. Wer sich mit einzelnen Werken beschäftigen will, wird seine liebe Not haben. Die Fantasie bleibt eh auf der Strecke, zu sehr sind die Sinne mit der Flut der Eindrücke beschäftigt. Den Rest besorgt der Latino-Soundtrack, in dem auch Piazzolla und Jazziges verbraten ist.
Freilich gibt es in München keine originalen Kahlos, für die einschlägigen Museen muss man schon in den Flieger steigen. Das ist wenig klimafreundlich und noch teurer als die Tickets ab 22 Euro. Und die alte Reithalle ist gut gefüllt, das "Arttainment" scheint anzukommen. Zumal zeitgleich vom selben Veranstalter - die Alegria Konzert GmbH wird wie MünchenMusik von Andreas Schessl geführt - "Monets Garten" in Wien, Stuttgart und Hamburg läuft. Und im Shop gibt es immerhin Bildbände, die still halten.
Bis 10. Februar täglich von 10 bis 21 Uhr im Utopia, Heßstraße 132, www.vivafridakahlo.de