Interview

Florian Freistetter über das Hubble-Teleskop

Heute vor 30 Jahren flog das Weltraumteleskop Hubble ins All – und veränderte unser Bild vom Universum. Der Astronom Florian Freistetter über eine wissenschaftliche Revolution
von  Philipp Seidel
Das Hubble-Teleskop.
Das Hubble-Teleskop. © dpa

Es gab eine Zeit vor Hubble, und es gibt die Zeit danach: Seit 30 Jahren schickt das Weltraum-Teleskop Hubble der Nasa und der Europäischen Weltraumorganisation Esa sensationelle Bilder aus den Weiten des Universums. Geplant waren eigentlich nur 15 Jahre. Spätestens 2024 wird das Hubble abstürzen, weil es keine Wartungsflüge mehr mit dem Space Shuttle gibt und der Kurs nicht mehr korrigiert werden kann.

AZ: Herr Freistetter, die Fotos, die Hubble im Weltall gemacht hat, haben Pop-Qualitäten. Welches ist Ihr Lieblingsbild?
Florian Freistetter: Am schönsten ist wohl das Bild mit den „Säulen der Schöpfung“: diese ikonische Aufnahme der Gassäulen, den Stern-Entstehungsregionen. Das schaut einfach wahnsinnig beeindruckend aus.

Und was sagt der Wissenschaftler?
Als Wissenschaftler würde ich das „Hubble Deep Field“ nennen. Man hat damals gesagt: Wir suchen uns einen Fleck im Universum, wo – nach allem, was wir wissen – absolut nichts ist. Dann schauen wir mit dem Weltraumteleskop stundenlang, tagelang hin. Und: An diesem Punkt am Himmel, wo eigentlich nichts war, hat Hubble unzählige Galaxien gesehen. Das Bild ist auch berühmt: ein Himmel, auf dem jeder Lichtpunkt eine eigene Galaxie ist, also ein Objekt, das aus hunderten Milliarden von Sternen besteht. Hubble hat gezeigt: egal, wo wir hinschauen, egal, wie lange wir schauen – auch da ist was. Allein das „Hubble Deep Field“ ist eine wissenschaftliche Schatzkiste.

Für den Laien erklärt: Warum brauchen wir überhaupt ein Weltraumteleskop?
Aus zwei Gründen: Einmal, weil die Atmosphäre im Weg steht. Prinzipiell ist es okay, dass wir eine Atmosphäre auf der Erde haben, sonst wären wir alle tot ohne diese Lufthülle. Auch ich als Astronom nehme ihre Existenz wohlwollend zur Kenntnis. Aber aus wissenschaftlicher Sicht ist die Atmosphäre störend, weil ihre Luftschichten sich bewegen, turbulent sind, und das verzerrt unseren Blick ins Weltall. Das ist auch der Grund, warum die Sterne flackern.

Und der andere Grund?
Zweitens brauchen wir Weltraumteleskope immer noch extrem dringend, wenn wir etwas in all den Bereichen des Lichts beobachten wollen, die unser Auge nicht sehen kann: Mikrowellenlicht, Ultraviolettlicht, Infrarotlicht, Radiolicht, Röntgenlicht und so weiter. Die Himmelskörper leuchten in all diesen Arten, ihr Licht enthält also Informationen. Die Erdatmosphäre lässt nur das sichtbare Licht und ein bisschen Radiostrahlung durch.

Die Hubble-Mission begann 1990 mit einer gigantischen Panne. Was war da los?
Jedes Teleskop braucht einen Spiegel, und der muss extrem exakt geschliffen sein. Da geht es um Bruchteile von Millimetern, die man nur mit speziellen Messinstrumenten messen kann. Das Problem war: Das Messinstrument, das prüfen sollte, ob der Spiegel bei Hubble so war, wie er sein soll, war defekt. Und niemand hat es gemerkt! Als das Teleskop die ersten Bilder geschickt hat, waren sie nicht so scharf, wie sie hätten sein sollen. Die waren grauenhaft. Das hat man aber erst gemerkt, als Hubble im All war. Das ist einer der Nachteile: Wenn etwas erst einmal im Weltall ist, kann man an der Hardware kaum noch etwas machen. Aber Hubble war darauf ausgelegt, regelmäßig mit dem Space Shuttle gewartet zu werden. Man ist ein paar Jahre später hingeflogen und hat dem Hubble quasi eine Brille aufgesetzt, also eine optische Korrektur eingebaut.

Was hat denn Hubble alles an Bord?
Vereinfacht gesagt: Hubble hat Kameras, die Bilder bei verschiedenen Wellenlängen und verschiedenen Bildgrößen machen können, und Spektrometer, die das Licht analysieren können, so dass man all die Informationen aus dem Licht der Sterne herausholen kann.

In Ihrem Buch „Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen“ widmen Sie auch Hubble ein Kapitel. Da schreiben Sie, Hubble habe unsere Vorstellung vom Universum revolutioniert. Inwiefern?
In jeder Hinsicht – weil Hubble so ein Universalinstrument ist. Hubble hat alles beobachtet. Man kann es vielleicht mit Galileo Galilei vergleichen: Der hat vor etwas mehr als 400 Jahren als erster Mensch ein Teleskop zum Himmel gerichtet und durchgeschaut. Bis dahin hat man nur mit den eigenen Augen gesehen. Galileo Galilei hat quasi ein künstliches, besseres Auge in den Himmel gerichtet und überall, wo er hingeschaut hat, neue Dinge gesehen: Krater auf dem Mond, Flecken auf der Sonne. Er hat gesehen, dass der Nebel der Milchstraße aus unzähligen Sternen besteht, er hat Sterne gesehen, die mit freiem Auge nicht sichtbar waren, er hat die Monde des Jupiters entdeckt und damit den Wechsel zum heliozentrischen Weltbild angestoßen. Also: Alles, was Galilei gesehen hat, hat vorher noch niemand gesehen. Und das hat alles zu einem neuen Blick aufs Universum geführt. Und Hubble war quasi 400 Jahre später das neue, noch bessere Auge, das sich die gesamte Menschheit gebaut hat.

Und was hat die Menschheit durch dieses Auge gesehen?
Wir haben Planeten anderer Sterne angeguckt, wir haben die Entstehung und den Tod von Sternen beobachtet, wir haben die Dunkle Materie und die Dunkle Energie erforscht, den Urknall untersucht. Alles, was man sehen kann, haben wir mit Hubble angeschaut, und überall haben wir mehr gesehen als vorher, und je mehr wir gesehen haben, desto dramatischer hat sich unser Blick geändert. Nach diesem neuen Blick war das Universum nicht mehr so wie zuvor.

Vor einem Monat wären Sie eigentlich mit Ihrer Wissenschaftskabarett-Gruppe Science Busters im Lustspielhaus gewesen – dann kam Corona. Gibt es schon Pläne für eine neue Veranstaltung?
Es hat schon seinen Sinn, dass gerade nichts stattfindet, denn dieses Virus ist hinterhältig und muss weg. Wir haben unser neues Programm „Global Warming Party“ zum Klimawandel gemacht. Wir haben gerade ein großes anderes Problem, aber der Klimawandel verschwindet deswegen nicht. Wir wollten jetzt so richtig mit der Tour starten. Unser Management probiert, mit den vagen Informationen, die von der Politik gerade zu bekommen sind, etwas Neues zu planen. In Österreich wissen wir, dass bis August überhaupt nichts passiert, danach wird man schauen. In Deutschland hängt es noch vom Bundesland ab, wer was beschließt. Aber wir haben nicht vor, uns wegen des Virus aufzulösen. Unser Programm steht und es ist immer noch hervorragend. Momentan stehen wir mit dem 5. und 6. September als Ersatztermin im Lustspielhaus.

Florian Freistetter: „Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen“ (Hanser, 304 Seiten, 22 Euro)

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