Energetische Wirkung

Leuchtendes Pink und strahlendes Gelb übertönen das Grau; Rundes trifft auf Eckiges, glänzende Ölfarbe auf die raue, nicht grundierte Leinwand. Rupprecht Geigers (1908 - 2009) abstrakte Kunst entfaltet stets elementar Wirkung. Als er 2003/2004 an der Werkserie "Geist und Materie" arbeitete, war er fast 95 Jahre alt. Jetzt widmet das Archiv Geiger, das die Enkelin des Malers Julia Geiger als private Institution führt, eine gleichnamige Präsentation, in der die späte Schaffenszeit im Fokus steht.
Sein großes "Gerundetes Blau" ist im November vom Gasteig ans HP8 umgesiedelt worden. Der Weg ins Archiv Geiger in der Sollner Muttenthaler Straße ist noch ein bisschen weiter, aber er lohnt sich. Hier am äußersten südlichen Rand Münchens, zwischen kleinen Häuschen, Pferdekoppeln und Acker lebte Geiger mit Ehefrau Monika und der Familie seit den 1950er Jahren. Das einstige Wohnhaus nebenan ist vermietet, doch der lichtdurchflutete Atelier-Bungalow, der 1976 fertiggestellt wurde, steht als Archiv Geiger seit 2010 fürs Publikum offen.
Helles Orange und schwermütiges Rot
"Momentan beschäftigt mich besonders der Farbausdruck des Amorphen im toten Material der Natur. Seine Zurückgezogenheit von der farbigen Erscheinung ist für mich ein interessanter Gegenpol zur Lebendigkeit der Farbe, zur leuchtenden Farbe, insbesondere meiner Leuchtfarben. Materie gegen Geist.", fasste der Maler, der eigentlich ausgebildeter Architekt war, seine Arbeit in einem Interview zusammen.

In einer Reihe kleinformatiger Assemblagen erweitern helles Orange und fast schon schwermütig dunkles Rot die Palette. Schon seit einiger Zeit sammelte Geiger alle möglichen Fundstücke: Hölzer, Steine, Schnüre, Stofffetzen, Kunststoffblister, getrocknete Farbe. Ein Tisch voller Objekte gleich im ersten Archivraum zeugt von Geigers Sammelleidenschaft. Das gerundete Tableau mit Farbverlauf zwischen Pink und Violett an der Wand darüber lässt aus dem Nature-morte-Altar eine abstrakte Landschaft werden.
In allen Winkeln Farbe
In Rupprecht Geigers einstigem Atelier reicht die Macht der Farbe in alle Winkel: Nicht nur im Pigmentraum, in dem noch einige Tonnen mit pink strahlendem Pulver stehen, das man für hochgefährlich halten könnte. Der hölzerne Fußboden der Räume wurde über die Jahre von unzähligen Farbspritzern zum ewigen Leuchten erweckt, und selbst die Waschbeckenwand in der Toilette atmet hier Rosa aus.
Man kann sich der Wärme und Energie, die von dieser Farbmaterie schon rein physisch ausgeht, gar nicht entziehen. An einem fahlen Wintertag wirkt der Besuch im Archiv Geiger so vitalisierend wie ein Sauna-Aufguss.
Archiv Geiger (Muttenthalerstraße 26 in Solln), Mo, 10 - 14, Di 17 - 20 Uhr und nach Vereinbarung, Eintritt frei; heute, Di 6.2., 18.30 - 20.30 Uhr Workshop "Assemblage-Werkstatt" (40 Euro)