Empfindsamer Beobachter
Es gibt durchaus Gründe, dem King of Pop Art kritisch gegenüberzustehen. Doch Andy Warhol, dessen knallbunte Siebdruckikonen seit Jahrzehnten die Museen und Postergalerien der Welt überschwemmen, taugt immer noch für Überraschungen. Das zeigen seine „Zeichnungen der 1950er Jahre”, die die Graphische Sammlung ausstellt – das Meiste wurde erst 2011 im Nachlass entdeckt und befindet sich im Besitz des Galeristen Daniel Blau.
Rastlos erschloss sich War- hol, der als junger Kerl aus Pittsburgh ins turbulente New York gekommen war, mit dem Griffel sein neues Terrain. Was ihm vor die Augen kam, landete auf dem Papier. Passanten, Straßenkreuzer, gestikulierende Hände, Vögel, dazwischen Junkies und Pistolen, Akte, Buben beim Karteln, tanzende Mädchen, eine Gesprächsrunde – oft mit Tusche „dupliziert” im Blotted-Line-Verfahren – aber auch ein schlafender Amor nach Guido Reni, Selbstporträts und Gesichter von auffallender Poesie.
Andy wollte Matisse sein“, resümiert Designer-Kollege Charles Lisanby. Man sieht es und möchte mehr noch Cocteau und andere Feinfühlige des Stifts und der Tuschefeder hinzufügen. Der schüchterne Warhol – ein empfindsamer Beobachter am Rande der Gesellschaft. Und er kreist förmlich um seine Ikonen, kopiert, paust, anonymisiert sie. Man hat die Folgen im Kopf. Auch die sieht man.
"Andy Warhol - Zeichnungen der 1950er Jahre", bis 17. November 2013 in der Pinakothek der Moderne, Begleitbuch (Hirmer) 35 Euro im Museum