Eine Schau: Beckmann versus Dix
Endlich treffen die so verschiedenen Schwergewichte der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts aufeinander treffen. Die Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle ziegt, dass es auch interessante Parallelen gibt.
München - Der eine eleganter Schnösel mit Zigarette, der andere ein trotziger Underdog im Arbeitskittel. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hätten sich die beiden nicht verstanden, wäre es je zu einem Treffen gekommen. Dabei gab es genug Schnittstellen im Leben von Max Beckmann (1884 - 1950) und Otto Dix (1891 - 1969). Und man wundert sich tatsächlich, dass die von der Kunsthalle Mannheim übernommene und nun in der Hypo-Kunsthalle leicht erweiterte, übersichtlicher strukturierte Schau die erste ist, die die beiden Großprotagonisten der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts einander gegenüberstellt. Eigentlich liegt eine solche Konfrontation auf der Hand – auch das zeigt die opulente wie erhellende Ausstellung in einer Tour.
Schon die Anfänge offenbaren erstaunliche Parallelen. Beckmann ist zwar beeinflusst von hiesigen Impressionisten wie Lovis Corinth, Dix dagegen von expressionistisch-futuristischen Strömungen, doch beide schwärmen für van Gogh. Um dann bald ihre sehr unterschiedlichen Eigenheiten zu entfalten.
Der Erste Weltkrieg - für beide ein Trauma
Beim immer sozialkritischen, spöttelnden Arbeitersohn Dix ist es die Konzentration auf die Oberfläche, die unerbittliche Schärfe, mit der er sein Gegenüber in einem geradezu altmeisterlich umgesetzten Verismus wiedergibt und dabei in der Technik einer lasierenden Tempera-Ölmalerei Schicht für Schicht seziert. Dass er die gemalte Person gar nicht erst kennen will, wie er sagt, nimmt man ihm nur bedingt ab – zu viel ist da aus dem Innersten nach außen gefieselt. Der selbstgewisse Beckmann, der aus eher betuchten Getreidehändlerskreisen stammt, sieht sich dafür bei aller Modernität von Anfang an in einer klassischen, gerne auch repräsentativen Tradition der Malerei und sucht selbst im Individuellen wie dem Porträt das distanziert Allgemeine, das er zugleich ins düster Mysteriöse taucht.
Doch in der Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse im Ersten und später, nach dem Zweiten Weltkrieg, sind sich die beiden dann wieder frappierend nah. Dix muss vier Jahre lang an der Front ausharren, für den damals schon etablierten Beckmann hat der sieben Jahre Jüngere nur ein herablassendes „Sanitäter“ übrig. In ihren Radier-Zyklen – bei Dix „Der Krieg“ (1924), bei Beckmann „Hölle“ (1919) – wuchert das Grauen zwischen Sturmtruppen und Verwundeten, Nutten und Armseligkeiten. Nicht nur in den Sujets sind sie sich da auffallend nah – sie treffen sich auch sonst immer wieder in den Themen. Beide hatten ein Faible für Gaukler, Jahrmarktsleute, Nachtgestalten. Dix schafft bitter-saftige Bilder von Prostituierten, bei Beckmann sind’s vieldeutige Bordellszenen.
Am Ende steht die Sinnfrage
Und alle zwei ecken bei den Nazis an, verlieren ihre Anstellungen, Dix als Professor an der Dresdner Akademie, Beckmann an der Frankfurter Städelschule. Ihre Werke gelten als „entartet“, ihnen bleibt nichts als die Flucht: Beckmann geht nach Amsterdam, später in die USA, Dix in die innere Emigration an den Bodensee. Er weicht auf Unverfängliches aus, gleichwohl mit Ergebnissen, die heute manchmal unangenehm bis ätzend im Auge liegen.
Am Ende, als der Spuk endlich vorbei ist, kreisen beide um die Sinnfrage, die sie in religiösen, biblischen Themen aufbereiten. Dix’ „Große Kreuzaufrichtung“ mit dem geschundenen Jesus Christus vor Stadt-Publikum steht hier Beckmanns Abstürzendem (Engel) gegenüber. Im Grunde könnte es aber auch umgekehrt sein.
„Mythos Welt“ bis 10. August in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, täglich von 10 bis 20 Uhr, Katalog (Hirmer) 25 Euro