Diözesanmuseum in Freising: Fünf Engel für ein Halleluja

Zu Weihnachten gehört Kunst – etwa im Diözesanmuseum in Freising.
von  Christa Sigg
In Wirklichkeit winzig, hier ganz groß: die Engelsgruppe aus der Anbetungsszene vom ehemaligen Hochaltar der Margarethenkirche in Albeins, entstanden um 1465/70.
In Wirklichkeit winzig, hier ganz groß: die Engelsgruppe aus der Anbetungsszene vom ehemaligen Hochaltar der Margarethenkirche in Albeins, entstanden um 1465/70. © Walter Bayer/Diözesanmuseum

Freising - Eigentlich sind diese fünf Engel winzig. Doch seit mehr 500 Jahren singen sie mit solcher Inbrunst, dass sie endlich einmal im Mittelpunkt stehen, na ja, schweben sollten. Zumal sich der Künstler wirklich nicht mit einer stereotypen Lösung zufriedengegeben hat. Rot, zartrosa (was so verwuschelt ausschaut, sollten zunächst Hände werden), olivgrün, gelb und blau sind ihre Gewänder, und selbst bei den Flügeln hat er zu interessanten Farbkombinationen gefunden.

Kunst aus Südtirol

Wen dieser Engelschor bejubelt, kann man sich leicht ausmalen. Das Strohdach hat Löcher, und damit sind wir auch schon im Stall von Bethlehem bei der Anbetung des Kindes. Die sorgfältig ausgeführte Tafel stammt vom Hochaltar der Margarethenkirche in Albeins, zwischen Brixen und Klausen.

Weihnachtsszenen mit Witz

Heute hängt die Szene im kürzlich wiedereröffneten Diözesanmuseum in Freising und gehört zu den Bildern, vor denen man gerne etwas länger verharrt. Nicht nur wegen der Engel oder weil sich Maria und der kleine Jesus liebevolle Blicke zuwerfen, sondern auch wegen Ochs und Esel. Wie immer gucken sie etwas belämmert in ihren Futtertrog. Dass es sich dort ein neuer Mitbewohner bequem macht, war schließlich nicht zu erwarten. Und als hätte sich der leider unbekannte, doch sehr wahrscheinlich fränkische Maler einen Scherz erlaubt, berühren die Tiere mit ihren Mäulern die Gloriole um den Weltenretter. Die gelbgoldenen Strahlen sind durchaus mit Stroh zu verwechseln.

Neue Dauerausstellung im Diözesanmuseum

Solche herrlichen Details kann man in der neuen Dauerausstellung studieren, wo sich im ersten Raum mit dem Thema der "Menschwerdung" spannende Vergleiche anbieten. Oder in zwei jeweils über 400 Seiten umfassenden Prachtbänden. Unter dem sehr weit gefassten Titel "Gotik" sind sie den mittelalterlichen Werken und damit dem Kernbestand des Hauses gewidmet. In der Fülle des Münchner Kunstangebots übersieht man das allzu leicht: Mit über 40.000 Exponaten zählt das Diözesanmuseum zu den größten und bedeutendsten religionsgeschichtlichen Sammlungen weltweit.

Man kann hier die grundlegenden Fragen des Menschseins stellen – und erzählen, was Christen angeht und umtreibt, was sie geglaubt und worauf sie gehofft haben. Oder was ihnen gegen den Strich ging und womit sie heute (noch) hadern. Das schlägt sich freilich auch in diesem doppelten Bestandskatalog nieder, und wie so oft ist er in weiten Teilen von der Ernst von Siemens Kunststiftung finanziert.

Ausstellung mit Hintergrund

84 Hauptobjekte wurden in interdisziplinärer Forschungsarbeit in mehrerlei Hinsicht durchleuchtet, übersichtlich gegliedert in Technik, spätere Veränderungen und den Erhaltungszustand, in Ikonografie und Deutung, Provenienz natürlich und die stilistische Einordnung.

Das demonstriert nicht nur, wie sehr der süddeutsche und der Alpenraum miteinander verwoben sind und die Verbindungen meistens noch sehr viel weiter reichen. Bei den Pferdehintern einer Brixener Kreuzigung um 1450 muss man unwillkürlich an die Italiener und Mitte des 15. Jahrhunderts vor allem an Paolo Uccello denken. Das zeigt genauso, wie sehr sich Spitzenkunst, herausragende Regionalware und die Volkskunst durchmischen und gegenseitig inspirieren. Und was man verpasst, wenn man ausschließlich auf die großen Namen der Kunstgeschichte fixiert ist.

Klassiker neben kleinen Unbekannten

Sicher, die Tafeln Jan Polacks, Lucas Cranachs ungewöhnliche "Maria mit dem Jesuskind im Erdbeerfeld" oder die Skulpturen Erasmus Grassers vom Chorgestühl der Frauenkirche etwa sind Schwergewichte.

Doch die um 1470 entstandene heilige Martha eines unbekannten Münchner Meisters, die ihren gezähmten Drachen wie einen Hund an der Kette Gassi führt, ist in ihrer grazilen Anmut kaum weniger reizvoll. Und wenn in einem Relief aus dem Hochaltarretabel der Wallfahrtskirche Maria Thalkirchen zwei hinreißende kleine Engel das ratlos blickende Jesuskind aus dem Mantel der Madonna wickeln und präsentieren, betont das ganz unumwunden die schutzlose Nacktheit und beeindruckt nicht zuletzt durch den Feinsinn der Werkstatt des Ulmer Stars Michel Erhart. Gerade die vielen klug gewählten Ausschnitte sind das Plus dieser beiden Bände.


Diözesanmuseum, Christoph Kürzeder, Carmen Roll (Hrsg.): "Gotik" (Sieveking, Bd. I 424, Bd. II 472 Seiten, 128 Euro).

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