Die wichtigste Kunstmesse der Welt

Größer, höher, teurer: Noch bis Sonntag wird auf der Art Basel mit moderner Kunst gehandelt. Von schlechter Stimmung kann bei Galerien und Käufern keine Rede sein
Christa Sigg |
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Eine Skulptur von Stephan Balkenhol
dpa 5 Eine Skulptur von Stephan Balkenhol
Eine Arbeit von Nathalie Djurberg.
dpa 5 Eine Arbeit von Nathalie Djurberg.
Auch Gerhard Richter ist auf der Art Basel vertreten.
dpa 5 Auch Gerhard Richter ist auf der Art Basel vertreten.
Die schwebenden Koffer von Chiharu Shiota.
dpa 5 Die schwebenden Koffer von Chiharu Shiota.
Die schwebenden Koffer von Chiharu Shiota.
dpa 5 Die schwebenden Koffer von Chiharu Shiota.

Was soll man von diesem Kerl mit Schweinskopf halten? Der Eber im Manne? Eine Kollegen-Sau? Das knallhart kalkulierende Business-Schwein? Egal, was sich Stephan Balkenhol bei seiner typischen Holzfigur nun gedacht hat, die Geschäfte laufen – pardon – saumäßig gut auf der Art Basel. Gleich nach dem Aufbau ging Paul McCarthys „Tomato Head“ aus dem Jahre 1994 für 4,75 Millionen Dollar (4,2 Mio. Euro) an einen fixen Käufer aus den USA. Dagegen ist Balkenhols Schweinekopf mit 45 000 Euro am Stand des Münchner Galeristen Rüdiger Schöttle schon fast günstig.

Dessen Mitarbeiterinnen lächeln denn auch zufrieden, und da sind sie nicht allein. Die 286 Galerien aus 88 Ländern werden in diesem Jahr erneut Rekordzahlen verkünden, so viel ist gewiss. Manche machen auf der wichtigsten Kunstmesse der Welt in nur sieben Tagen mehr als die Hälfte ihres jährlichen Umsatzes.

Überhaupt ist erstaunlich, was noch an Klassikern aus dem Hut gezaubert wird. Das mag nicht in jedem Fall Museumsqualität haben, aber zunächst zählt der Name. Und es ist ja Formidables dabei wie etwa ein rarer Francis Bacon bei Marlborough. Der Picasso-Nachschub funktioniert dafür wie geschmiert, schön, dass der Mann bis ins hohe Alter so produktiv war. Auch Twomblys sind hier keine Seltenheit, und selbst Dubuffets sieht man in größeren Mengen. Branchen-Gigant Gagosian hat sowieso nur teuerste Ware – Investment! – wie einen abstrakten Gerhard Richter im prallen Koffer.

Quietschbuntes

Was man sonst sieht? Viele Blumen, es muss am wachstumsfördernden Basler Dauerregen liegen, auch wenn die meist quietschbunten Exemplare – zum Beispiel von Jeff Koons bei Mnuchin, New York, oder der fabelhaften Natalie Djurberg – aus Kunststoff sind. Stellenweise kommt man sich eh vor wie im aufgepoppten Bonbonladen. Und dann muss es vor allem groß sein. Für den gut fünf Meter langen Robert Motherwell, den die Zürcher Galerie Gmurzynska im Angebot hat, braucht man das Extra-Large-Loft. Doch das sollte bei eventuellen Abnehmern nicht das Problem sein. Ausladendes geht halt besser ins Auge. Das haben besonders die Vertreter der „jüngeren Positionen“ im Obergeschoss verinnerlicht.

Das Größer-und-Höher hat mit der „Unlimited“ aber auch wieder einen eigenen kuratierten 17 000-Quadratmeter-Bereich, den sich die Art als Qualitätsgutti leistet. Das beginnt mit Thomas Bayrles Riesenflugzeug, für das der Kunstbau des Lenbachhauses ab Dezember tatsächlich zu klein sein dürfte, und endet mit einer Zoom-Kabine, in der man selbst in den Fokus der Kameras gerät und sich unangenehm überwacht vorkommt.

Dazwischen? Die von der Münchner Galerie Häusler Contemporary nach Basel gebrachte Licht-Installation James Turrells („Cross Cut“), die an einen betörenden Rothko in 3-D erinnert – und vor der die Leute verständlicherweise Schlange stehen. Eine Abteilung weiter nimmt man sich gerne Zeit für Laurie Simmons Filme, etwa wenn Meryl Streep mit einer Verehrer-Puppe am Strand liegt und Liebeslieder trällert.

Christo überrascht mit einer alten, noch gar nicht fein hingezupften Schaufenster-Verhängung von 1965. Elmgreen & Dragset sind mit ihrer hörbaren Kunstauktion etwas plakativ. Die angesagte Japanerin Chiharu Shiota lässt nach unzähligen Schlüsseln bei der letzten Venedig-Biennale nun Koffer „auf der Suche nach dem Ziel“ an roten Bändern schweben. Auch der unvermeidliche Ai Weiwei darf nicht fehlen – diesmal mit dem Gebälk eines Hauses auf Glaskugeln.

Und nun wissen wir endlich, wo das ganze Zeug landet, das sich die Leute hier kaufen. Der Belgier Hans Op de Beeck führt uns „Collector’s House“ vor: ein beträchtliches Wohnzimmer mit Vitrinen, Gemälden, Kunstbibliothek, Flügel, einem Seerosenteich, Ethnografica und den Resten einer Hausparty. Alles in Grau und damit fern, doch so vielsagend.

Wie es bei einem Sammler aussieht

Wenn Messe-Boss Marc Spiegler „viele starke politische Arbeiten in Zeiten von Krieg, Terrorismus und Flüchtlingskrise“ angekündigt hat, dann sind solche eher auf der Unlimited zu finden. Das Geschäft läuft mit unproblematischer Flachware selbstredend besser. Man fragt sich eh, wann das längst schon zu hoch gewordene Kathedralkonstrukt des Kunstmarkts zumindest in den Seitenschiffen einbrechen wird. So wie der Umsatz der letzten Auktionen in New York, Hongkong oder London.

Würde David Weiss noch leben, könnte er mit seinem Partner Peter Fischli die passende Film-Persiflage im Kostüm von Ratte und Bär angehen. So aber liegen die Alter Egos der beiden Schweizer Künstler im Kleinformat in der Fondation Beyeler draußen in Riehen und bilden den Auftakt zu einem etwas gezwungenen Rendezvous mit dem Werk Alexander Calders. Immerhin dürfen Ratte und Bär in einem Video durch die Luft schweben und werden dabei zum nicht ganz so leichten Mobile. Und das Fragile thematisieren die beiden ja auch in einer Tour.

Wer vorhat, den Erweiterungsbau des Basler Kunstmuseums zu besichtigen, sollte das besser nicht gleich im Anschluss an die Fondation einplanen, wo man wunderbar zwischen den Messetagen durchschnaufen kann. Und sei’s nur beim Blick aufs Grün drumherum, das Renzo Piano so virtuos in den flachen Museumsbau hereinholt.

Denn am Sankt Alban-Graben – also wieder in der Stadt – erlebt man eine Schockfrostung. Als bewusstes Pendant zum 1936 errichteten Hauptbau des Kunstmuseums über der Straße ist die hellgraue, fensterlose Backstein-Trutzburg nicht zu übersehen. Und was sich außen einigermaßen bescheiden ausnimmt, wandelt sich im Inneren zum kühlen Auftrumpfen der Möglichkeiten, dominiert von einer mächtigen Marmortreppe, die den Blick nach oben zieht.

Das Laminat hat keine Schweizer Qualität

Dort wird’s dann überschaubarer, manchmal auch kleinteilig. Gleichwohl sorgt das Oberlicht für eine angenehme Atmosphäre in den Sälen. Was dort augenblicklich versammelt ist von Richard Serra, einer aparten Gegenüberstellung von Alberto Giacometti und Constatin Brânçusi, von Max Bill oder Eva Hesse, tut der kunstaffinen Seele wohl.

Nach unten hin werden die Täter von Isa Genzken bis Jeff Koons und Franz West „jünger“ und frecher, und dass man jetzt 10 000 Quadratmeter mehr Platz hat für eine traditionsreiche Sammlung von Holbein bis Picasso, die zu den besten im internationalen Vergleich zählt, ist ja eigentlich erfreulich. Für 100 Millionen Franken dürfte das strukturierte Eichenparkett allerdings etwas weniger nach Vereinsheim-Laminat aussehen.

Art Basel, bis 19. Juni. Alexander Calder & Fischli/Weiss bis 4. September in der Fondation Beyeler; „Skulpture on the Move“ bis 18. September im Neubau des Kunstmuseums Basel

 

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