Die staunenswerte Schau „AxMe“ der Werke Ellen Gallaghers

Von der Ästhetik submariner Mutanten: Die staunenswerte Schau „AxMe“ der Werke Ellen Gallaghers im Haus der Kunst
Roberta DeRighi |
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Von der Ästhetik submariner Mutanten:  Die Ausstellung „AxMe“ mit Werken von Ellen Gallagher im Haus der Kunst

Die Geister der Vergangenheit sind allgegenwärtig. Ellen Gallagher macht sie in den Unterwasserwelten des Zyklus „Watery Ecstatic“ sichtbar. Das Haus der Kunst präsentiert jetzt das staunenswerte Werk der afroamerikanischen Künstlerin (geboren 1965) in einer Ausstellung, die in Kooperation mit der Tate Modern entstand und rund zwanzig Schaffensjahre umfasst.

Und man kann in dieser Schau gut beobachten, wie die sagenhafte Kunst von Ellen Gallagher zaghaft Gestalt annahm. Eigenartig war sie schon am Anfang, als tausend winzige Augen „Doll’s Eyes“ (1992) und Lippen, aus dem Nichts ihrer großen Leinwände auftauchten. Mit der Zeit wuchs aus dieser eigenwilligen Interpretation des Minimalismus (mit Referenzen an Agnes Martin) ein vielschichtiges, tiefgründiges Oeuvre, das von betörender Ästhetik und stupender technischer Finesse ist – und alle Gattungsgrenzen sprengt. Ihre oft großformatigen Bilder gleichen eher Reliefs, denn als Werkzeuge dienen Pinsel und Skalpell, damit schnitzt Gallagher ins Papier - die Figuren werden plastisch. Kein Wunder, dass auf dem Kunstmarkt Hauser & Wirth und Gagosian diese Preziosen unter sich aufteilen.

Monströse SciFi-Fantasy

Als Inspirationsquellen dienen Geschichte, Musik und Literatur. In „Water Ecstatic“ bezieht sich Gallagher auf „Drexciya“, eine Art schwarzes Atlantis, zusammengesponnen vom gleichnamigen Elektro-Musikduo aus Detroit – nicht wahr, aber gut erfunden. Ihre Legende basiert auf der Geschichte der Sklaven, die auf Schiffen aus Afrika in die Neue Welt entführt wurden. Dabei wurden schwangere Frauen ins Meer geworfen, ihre Kinder passten sich dem Lebensraum Wasser an und existieren weiter als submarine Mutanten.

Die monströse SciFi-Fantasy ist zum Glück nicht ganz ohne Humor. Gallagher lässt „Drexciya“ als eine verborgene Welt von bizarrer Schönheit Gestalt annehmen, belebt von Fischen, Quallen, Korallen und Meerjungfrauen mit Krakenköpfen und Algenhaaren. Die Faszination der Wesen aus der Tiefe hatte Gallagher schon während des Studiums gepackt, als sie an einer mehrmonatigen Expedition auf einem meeresbiologischen Forschungsschiff teilnahm. Ihre Aufgabe war es, winzige planktische Lebewesen, so genannte Flügelschnecken, zu untersuchen und zu zeichnen. Die naturwissenschaftliche Akribie, aber auch der Respekt vor der Natur sind noch immer in ihren Zeichnungen zu spüren.

Diskriminierung als untergründiges Thema

„Axme“, der Titel der Ausstellung, bedeutet soviel wie das vernuschelte „Ask me“, es bezieht sich aber auch auf den Cartoon „Don’t axe me“, in dem das Entchen Daffy Duck vor der Axt seines Besitzers fliehen muss, um nicht im Kochtopf zu landen. Verfolgung, Rassismus und Diskriminierung sind bei Gallagher als Thema subkutan immer vorhanden. Etwa in „Dirty O’s“: Da bleiben unter der Farbschicht nur die Buchstaben e und o sichtbar – die beiden Vokale aus dem Wort „Negro“. Und die Story von Käpt’n Ahab und der Jagd auf den weißen Wal hat Gallagher auf dem Monumentalgemälde „Bird in Hand“ doppelbelichtet und mit Clayton „Peg Leg“ Bates, einem einbeinigen schwarzen Step-Tänzer aus den 20er Jahren vermischt.

Wie bei Lorna Simpson sind auch bei Ellen Gallagher die Haare wichtiger Bedeutungsträger schwarzer Identität: Der Afro-Look als Symbol der Black Power, die gezähmte Perücke als Zeichen der Angleichung. Für ihre „Yellow Paintings“ hat Gallagher Beauty-Werbung aus Magazinen ausgeschnitten und auf die Köpfe wilde Wülste und Wölbungen aus Plastilin gesetzt. Und diese merkwürdigen Kopfbedeckungen scheinen ein Eigenleben zu führen. Sie sind den Meeresorganismen aus „Drexciya“ nicht unähnlich.

Haus der Kunst, bis 13. Juli, täglich von 10 bis 20, Donnerstag 10 bis 22 Uhr

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