Die sensible Solistin
Vor ihrem Schriftzug steht ein kleines rotes Quadrat. Mehr wäre schon zu aufdringlich. Doch das ist typisch für Karin Sachs. Wer bei ihr an der Augustenstraße 48 vorbeischneit, darf in Ruhe schauen, die Bilder erzählen lassen, grübeln. Und wahrscheinlich würde die Galeristin am liebsten unsichtbar werden, wenigstens für ein paar Minuten, um den Raum ganz der Kunst zu überlassen. Und der Kontemplation.
Auf Farbexplosionen wartet man hier vergeblich. Auch Expressives liegt ihr nicht. Die Kunst, die Sachs ausstellt, ist eine, die sich zurücknimmt, auf den ersten Blick manchmal fast unscheinbar daher kommt und dafür im Leisen ihre Wirkung entfaltet, langsam, beharrlich. So wie die schlichten Papierarbeiten von Daphna Weinstein. Den Zeichenstift ersetzt die Israelin gerne durch ein Messer, mit dem sie sich Schicht für Schicht ins Innere der Papierlagen schneidet. Ein bisschen erinnern ihre Tiefreliefs an die stark reduzierten Guckkastenbühnen des Barock, und tatsächlich entpuppen sich die zunächst eher harmlosen, dicht hintereinander gefächerten Rund- und Langformen von „The Search for Kosovo“ (2012) zu einem Massengrab aus Schädeln und Gebeinen.
Kunst muss immer erst selbst für sich sprechen
Auch die niedlichen weißen Scherenschnitt-Piepmätze, die sich’s auf quer durch den Raum gespannten Leitungen bequem gemacht haben, laufen bei näherem Hinsehen Gefahr, einem Stromschlag zu erliegen. Oder vor sich hin zu schmoren? Man kann eben nie sicher sein, und Weinstein, Jahrgang 1971, hat Konkretes im Hinterkopf: Sie wuchs in einer vom Holocaust traumatisierten Familie auf, musste aus Selbstschutz auf Distanz gehen zu Hass und Entfremdung.
Karin Sachs gibt lediglich ein paar Basisinformationen zur Künstlerin, die zum ersten Mal bei ihr ausstellt. Auch die Blätter der Iranerin Parastou Forouhar, die sie aus dem Regal zieht, oder Rune Mields’ Faible für die unterschiedlichsten Systeme – vom Morsealphabet bis zu mathematischen Reihen – umreißt sie nur mit wenigen Sätzen. Denn Kunst müsse immer erst selbst für sich sprechen.
Man spürt, dass Sachs diesen Weg kennt. Erst relativ spät hat die gelernte Physikalisch-Technische Assistentin aus dem Taunus zu ihrer Passion gefunden. Mit zwei kleinen Kindern im Schlepptau absolvierte sie zwar ein Studium der Innenarchitektur, aber im Möbelgeschäft zu arbeiten oder frustrierten Hausfrauen die Villa durchzustylen war nicht ihr Ding. „Ich hätte durchgedreht“, gesteht Sachs.
Künstler entdecken - das ist der ganz große Reiz
Wie von einem Magnet angezogen ging sie plötzlich in Museen und Galerien. „Mein Interesse war unerschöpflich“, erzählt sie, „ich habe alles aufgesaugt, was mir über Kunst in die Finger kam.“ Irgendwann entstand dann der Wunsch, eine Galerie zu eröffnen. Und natürlich hatte sie Hemmungen. „Als Quereinsteigerin weiß man ja auch nicht, worauf man sich einlässt“, sagt Sachs. Doch ihr Mann habe ihr immer den Rücken gestärkt, das gab dann den letzten Anstoß, es einfach zu versuchen – 1986 an der Buttermelcherstraße im Gärtnerplatzviertel.
Es hat eine Zeit gedauert, bis die Sache zum Laufen kam, deshalb würde sie über diese ersten Lehrjahre am liebsten den Mantel des Schweigens breiten. Aber dann ging’s doch Schlag auf Schlag, in den Zeitungen wurden ihre Entdeckungen bald regelmäßig und immer gut besprochen.
Überhaupt Entdeckungen. „Die sind der ganz große Reiz“, findet Karin Sachs. Sicher wäre es toll, einen Superstar des übergeschnappten Kunstmarkts auszustellen, weil richtig Geld in die Kasse käme. „Aber dann hätte ich auch eine Boutique aufmachen können“, folgt die trockene Diagnose.
Wobei sie mit ihrer Galerie 2006 – nicht ganz fern von Spitzen und schönen Stoffen – in einem ehemaligen Wäschegeschäft gelandet ist. Eine störende Wand konnte entfernt werden, damit Großzügigkeit einkehrt. Zwei Nischen sind allerdings noch als Umkleidekabinen auszumachen. Und das hat durchaus Charme. Ob der Bereich nun von einer ausladenden Papierrolle Daphna Weinsteins bedeckt wird oder dort galerietypisch Subtiles seinen Platz findet. „Wichtig ist, dass das Ambiente meinen Künstlern behagt“, sagt Karin Sachs, doch die fühlten sich mit ihren Werken sehr wohl an der Augustenstraße. Und Sachs, die sensible Einzelkämpferin, sowieso.
Galerie Karin Sachs, Augustenstraße 48, Tel. 201 12 50, Dienstag bis Freitag 13 bis 18, Samstag 12 bis 16 Uhr;
Daphna Weinstein: „Suche nach Mustern“, bis 3. Mai 2014