Die Kunst der Beratungsräume: WTS im Werksviertel

Werksviertel - Die denkmalgerechte Sanierung der ehemaligen Rhenania-Villa an der Friedenstraße 22 hinterm Ostbahnhof hat 12 Millionen Euro gekostet. Denkmalschutz hat seinen Preis. Vor allem wenn man im Dachgeschoss auch noch einen von außen kaum zu erahnenden Konzertsaal unterbringt, der Platz für 100 Personen bietet.
Keine Konkurrenz für den Konzertsaal
Das ist natürlich nicht als Konkurrenz für den um die Ecke geplanten Konzertsaal im Werksviertel mit 1800 Plätzen gedacht oder als Reminiszenz an die hier ansässige, ehemalige Partylocation Loft. Die etwas runtergekommene Zwischennutzung ist Geschichte. Aber Kultur bleibt im Haus. Denn nun residiert in der Villa die WTS Group - ein "globaler Full-Service-Anbieter für Steuerberatungsleistungen sowie Financial & Deal Advisory" wie die Selbstbeschreibung lautet.
Kunstsammlung mit "Vielfalt und Diversität"
In der repräsentativen Villa wird die WTS-eigene Kunstsammlung gezeigt. Ihr Charakteristikum: "Vielfalt und Diversität" – wieder eine Selbstbeschreibung. Zusammengestellt wurde sie von der Kunstberaterin Sonja Lechner. Die Vielfalt strahlt geradezu aus und passt ja auch zur globalen Ausrichtung dieser Firma mit Hauptsitz im Werksviertel. Nicht nur dass neben bekannten Namen wie Candida Höfer, Victor Vasarely oder Horst Sauerbruch auch jüngere Künstler und, recht zahlreich, Künstlerinnen dabei sind.
Auch die neu gestalteten Räume der Villa, die für Besprechungen, als Kantine, als Bar oder zur Auszeit dienen, folgen unterschiedlichen Geschmacksmustern. Ein Potpourri der Stile, da jedes Zimmer einer Kultur gewidmet ist. Ein japanischer Raum, dem Yamamoto Masao mit seinen kleinformatigen Silbergelatineabzügen ein Flair vergangener Zeiten verpasste, findet sich ebenso wie ein Afrika-Raum oder eine Art bayerischer Zirbelstube. In dieser treibt ein Wildschwein, das sozusagen als Geweih-Ersatz in Form eines Torsos am Unterzug über der Tür angebracht ist, sein (Un)Wesen.
Der in der Schweiz lebende finnische Landwirt-Sohn und Autodidakt Veikko Hirvimäki hat es aus Holz geschnitzt und "We need to talk" genannt. Weil er mit den Wölfen, Füchsen, Elchen und Vögeln, die sein Werk bevölkern, auf die Bedrohung der gesamten Tierwelt verweisen will, zu der wir ja als Menschen irgendwie auch gehören.
Ein schönes rundes Objekt ist auch "Primavera", das die Kubanerin Mabel Poblet aus zahllosen Fotos zusammensetzte, die sie auf Reisen rund um den Globus aufgenommen hatte. Die Fotos zerlegte sie, kombinierte sie (farblich sortiert) neu und schuf so ein kreisrundes Mosaik der Erinnerungen: die Welt als Kaleidoskop.
Im Entree des benachbarten neuen Bürogebäudes, in dem bis zu 500 WTS-Mitarbeiter auf 11 000 Quadratmetern untergebracht sind, soll außerdem eine vierteljährlich wechselnde Ausstellung eines Nachwuchskünstlers für Aufmerksamkeit sorgen. Der erste ist der nicht unbekannte, 1981 geborene Felix Rehfeld mit "Blickpunkt Berg". Mit Klein- und Kleinst-Formaten feiert er auf 4,5 mal 6 (bzw. 15 mal 20) Zentimetern in Öl auf MFD lapidar das höchste bayerische Landschafts-Kapital - Berge zum günstigen Preis von 280 bis 980 Euro.
Mehrere hunderttausend Euro jährlich
Ganz so billig dürfte sein über fünf Quadratmeter großes, packend gelb glänzendes Ölbild "Gold", das den Besucher des Neubaus frontal über dem Empfangstresen beeindruckt, nicht gewesen sein. WTS investiert schließlich in seine Kunstsammlung, wozu "Gold" gehört, mehrere hunderttausend Euro im Jahr. Aber über Geld spricht man in diesem Zusammenhang hier nicht. Die Steuerberater wollen nach eigenen Bekunden nicht nur der Gesellschaft "etwas zurückgeben" (wenn die Geschäfte schon so gut laufen). Sie haben - und das ist auch wichtig - erkannt, dass Kunst zur Reflexion einlädt, kreatives Denken fördert, Innovation entstehen lässt. Und damit freilich auch einen direkten Nutzen für das Unternehmen selbst besitzt.
Aber nicht nur Kunden und Mitarbeiter sollen an der Kunst ihre Freude haben. Es wird (ab 2023) Führungen geben. Und die Villa soll mit Lesungen und Konzerten als "Begegnungsstätte für Kunst und Kultur" genutzt werden.