Die Ausstellung „Painting 2.0 – Malerei im Informationszeitalter“
"Hört auf zu malen!“ war der Bild gewordene Widerspruch: Jörg Immendorff brachte seine Schaffenskrise als Beuys-Schüler 1966 mit einem – gemalten – Imperativ auf den Punkt. Ein großes Kreuz streicht ein Bett mit Beuys-Hut aus. Diese Trotz-Geste taugt zugleich als Symbol für die Identitätskrise der ganzen Gattung nach dem Missbrauch der Figuration und ausgereizter Abstraktion. Mit der Malerei ging es bekanntlich trotzdem weiter, sie wandelte sich, sichtbar verunsichert, manchmal bis zur Unkenntlichkeit.
Rembrandt steht Pate, Twombly muss weichen, Neues zeigt sich
Martin Kippenberger ließ 1989 einen Assistenten eine Bildserie malen, fotografierte alles und häckselte die Originale anschließend für den Container. Die Installation „Heavy Burschi“ steht jetzt am Anfang der Mammut-Schau „Painting 2.0 – Malerei im Informationszeitalter“ in der Sammlung Brandhorst.
Damit geben Direktor Achim Hochdörfer, der seit 2013 das Haus leitet, und Kurator Tonio Kröger, seit 2014 am Haus, ihren eigentlichen Einstand. Sie trugen dazu fast 240 Exponate zusammen, davon über die Hälfte illustre, internationale Leihgaben, präsentieren aber auch starke Neuerwerbungen der letzten Zeit.
Ein ehrgeiziges Manifest in 18 Kapiteln, das in Kooperation mit dem Wiener Museum für Moderne Kunst entstand und dort auch ab Juni gezeigt wird. Es erstreckt sich über alle drei Stockwerke und verbannt sogar die Rosen des Haus-Heiligen Cy Twombly auf Zeit aus dem großen Saal im Obergeschoss – der jetzt demonstrativ von einem diagonalen Einbau durchschnitten wird.
Als roten Faden durch ihre Themen-Ausstellung ziehen sie nicht nur die Anti-These, dass die Malerei nie tot war. Sondern auch, dass die Kunst bereits seit den 60er Jahren vollbrachte, was der späteren digitalen Revolution im nutzergenerierten, interaktiven Web 2.0 ähnelt: Transformation durch Aneignung. Nur dass sie damals auf eine Konsumgesellschaft und Kultur des Spektakels reagierte, die ihr eine Reibungsfläche bot – übermittelt durch das aufkommende Massenmedium Fernsehen.
Hoher Frauenanteil
Nun stehen im Brandhorst-Museum die Markt-Platzhirsche Polke, Richter, Rauschenberg und Warhol neben Philip Guston, Michel Majerus und Albert Oehlen und einigen weniger hochgehandelten oder populären MeisterInnen. Und selbst Polke und Richter tauchen nicht als einsame Heroen auf, sondern im Kontext des Kapitalistischen Realismus.
Ein Prinzip, das auch dazu führt, dass der Frauenanteil hoch ist. Hier findet etwa das feministische Netzwerk A.I.R. (zu dem auch Nancy Spero gehörte) Platz, in dessen Kreis Mary Beth Edelson in Anlehnung an Rembrandts „Anatomie des Dr. Tulp“ den „Tod des Patriarchen“ vor lauter Frauen inszenierte. Oder das Kölner „Kränzchen“, in dem Jutta Koether selbstbewusst die Reihe „Cézanne, Courbet, Manet, van Gogh“ mit „Ich“ fortsetzt und Cosima von Bonin ziemlich viel Bildkörper für „Nichts“ hergibt.
Lee Lozano behauptet sich brutal bildgewaltig neben Maria Lassnig, während Eva Hesses Materialcollagen zugleich betörend fragil und selbstbewusst bizarr wirken. Den Vampirismus des Marktes und die Malerei als Wiedergänger bringt Monika Baer eindrucksvoll auf die Leinwand. Und Isa Genzkens Bild-Installationen führen vor Augen, dass der Künstler, der sich seines Marktwertes bewusst ist, seine Glaubwürdigkeit verspielt. Mag die Gegenthese als Ausgangspunkt auch ein wenig bemüht wirken: „Painting 2.0“ eine absolut fesselnde und facettenreiche Schau, an der nicht zuletzt imponiert, dass die Macher Mut zur – oft überzeugenden – Behauptung haben. Diese Öffnung und Neupositionierung tut dem Haus, das als Warhol- und Twombly-Weihestätte zuletzt etwas erstarrt wirkte, sichtlich gut.
Bis 30. April, Di – So, 10 – 18, Do bis 20 Uhr