Die andere Seite der Welt

Die Mexiko-Bilder von Fotografen-Superstar Henri Cartier-Bresson und eine Retrospektive seines leider wenig bekannten Magnum-Kollegen Sergio Larrain im Kunstfoyer der Versicherungskammer
von  Christa Sigg

Wie Feuer und Wasser waren die zwei. Der eine – Franzose – temperamentvoll, aufbrausend, immer rastlos und nervös, der andere – Chilene – hoch sensibel, verhalten und ruhebedürftig, was bald dazu führte, dass er sich völlig zurück zog. Und dennoch verstanden sich Henri Cartier-Bresson (1908- 2004) und der wenig bekannte Sergio Larrain (1931- 2012) prächtig. Cartier-Bresson war für den deutlich jüngeren Kollegen sogar eine Art Mentor, brachte ihn Ende der 1950er Jahre, kurz nachdem sie sich kennen gelernt hatten, zu Magnum Photos, der hoch renommierten Pariser Agentur, in der bis heute nur handverlesene Fotografen vertreten sind. Beiden frühen Magnum-Heroen ist nun im Kunstfoyer der Kulturstiftung Versicherungskammer (Bayern) eine Ausstellung gewidmet.

Sinnigerweise keine Mixtur, jeder hat seinen abgezirkelten Bereich, obgleich es thematische Überschneidungen gibt. Cartier-Bresson wie Larrain kamen aus sehr betuchten Familien und interessierten sich für die Gegenwelten: Menschen, die ihr ärmliches Dasein in verdreckten Gassen fristen, nie genug zu beißen haben, Prostituierte, Straßenkinder.

Bei Superstar Cartier-Bresson, dem Zugpferd der Schau, sind es die beiden ausführlichen Mexiko-Reisen, 1934 und 1962. Da „lächeln“ Dirnen ihren Freiern aus engen Türfenstern entgegen, unweit steht ein Schreiner vor einem Turm von Kindersärgen. Doch egal, was der Franzose mit seiner Leica einfängt, er giert nach Perfektion, auch wenn es noch so zufällig hingeworfen wirkt.

Larrain steht ihm in diesen Ansprüchen nicht nach, viel mehr reizen ihn allerdings extreme Bildausschnitte, ob er nun auf Sizilien die Mafia ins Visier nimmt, den Schah von Persien und die schöne Farah bei der Hochzeit – jeweils Aufträge – oder die schmutzigen Füßchen der Waisen in den Elendsvierteln Santiago de Chiles. À la longue will Larrain eh nur noch zu Themen arbeiten, die ihm etwas bedeuten, sich die Zeit nehmen, die er braucht. Er ist skrupulös, fotografiert weiter, zieht sich aber mehr und mehr zurück in eine Welt der Meditation, angehaucht vom Zen-Buddhismus. Umso erstaunlicher, was in dieser Retrospektive endlich auch hierzulande aufs (Qualitäts)Tableau kommt.

Kunstfoyer, Maximilianstr. 53, bis 9. Juni tägl. 9 bis 19 Uhr, Eintritt frei

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.