Designtheoretiker gestaltet Dauerausstellung um
Da hat sich die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne in München was ins Haus geholt: in rotem Plastik aufgespritzte Vulva-Modelle, schrappelige Do-it-yourself-Möbel, einen bloß praktischen Urban-Gardening-Mülleimer - das alles kuratiert in einem demokratischen Auswahl-Prozess nach einem "Open Call" zum Thema "Jeder ist ein Designer". Wozu? Um die Deutungsmacht von Museen in Frage zu stellen!
Gut, eine Ausstellung mit dem Titel "Politics of Design, Design of Politics" muss das aushalten. Das ganze Konzept stammt von dem Berliner Architekten und Designtheoretiker Friedrich von Borries, der an der Hamburger Hochschule für bildende Künste Designtheorie lehrt. Aufgefallen ist er mit verschiedenen Publikationen, etwa "Weltentwerfen - eine politische Designtheorie". Sein Thema: das Verhältnis von Design und Politik.
Optisch eingängige Markenzeichen
Nun hat er die (bislang) so perfekt gestylte Dauerausstellung der Neuen Sammlung für die nächsten 9 Monate mal exotisch scharf gewürzt. Mit 12 teilweise aufmüpfigen Interventionen, die mit (etwas zu) martialischen schwarzen Beschilderungen im dynamischen Stil der sowjetischen Avantgarde von vor 100 Jahren markiert sind. Das zum optisch eingängigen Markenzeichen der Neuen Sammlung gewordene Eingangsregal, einem überdimensionalen Setzkasten ähnlich, hat eine schwarze, dicht beschriebene Schicht vorgesetzt bekommen. Darauf lässt sich so etwas wie die Gebrauchsanleitung für die temporäre Überformung des Museums ablesen.
Das erste verwandelte Exponat: ein VW-Käfer, durch dessen Türfenster eine rote Fahne mit einem weißen Kreis gezogen wurde: "Design mobilisiert". Die Idee: Der Käfer stammt als "KdF-Wagen" aus der NS-Zeit. Das Auto wurde mit seinem herausragenden Design bei uns (wie schon vor dem Krieg geplant) zum Massenmobilitätsmittel, in der amerikanischen Hippiekultur jedoch zum Symbol des Unangepassten. Alles bekannt, mitsamt der Erkenntnis, dass der Käfer irgendwie Demokratie und Totalitarismus verbindet.
Plagiate konterkarieren die Fetischisierung der Originale
Ein 1867 von Edward William Godwin gestaltetes Buffet, zu dem sich der britische Architekt von japanischem Kunsthandwerk inspirieren ließ, wird jetzt nicht mehr nur angeschaut – sondern benutzt. Unter dem Slogan "Design kolonialisiert" erfährt man, wie der "Anglo Japanese Style" des britischen Architekten entstand. Der erzwungenen Öffnung Japans 1853 folgte anschließend eine vom japanischen Staat geförderte kulturelle Selbstvergewisserung jenes in Europa etwas später dann so gefeierten Kunsthandwerks. Das allerdings nach der Überschwemmung Nippons mit westlichen Waren schon westlich beeinflusst war. Wie so etwas andersrum geht, demonstrieren nun die zahlreichen bunten ins Objekt gestellten Sony-Walkmans. Was lustig ist.
Dann knöpft sich Borries die Bauhaus-Möbel vor, die industriell gefertigt mal günstige Möbel für alle hätten werden sollen. Aber zu unbezahlbaren Statussymbolen mutierten. Heute billig zu erstehende Plagiate konterkarieren nun die Fetischisierung der Originale, indem sie von diesen nicht zu unterscheiden sind. Borries testet uns: Wer erkennt, welches Möbel sich als Plagiat in der Gruppe Bauhaus versteckt? Entlarvend frech!
Design reproduziert
Dann: "Design reproduziert". Patriarchalische Strukturen im modernen Design führten dazu, dass Le Corbusiers Möbel ausschließlich Le Corbusier zugeschrieben wurden - obwohl sie doch (gemeinschaftlich) mit dem Cousin Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand entworfen wurden. Heute nennt der Hersteller alle drei als Urheber. So weit so klar. Borries bemängelt aber, dass die Gleichberechtigung vor den Möbelnamen halt macht: LC1 bleibt LC1, LC2 bleibt LC2 - was die Abkürzung von "Le Corbusier" ist. Soll man nun die 1928 gemachten Möbel - nach 90 Jahren - in CPPJLC1 und 2 umtaufen? Die richtige Dosis an Political Correctness ist manchmal schwer zu bestimmen.
Auch der Part "Design sexualisiert" verwirrt einigermaßen. Zweifelt man noch daran, dass im Marketing "Sex sells" gilt? Und dass in Möbel-Form gebrachte kritische Kommentare zur Rolle der Frau in der Gesellschaft auch mal ziemlich in die Hose gehen können? So ein Thema lässt sich einfach nicht mit 6 Exponaten und 2 mal 6 Sätzen abhandeln.
Besucher wird mit zwiespältigen Gefühlen zurückgelassen
Schön an der Schau: Sie versucht eine kritisch-intellektuelle Schicht über die zuvor - mit voller Absicht - unpolitische Dauerausstellung der Neuen Sammlung zu legen. Das Problem: Die auf "Ästhetik pur" getrimmte Präsentation lässt sich diese rabiate Überformung mit komplexen Inhalten nicht so einfach gefallen. Zudem bleibt die Argumentation gern plakativ, ist häufig angreifbar - und mitunter ziemlich verquast. So lässt diese ambitionierte Intervention den Besucher mit zwiespältigen Gefühlen zurück.
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