Der Kultureferent über Kulturbaustellen in München

Seit zehn Jahren ist Hans-Georg Küppers Münchens Kulturreferent – ein Gespräch über Erfolge und Baustellen
MÜNCHEN - Seine Vorgängerin Lydia Hartl hinterließ das Kulturreferat nach sechs Jahren im Amt in ziemlichem Chaos. Aber mit dem studierten Germanisten und Pädagogen Hans-Georg Küppers landete der damalige Oberbürgermeister Christian Ude 2007 einen Glücksgriff: Schnell lobten die Kulturschaffenden die ruhige, sachorientierte Arbeitsweise des Mannes aus dem Ruhrgebiet, der sich nicht selbst ins Scheinwerferlicht stellt, sondern seine Rolle als „Ermöglicher“ für eine spannende kulturelle Szene begreift.
AZ: Herr Küppers, haben Sie, wie gewohnt, den Sommerurlaub mit Ihrer Frau in Bayern verbracht?
HANS-GEORG KÜPPERS: Wir waren in den Bergen. Etwa in der Eng am Großen Ahornboden, am Heimgarten und auf der Ackernalm südlich von Bayrischzell, wo man einen großen Rundblick unter anderem auf das Hintere Sonnwendjoch hat.
War die schöne Umgebung auch entscheidend dafür, dass Sie vor zehn Jahren von Bochum nach München gewechselt sind?
Natürlich spielte auch das Umfeld eine Rolle, die hohe Lebensqualität hier. Das kannte ich ja von unseren Urlauben in Lenggries. Ich glaube, meine Frau und ich schätzen das manchmal mehr als viele Münchner. Das war mit ein Grund für meinen Wechsel, aber natürlich nicht der entscheidende.
Sind Sie zu Beginn Ihrer Tätigkeit oft als „der Mann aus dem Ruhrpott“ angeschaut worden?
Das schon, aber das war keineswegs abwertend gemeint, eher im Hinblick darauf, dass man damit auch eine gewisse Offenheit verbindet. Und wenn wir gerade bei Vorurteilen sind, die hatte ich natürlich auch gegenüber München: Da ist alles fertig im Sinne von abgeschlossen, da gibt es eine Schickeria und man bleibt gerne unter sich etc. Diese Klischees haben sich für mich nicht bestätigt. München ist eine offene, internationale, eine nach vorne gerichtete Stadt, die keineswegs selbstzufrieden in sich ruht, wie viele immer behaupten.
Von Ruhe ist ja momentan auch nichts zu spüren, es gibt derzeit etliche große Kulturbaustellen.
Eben, und es gab bereits einige, als ich meinen Posten hier antrat. Zu den Baustellen, die wir inzwischen erfolgreich abgeschlossen haben, gehören das NS-Dokumentationszentrum, das Lenbachhaus, das Deutsche Theater, aber auch der Neubau der Bibliotheken in Giesing und im Westend, das Kulturzentrum im Hasenbergl, der Neuhauser Trafo mit Bibliothek und Volkshochschule. Diese dezentralen Kultureinrichtungen sind mir sehr wichtig, das zeigt auch ein bisschen die Kulturpolitik, so wie ich sie verstehe. Für mich hat sich die kulturelle Bandbreite dieser Stadt, das war vielleicht ein Zufall, gleich am ersten Amtstag so dargestellt: Ich habe vormittags bei der Feier zu „25 Jahre Münchner Volkshochschule in Pasing“ gesprochen, und abends war Klassik am Odeonsplatz. Das ist beispielhaft: Meine Arbeit bewegt sich zwischen den kulturellen Flaggschiffen und der Stadtteilkultur.
Jetzt haben Sie die großen Brocken vor der Brust: Renovierung des Stadtmuseums, Umzug des Volkstheaters, Renovierung des Gasteig.
Eine Stadt ist nie fertig, und das wird sie auch nach Abschluss dieser Projekte nicht sein. Denn in einer wachsenden Stadt wird auch die kulturelle Infrastruktur weiter mitwachsen müssen: Wir werden beispielsweise in Riem, Freiham und Freimann neue Bibliotheken bauen.
Glauben Sie, dass irgendwann mal ein Vermittlungsproblem droht, wenn man fast für die Kosten der Elbphilharmonie den Gasteig renoviert, der dann aber kaum anders aussieht als vorher?
Ich hoffe natürlich, dass es der Stadt finanziell weiter gut geht, damit wir den Spielraum für diese Projekte haben. Wir haben aber auch schon während meiner Amtszeit zwei Konsolidierungsphasen durchlaufen müssen. Wir schöpfen nicht immer nur aus dem Vollen, und es müssen vernünftige und für die Zukunft wichtige Projekte sein, in die wir das Geld investieren. Ich bin überzeugt davon, dass der Gasteig nach der Renovierung im Innenleben eine ganz andere Anmutung haben wird als jetzt. Es gab Stimmen, die einen Abriss lieber gesehen hätten. Aber bevor man jetzt drei Jahre lang Schutt auf LKWs durch die Stadt transportiert, bin ich doch eher dafür, die vernünftige Substanz, die ja da ist, für die Zukunft fit zu machen.
Wie sieht der Zeitplan für die lang erwartete Neugestaltung des Stadtmuseums aus?
Wir werden zu Beginn des kommenden Jahres einen Bau- und Zeitplan vorlegen. Ich gehe davon aus, dass wir mit der Renovierung 2020 beginnen und – bei Schließung des Museums – in einem Rutsch umbauen werden. Ich kann mir vorstellen, dass wir Teile der Sammlungen während der Bauphase in den Stadtteilen präsentieren werden, auch, um das Museum präsent zu halten.
Beeinflussen die Großprojekte Ihre Zukunft? Würden Sie diese gerne noch vollenden als Kulturreferent?
Mein Vertrag endet im Juni 2019. Ernsthaft über meine Zukunft werde ich im ersten Quartal des kommenden Jahres nachdenken. Drei Fragen sind entscheidend: Will die Politik weiter mit mir zusammenarbeiten? Glaube ich, dass ich diese Herkulesaufgaben auch gesundheitlich mit aller Kraft weiter schaffe? Und drittens: Was sagt meine Frau, meine Familie dazu? Einerseits reizt es mich, diese Projekte zu Ende zu bringen, andererseits, um mal ein Bild zu benutzen, ist der Zug schon so weit aus dem Bahnhof heraus – der wird fahren.
Sie haben in zehn Jahren als Kulturreferent beneidenswert wenig Kritik abbekommen. An der Personalie Matthias Lilienthal als Intendant der Kammerspiele scheiden sich allerdings die Geister. War seine Berufung richtig?
Ich halte die Entscheidung weiterhin für richtig, weil ich glaube, dass ein permanentes Arbeiten in einer Erfolgsspur, die schon gelegt wurde, ein Theater nicht weiter bringt. Wenn ich ein Theater ändere durch ein Experiment, dann wird es immer Menschen geben, die enttäuscht sind, die sich nicht mitgenommen fühlen. Aber es gibt auch Menschen, die dies als Chance und Aufbruch sehen. Ich glaube, ein solches Wagnis muss eine Stadt wie München eingehen können. Und denken Sie daran, die Anfänge von Frank Baumbauer und Johan Simons an den Kammerspielen waren ebenfalls umstritten.
Herr Lilienthal hat aber ein Problem: die Kammer 1, die er zu selten bespielt. Auch Repertoirevorstellungen sind oft schlecht besucht. Und wenn das Publikum nicht mitmacht, dann gibt es halt ein Problem.
Ich habe auch lieber ein volles Haus als ein halbleeres. Auch wenn das noch nichts über die Qualität dessen aussagt, was auf der Bühne geschieht. Wir haben einen Besucherrückgang, aber wir haben auch mehr Zuspruch beim jüngeren Publikum. Ich denke schon, dass die dritte Spielzeit nun eine richtungsweisende sein wird.
Sie haben es geschafft, den Kulturetat in Ihrer Amtszeit von 145 Millionen Euro auf 210 Millionen Euro zu steigern. Natürlich gibt es auch immer mehr Forderungen, jetzt will das Metropoltheater viel mehr Unterstützung.
Alle Wünsche kann man nicht erfüllen. Beim Metropoltheater sehe ich jedoch Handlungsbedarf. Das Theater ist schon häufiger als bestes Off-Theater Deutschlands ausgezeichnet worden, es spielt an 250 Tagen im Jahr. Wir sollten es ab dem nächsten Haushalt mit einer eigenen Kostenstelle versehen, also deutlich höher als bislang unterstützen.
Die Kunststadt München profitiert ja auch sehr stark von den kulturellen Einrichtungen des Freistaats, von den Pinakotheken, über das Residenztheater bis hin zur Staatsoper. Wie ist das Verhältnis?
Als ich hier herkam, habe ich deutlich gespürt, welche Animositäten es zwischen Stadt und Freistaat gab, auch im Kulturbereich. Ich habe das gar nicht begriffen, ich dachte nur: Warum? Das ist doch alles München. Ich habe sofort Kontakte geknüpft und führe es jetzt auch ein ganz klein bisschen auf mich zurück, dass sich die Situation sehr entspannt hat. Es gibt mehr Absprachen, gemeinsame Projekte wie das Literaturfest, das Faust-Festival, bei dem auch private Veranstalter dabei sind, oder eine enge Kooperationen zwischen Monacensia und Bayerischer Staatsbibliothek und eine gemeinsame Broschüre aller Museen in München.
Man erlebt Sie kurz vor der Sommerpause, nach einer endlosen Kette von Premieren, Vernissagen, Sommerfesten verständlicherweise erschöpft. Sind Sie nach den Ausflügen in die Bergwelt jetzt wieder kulturell ausgehungert?
Ja, ich denke nach einer Pause jedes Mal: Gut, dass es wieder losgeht! Ich freue mich auf die erste Premiere der Kammerspiele am 28. September, wenn David Marton „On the Road“ nach dem Roman von Jack Kerouac inszeniert. Ein besonderer Höhepunkt im Herbst wird die große Gabriele-Münter-Ausstellung im Lenbachhaus ab 31. Oktober sein. Und auch der Neustart in der Schauburg unter der Intendanz von Andrea Gronemeyer wird spannend. Aber Sie haben Recht, vor den Sommerferien ist in München kulturell so viel los, dass es einen fast körperlich an seine Grenzen bringt.
Es ist Ihnen in zehn Jahren nicht gelungen, den Münchner Jahreskalender zu entzerren und in den „toten“ August zu strecken.
Nein, und das wird auch niemandem gelingen. Niemals.