Der Design-Dino macht halblang

Seit einer halben Ewigkeit ist Florian Hufnagl an der Neuen Sammlung – nach 34 Jahren beginnt für den Direktor am 1. Februar der Ruhestand. Ein Gespräch über Freiheit, Autos und Filzpuschen
von  Christa Sigg

Den Schreibtisch hat Jean Nouvel entworfen, die Lampe drauf Michele de Lucchi. Im Eck stehen Sessel von Münchens Design-Star Konstantin Gricic, Ettore Sottsass’ Leuchten strahlen von der Decke... Dass der Direktor der Neuen Sammlung auch im Büro von gutem Design umgeben ist, versteht sich von selbst. Seit Florian Hufnagl 1990 die Leitung übernommen hat, verbringt er nicht nur Tage, sondern oft halbe Nächte in diesem Raum. Noch. Ende Januar geht der Design-Guru in den Ruhestand.

AZ: Herr Hufnagl, lädt man Sie noch nach Hause ein?
FLORIAN HUFNAGL: Mein Privatleben ist relativ eingeschränkt, weil ich die meiste Zeit im Museum verbringe.

Es war anders gemeint, ich würde Sie jedenfalls nicht in die Wohnung lassen. Vor Ihrem Blick hat doch nur das Beste Bestand.
Ja, natürlich, aber das läuft oft anders rum. Wenn ich eingeladen werde von so genannten lieben Bekannten, dann haben die meistens etwas gekauft und wollen gelobt werden.

Und wie lebt Florian Hufnagl selbst?
Mit wenigen Dingen, die mir wirklich wichtig sind. Das kann ein schönes Besteck sein, ein interessantes Bücherregal, ansonsten schaut meine Wohnung relativ „normal“ aus. Wodurch ich mich vielleicht unterscheide, sind die vielen japanischen Tansus (Holztruhen und -kommoden mit Metallbeschlägen), die sehr streng und schlicht sind.

Da haben Sie dann Ihre Socken drin?
Ja, und Hemden und was man halt so braucht.

Wie steht’s mit der angesagten Designerküche?
Ich habe eine Küche vom Premiumhersteller Bulthaup, der sogar in Bayern produziert. Das ist bestes deutsches Systemdesgin, ganz klassisch, sehr schlicht. Mein Haus ist nicht groß, eine opulente Designerküche mit Arbeitsblock würde gar nicht gehen. In meinen Augen sind das sowieso Küchen, um die man dann das passende Haus baut.

Sofa?
Auch mein Sofa ist was fürs „Existenzminimum“. Es wurde von einem tschechischen Designer in den 30er Jahren entworfen, und man kann es zum Schlafbett ausklappen. In der Tschechischen Republik gab’s zu dieser Zeit perfekt durchorganisierte Möbel mit Mehrfachfunktion.

Stühle?
Schlichte Thonet-Stühle.

Hausschuhe?
Ganz einfache aus Filz.

Computer?
Gerade aufgerüstet. Mac, vom Handy übers iPad bis zum großen Rechner. Das ist das Einzige, wo ich up to date bin.

Uhr?
Von Braun.

Mantel?
Ich besitze nur einen Lodenmantel, schlicht, braun. Ansonsten ist mein Auto der Mantel.

Brille?
Mehrere. Immer alte Brillen mit runden Gläsern, so im Stil von Le Corbusier, die kaufe ich auf dem Flohmarkt.

Gibt es eigentlich etwas, mit dem Sie sich nicht vor die Tür trauen?
Nein, da bin ich pingelig. Ich entferne auch alles, was mir in den Augen weh tut.

Auto?
Da gehe ich ausschließlich nach Funktion. Ich fahre einen Sharan, der ist hoch und hat viel Platz. Ich muss ja dauernd etwas transportieren, also kann ich vom Porsche nur träumen.

Finden Sie es nicht schade, dass mittlerweile alle Autos gleich ausschauen?
Ja, welcher Mercedes da vor der Nase rumfährt, ist schwierig zu sagen. Das gilt genauso für Audi und BMW. Und man kann auch innerhalb der Marken kaum mehr Unterschiede feststellen. Jeder Hersteller hat seine Produktpalette vervielfältigt, um auch noch im allerallerletzten Segment den Markt mitzunehmen.

Ist das für einen Design-Experten nicht ein Desaster?
Es ist ein gigantisches Thema. Aber ich bin durchaus zuversichtlich, weil ich nicht glaube, dass sich diese Vielfalt auf Dauer durchhalten lässt. Gerade durch die Globalisierung wird es wieder zu regionalen bzw. kulturspezifischen Ausformungen kommen.

Früher hat man eine Hermès-Tasche sofort als solche erkannt.
Exakt. Deshalb wird es für wirklich designorientierte Unternehmen überlebenswichtig sein, sich wieder auf die Kernwerte der Marke zu konzentrieren. Ich will eine klassische Braun-Uhr haben. Die muss aber als solche auch erkennbar sein.

Und der Massenmarkt?
Den wird es immer geben, bestimmt von den Produktionskosten. Wir haben ein wunderbares Beispiel: Zur Zeit sind alle Bügeleisen – die kommen natürlich aus China – „Lollipop“, wie ich das nenne, also knallbunt. Aber im Premiumbereich wird es sicher wieder zu einer klaren Linie kommen.

Mögen Sie eigentlich deutsches Design?
Ja, das schätze ich außerordentlich. Denn es ist beliebig kombinierbar und schreit im Normalfall nicht „schau her, ich bin Design“.

Trotzdem haben wir auch hier diesen Design-Hype.
Die Entwicklung hat Ende der 80er Jahre angefangen und in den 90ern ihren Höhepunkt erreicht. Design hat sich aus Marketing-Gründen verselbständigt, ist beliebig geworden und wurde in Bereiche getragen, die nichts damit zu tun haben.

Andererseits kann nicht alles Bauhaus und Nachfolge sein.
Völlig richtig. Nur mit „Form follows function“ wurde einfach zu wenig abgedeckt. Denn das Emotionale, die Lust auf ein Produkt – einen Alfa Romeo etwa – ist dabei zu kurz gekommen. Nichts gegen weißes Porzellan, aber ich kann mir durchaus ein Frühstück vorstellen, das in frischen Farben daher kommt. Das war bei all den Vertretern der „guten Form“ verpönt. Aber verflixt noch mal, wir haben es mit Gebrauchsgegenständen zu tun. Die sollen Freude machen, uns möglichst lange begleiten, sinnvoll sein, ökonomisch und ökologisch sauber hergestellt werden und bezahlbar. Punkt.

Sie wurden sicher dauernd von der Industrie mit Produkten umworben, die Sie mit Ihrem Ankaufsetat nicht kaufen konnten. Wie bleibt man da unabhängig?
Die, die auf uns zugekommen sind, haben wir meistens nicht genommen. Die wirklich designorientierten Unternehmen halten sich da zurück. Und wenn wir Produkte angefragt haben, wurde problemlos unserer Bitte entsprochen.

Und wenn die Firma dann mit anderen Begehrlichkeiten auf Sie zugekommen ist?
Das gab’s natürlich, aber, Entschuldigung, dafür habe ich eine staatliche Position, ich bin frei wie ein Richter. Wir haben keinen privaten Shareholder, das ist der Unterschied. Design ist immer industrieabhängig. Aber wenn ich mich entscheide, über das Design eines bestimmten Unternehmens zu arbeiten, dann ist es gerne so, dass die zwar die Kosten tragen, die uns entstehen, aber die Ausstellung entsteht so, wie ich es meine, oder gar nicht.

Sie sind ein Museums-Dino wie Helmut Friedel – beide haben Sie Ende der 70er an dem Haus angefangen, wo Sie bis jetzt Direktor waren.
Wir haben übrigens auch zusammen studiert. Ja, jetzt werden es 34 Jahre, dass ich am Museum bin. In einer so langen Zeit kann man sich ein Standing erarbeiten, den Bestand kennen lernen, aber diese Sorte Museumsdirektoren ist eigentlich schon ausgestorben. Das ist ein Problem – genauso wie die Durchlauferhitzer.

Wofür plädieren Sie denn?
In einem modernen Museum gibt es für mich zwei Bereiche: das Thema Konstanz, die das klassische Museum betrifft, die Sammlungspolitik. Manchmal hat es zehn und mehr Jahre gedauert, bis ich ein Objekt bekommen habe. Daneben gibt es kurzfristige Projekte wie Ausstellungen. Man wird künftig beides brauchen. Die Kerntruppe fürs Haus, und frische Leute von außen für die Abwechslung.

Was machen Sie ab Februar?
Mich erst einmal konsolidieren und aufräumen. Ich bin ja nur zum Schlafen nach Hause gefahren. Trotzdem werde ich jetzt mit Sicherheit nicht lange in der Sonne sitzen.

In der Designstadt München gibt’s immer was zu tun.
Ich sehe das nicht auf München beschränkt, die Welt ist groß. Sicher werde ich mich nicht aus dem Thema verabschieden.

Sie tragen Fliege – und fast immer offen. Ist das Coolness oder ist binden zu fitzelig?
Nein, das kann ich sogar blind. Aber warum soll ich sie bei der normalen Arbeit binden? Vielleicht für hooochoffizielle Anlässe, o.k. Dass ich überhaupt Fliege trage, ist sowieso old fashioned, aber genau das liebe ich.

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