Denkmalschutz für Münchner Gebäude der Nachriegszeit
In der Nachkriegszeit wurden viele Gebäude schnell hochgezogen, manchmal auch ein architektonischer Neuanfang gewagt. Die Betonburgen wirken manchmal brutal, sind meist aber funktional: Oberflächlich betrachtet sind viele der zwischen 1950 und 1975 entstandenen Bauwerke oft nicht schön. Und wenn sie nicht irgendwann grundlegend modernisiert wurden, sind sie nur noch eingeschränkt zu benutzen. Hemmungsloser Energiebedarf, schlechter sanitärer Standard, mangelhafter Brandschutz, kaum Schallschutz – von Barrierefreiheit ganz zu schweigen, um nur die offensichtlichen Mängel zu benennen.
Vieles steht unter Denkmalschutz. Aber die anderen Gebäude?
Die wichtigen zeithistorischen Zeugnisse der Baukunst dieser Jahre stehen ohnehin unter Denkmalschutz und sind somit vielleicht kulturell gesichert. Also könnte alles andere doch weg, ohne Bedenken. Oder? Es wäre – nicht nur aus Sicht vieler Planer, Politiker und Investoren – das Einfachste. Gerade in München. Die Stadt wächst ungebremst, braucht Wohn-, Büro- und Gewerberaum (und Freiraum).
Die einfachste Lösung für so ein „Problem“ sind immer noch Abriss und Neubau. So lässt sich dichtes Bauvolumen auf der technischen Höhe der Zeit erzeugen – das alles aus einem Guss, und vielleicht auch noch mit ansprechenden Grünräumen drumherum.
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist charakterisiert von historischer Wertschätzung, von kultureller Bedeutung des seit langem Gewachsenen – und vom sozialen Aspekt. Schließlich arbeiten und leben in den allermeisten Gebäuden Menschen, die ihren Wohnraum und ihr Umfeld oft schätzen – so wie es ist – und deshalb auch „verteidigen“. Oft lohnt ein zweiter Blick und man erkennt auch eine sachliche Eleganz von in die Jahre gekommenen „Neubauten“. Man muss sie nur wieder – durch Renovierung und Platzgestaltung – zur Geltung bringen. Unsere Städte und Dörfer haben ein gebautes Gesicht, das uns geprägt hat, in das wir seit Jahrzehnten blicken. Und das besteht ja nicht allein aus Marien- und Odeonsplatz, Ludwigstraße und Residenz – sowie gemischt: Stachus oder modern: das Olympiazentrum.
Veränderung ist ein ganz normaler Dauerzustand
Dazu zählen auch die sozusagen anonymen Straßenzüge und Wohnviertel, die man samt ihren mitunter gewöhnungsbedürftig unästhetischen Bau-Einsprengseln richtig lieben gelernt hat. Eigentlich doch wie der Kaufhof am Marienplatz (entworfen von Josef Wiedemann, gebaut 1969 bis 1972), oder die fast immer leeren Arkaden des alten Hettlage-Kaufhauses (50er-Jahre) auf dem Areal der Alten Akademie in der Kaufinger Straße.
Zuviel Veränderung macht Angst. Auch das ist unbestritten. So ist es trotz notwendiger Erneuerung wichtig, die gebaute Vergangenheit nicht nur in Spuren, sondern strukturell zu erhalten.
Nicht nur die Highlights der Baukunst stiften Identität, sondern auch die Durchschnittsbauten. Und dazu zählt nun mal – als umfangreichster Baubestand in fast allen deutschen Städten – die zwischen 1950 und 1975 entstandene Architektur. Den Schutz als Denkmal genießen ja ohnehin nur wenige Gebäude – die sind meistens richtig alt und eher selten aus der Nachkriegszeit.
Der bislang kaum zur Kenntnis genommene Nachkriegsbestand prägt die Stadtgestalt manchmal offen – aber ganz besonders im Hintergrund. Bewusst wird einem das meistens erst, wenn Abriss droht. Oder wenn man die Pläne für einen Ersatzbau vorab betrachten darf – wie beispielsweise beim Münchner Hauptbahnhof. Erst dann beginnt man, die ungepflegten, heruntergekommenen Bahnhofs-Bauten neu zu schätzen, die auch noch von den berühmtesten Münchner Architekturprofessoren der Nachkriegszeit entworfen wurden . Und man ruft nach besseren Lösungen, die das Alte einbeziehen.
Die gewisse Eleganz des 50er-Jahre-Bahnhofs geht im städteplanerischen Chaos und der Übermöblierung des Bahnhofplatzes bisher völlig unter. Denn trotz des massiven Sanierungsdrucks, der auf den veralteten und von der gebauten Substanz her oft nicht besonders überzeugenden Nachkriegsbauten liegt, sind viele von ihnen erhaltungsfähig. Trotz dieses Aufwands ist die Erhaltung meistens sogar günstiger als Abriss und Neubau.
Betrachtet man Ökologie und gesamtheitliche Energiebilanz, so kann ein Neubau sogar selten eine Erhaltung toppen. Denn beim Umbau wird bereits in das Gebäude investierte Energie erhalten. Das verbessert die Einsparung von CO2. So kann ein ganz normaler Umbau gesamtheitlich betrachtet energetisch besser dastehen als ein Null- oder Plus-Energiehaus.
Der Kreativität des Bauherrn oder Architekten muss die Modernisierung nicht im Wege stehen. Schließlich kann man Gebäude, die nicht als Denkmal Eins zu Eins erhalten werden müssen, weiterbauen, aufstocken, transformieren, neu deuten – und ihnen den eigenen neuen Stempel aufdrücken.
Diskussion über die Bauten der Nachkriegszeit
Erhalten, deuten und wandeln: Bauten 1950 bis 1975
Do, 28. Juli, 19.30 Uhr, Schmuckhof der Alten Akademie München (Neuhauser Straße 8, Schmuckhof, Zugang über Kapellenstraße): Podiumsdiskussion zum Thema: „Erhalten, Deuten und Wandeln von Bauten der Jahre 1950 bis 1975“. Veranstalter ist die Bayerische Architektenkammer.
Am Podium: Dieter Wieland (Autor und Dokumentarfilmer), Christoph Stadlhuber (CEO von Signa – dem neuen Besitzer der Alten Akademie), Jürgen Güllesbach (Geschäftsführer Bayerische Hausbau), die Architekten Eva Maria Lang, Alexander Fthenakis und Karlheinz Beer (Moderation).
Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldung: www.akademie.byak.de, Tel. 13 98 80 32