Das Vergnügen des Nutzlosen

Haus der Kunst: Eine Retrospektive für „Richard den Großen“ Artschwager
von  Roberta De Righi

Ein Date kann eine haarige Angelegenheit sein. Richard Artschwager (geboren 1923) bringt es in seiner Skulptur „Double Diner“ auf den Punkt: Er baute sie 1988, in Anlehnung an die Möblierung amerikanischer Diner, als zusammenhängende Garnitur aus Tisch und Sitzen, so eng, dass man schon beim Anschauen Platzangst bekommt. Da wird Unterhaltung zur Zwangsveranstaltung, aber damit nicht genug: die Sitze sind bezogen mit gummierten Haaren und somit kratzig und ein bisschen eklig – obendrauf würde Meret Oppenheims Pelztasse passen.

Das Gespür für das Wesen der Dinge jenseits von Bild und Wort, ein sehr trockener Humor und handwerkliche Präzision sind die Grundkomponenten im Werk des amerikanischen Künstlers. Jetzt widmet das Haus der Kunst „Richard, dem Großen“, der heuer im Februar gestorben ist, eine Retrospektive. Der Sohn eines deutschen Vaters und einer russischen Mutter hatte 1931 sogar ein Jahr in München gelebt, ging in Neuhausen zur Schule, während seine Mutter an der Akademie studierte. Nach dem Kriegsdienst und einem naturwissenschaftlichen Studium arbeitete er als Tischler. Dann befreite er die Gegenstände vom Zweck. Als Künstler wollte er „nutzlose Objekte“ schaffen und damit dem Betrachter Vergnügen bereiten.

Irgendwo zwischen Pop-, Minimal-, Konzept-Kunst – und mit surrealistischen Wurzeln – kann man Artschwager einordnen. „Das ist kein Tisch“ könnte wie bei Magritte neben dem Objekt „Beschreibung eines Tisches“ von 1964 stehen, das eher das ins Dreidimensionale gebrachte Bild eines Tisches ist: Ein Sperrholzwürfel, bezogen mit Resopal-Laminat, das Beine, Tischtuch und Hohlraum imitiert. Resopal war Artschwagers Lieblingswerkstoff, weil es, industriell hergestellt, selbst Nachahmung war.

Als Bildträger seiner Gemälde bevorzugte er Dämmplatten, deren raue Oberfläche stark plastisch war und alles Dargestellte in eine irritierende Unschärfe entrückte. Darum beschrieb er seine Kunst auch als „Bilder zum Anfassen, Skulpturen zum Anschauen“. Konsequent, dass sein „Chair" zur Kiste, bezogen mit dem Foto eines Stuhles wurde.

Mit der Kommode „Sammlung meiner Geschichten“ (1974) offenbart Artschwager sein Vexierspiel auf allen Ebenen: Der Boden der obersten Lade wiederholt die Deckplatte, die nächste hat keinen Boden, die darunter einen aus Glas, die vierte einen mit Spiegel und die unterste ist gefüllt mit gummierten Pferdehaaren. Amüsant, pointiert und ein bisschen abgründig.

Seine politischen Bilder hingegen, oft nach Zeitungsfotos entstanden, sind zwar innerhalb von Artschwagers Oeuvre interessant, aber als Kommentare zum Zeitgeschehen können sie nicht bestehen.

Haus der Kunst, bis 6. Januar, Mo – So, 10 – 20, Do bis 22 Uhr

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