Kritik

Das tote Reh im Swimmingpool

Die Sammlung Goetz nun auch zu Gast im Deutschen Theatermuseum
Mathias Hejny |
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Julian Rosefeldts 1-Kanal-Filmprojektion "Deep Gold" - hier eine Szene" - wird ab 20. August im Theatermuseum zu sehen sein. Der Schwarz-Weiß-Film ist eine Hommage an Luis Buñuels surrealistischem Klassiker "L'Âge d'Or" aus dem Jahr 1930. Rosefeldt hat das Geschehen in einen Nachtclub im Berlin der 1920er Jahre übertragen.
Artist/VG BILD-KUNST Bonn, 2024, courtesy Sammlung Goetz, München 3 Julian Rosefeldts 1-Kanal-Filmprojektion "Deep Gold" - hier eine Szene" - wird ab 20. August im Theatermuseum zu sehen sein. Der Schwarz-Weiß-Film ist eine Hommage an Luis Buñuels surrealistischem Klassiker "L'Âge d'Or" aus dem Jahr 1930. Rosefeldt hat das Geschehen in einen Nachtclub im Berlin der 1920er Jahre übertragen.
Gemütlich Filme schauen: Im Theatermuseum gibt es über den Sommer eine Kinolounge.
Thomas Dashuber 3 Gemütlich Filme schauen: Im Theatermuseum gibt es über den Sommer eine Kinolounge.
Eine Szene aus der 1-Kanal-Videoinstallation "House with Pool" von Teresa Hubbard und Alexander Birchler.
Artists, court. Sammlung Goetz 3 Eine Szene aus der 1-Kanal-Videoinstallation "House with Pool" von Teresa Hubbard und Alexander Birchler.

Anwesen dieser Art scheinen vertraut zu sein, denn sie gehören zum amerikanischen Kino der 1950er-Jahre und Folgende: Ein flacher Bungalow, großflächige Fenster, unterbrochen von Wänden aus Naturstein. Davor lädt ein großer Swimmingpool zum Bade, die Umgebung ist hügelig mit Bewuchs überwiegend aus niedrigem Nadelgehölz. Eine junge Frau, vermutlich eine Tramperin, überklettert den Zaun, um im Garten zu übernachten.

Es könnte die Tochter der Bewohnerin dieser modernen Villa im Grünen sein, der man zuvor beim Klavierspiel zugehört und zugesehen hatte. Der 20-minütige Film des irisch-schweizerischen Künstlerduos Teresa Hubbard und Alexander Birchler heißt wie sein Schauplatz: "House With Pool". Er ist gerade zu sehen in der Ausstellung "Begegnungen. Künstlerische Perspektiven auf das Kino" im Deutschen Theatermuseum.

Die Filmarbeiten kommen aus der Sammlung Goetz, die Sanierung des Museums in Oberföhring wird wohl noch eine Weile dauern. Open End, könnte man sagen. Davon profitieren allerdings verschiedene Institutionen wie die Pinakothek der Moderne und jetzt auch das Museum am Hofgarten, das während des Sommers einen Popup-Kinosaal im Obergeschoß eingerichtet hat.

Die Geschichte von den beiden Frauen im Haus mit Pool ist eine Rekonstruktion der Bildsprache des amerikanischen Films, doch ohne durchgängige Erzählung, die Konflikte und ihre Lösung erklären würde. Was die ältere und die jüngere Frau verbindet beziehungsweise trennt, bleibt ebenso offen wie die Frage, was das Reh, das der Gärtner tot aus dem Wasser zieht, mit all dem zu tun haben könnte.

Gemütlich Filme schauen: Im Theatermuseum gibt es über den Sommer eine Kinolounge.
Gemütlich Filme schauen: Im Theatermuseum gibt es über den Sommer eine Kinolounge. © Thomas Dashuber

Gleichfalls rätselhaft und doch mit erheblichem Sog erscheint "A Room Of One's Own". Hier ist eine einsame Kreuzfahrtpassagierin im mittleren Alter die Heldin, die in ihrer Kabine plötzlich einen nackten Mann vorfindet. Wie sich in den wortlosen Sequenzen Spannung entwickelt, erinnert an Alfred Hitchcock, der allerdings für seine ebenso puritanische wie raffinierte Dezenz berühmt ist, wenn es um Erotik und Sex ging. Der Däne Jesper Just entfesselt in seinem Kurzfilm hingegen einen sinnlichen Rausch, und das seltsam kühl und auch jenseits jeglicher Pornografie. Letztlich bleibt unklar, ob der Akt vielleicht nicht nur im Kopf der Touristin stattfindet.

Formal zwischen Abenteuerfilm und Reportage bewegt sich "Lonely Planet" des aus München stammenden Julian Rosefeldt. Ein Rucksacktourist begegnet bei einem Trip durch Indien Menschen auf den überquellenden Straßen Mumbays, in beängstigend dicht besetzten Großraumbüros, im Kino bei der Vorführung eines Bollywood-Streifens oder einem einheimischen Filmteam beim Drehen. Doch der Reisende bleibt stets der fremde Beobachter.

Eine Szene aus der 1-Kanal-Videoinstallation "House with Pool" von Teresa Hubbard und Alexander Birchler.
Eine Szene aus der 1-Kanal-Videoinstallation "House with Pool" von Teresa Hubbard und Alexander Birchler. © Artists, court. Sammlung Goetz

Dies sind nur drei von sechs Produktionen, die die zweite Staffel der Ausstellung bilden und noch bis zum 18. August in rund 70-minütigen Loops aufgeführt werden. Zum Projekt gehört auch eine elegant behagliche Leselounge mit Material zum Schmökern sowie einem Fernsehapparat, auf dem während der gesamten Ausstellung drei weitere Filme zu sehen sind. Dazu gehört die 1995 entstandene Collage "Telephones", montiert aus kurzen bis kürzesten Klassiker-Schnipseln.

Katherine Hepburn oder Tippi Hedren, Humphrey Bogart oder Sean Connery und viele andere haben in ihren Rollen oft telefoniert. Ihre sanfte, freundliche, erwartungsfrohe, ängstliche, aggressive, kurz angebundene oder verärgerte Kommunikation zwischen Wählen, Klingelnlassen, Abheben, "Hello" sagen und wieder Auflegen aus mehr als einem halben Jahrhundert Filmgeschichte ziehen höchst amüsant in siebeneinhalb Minuten vorbei.

Der surrealistische Stummfilmklassiker "L'age d'or" von Luis Buñuel wiederum war Vorlage einer Ausstellung 2014 in der Villa Stuck. Julian Rosefeldts Beitrag war seinerzeit "Deep Gold", der jetzt einer der fünf Kurzfilme des dritten Programms ist, das ab 20. August gezeigt wird. Weitere Werke stammen vom Team Dominique Gonzalez-Foerster und Tristan Bera, Isaac Julien, Aida Railova und Ann-Sofie Sidén.

"Begegnungen. Künstlerische Perspektiven auf das Kino" bis 8. September im Theatermuseum, Galeriestr. 4a, Di bis Sa 11 bis 17 Uhr, Telefon 210 69 10

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