Das Geheimnis schwebt
Kann man sich diesen Augen entziehen? Unter dem Titel „Gegenwart...!“ zeigt Schauspieler und Fotokünstler Stefan Hunstein eine Installation aus „lebenden“ Porträts in der Kirche Sankt Paul
Was für Furchen haben sich in dieses Gesicht gegraben. Spuren des Daseins, Überbleibsel der Zeit. Dann der breite, leicht misanthropisch nach unten gezogene Mund, die markige Nase, die diesem Schauspieler immer auch etwas sehr Irdisches gegeben hat. Thomas Holzmann scheint zu schweben, aus geheimnisvoll dunklen Augen blickt er uns an, und dann plötzlich ein Lidschlag – man könnte fast meinen, er nimmt Kontakt auf, aus dem Jenseits. Leiser Schauder überkommt einen. Auch Stefan Hunstein, der Holzmann lange vor seiner Kamera hatte. Stille.
Jedes Gespräch verstummt, wenn man sich auf diese „lebenden“ Porträts einlässt. Die Gesichter, die dem Betrachter aus einem scheinbaren Nichts zugewandt sind, beanspruchen die ganze Aufmerksamkeit, stoßen die Reflexion an. Könnte sich Kunst etwas wünschen, dann genau das.
Nur Altabt Lechner lächelt
Damit ist diese siebenteilige Installation geradezu ideal in jedem Meditationsraum. Vor fünf Jahren waren die am Computer verdichteten Porträts im Diözesanmuseum Freising zu sehen. Jetzt, in der neogotischen Kirche Sankt Paul, neben der Wiesn, sind sie fast noch besser platziert – zwischen der Madonna und dem Hausapostel mit dem Schwert.
In der Reihe erkennt man natürlich den fast ausgemergelten Ulrich Matthes mit seinen angstvoll aufgerissenen Augen oder Altabt Odilo Lechner, der uns als Einziger mit einem erfüllten Lächeln begegnet. Doch um konkrete, fassbare Persönlichkeiten geht es Hunstein nicht, wenn er deren Porträts in eine zeitliche Dimension führt. Sondern vielmehr um Archetypen. Auch Geschichten müssen sie nicht erzählen, die werden eh im Kopf angekurbelt – und hier bietet der Bärtige im Zentrum, der Schmerzensmann und genauso einem Dostojewski-Roman entsprungen sein könnte, die beste Projektionsfläche.
Wer rechts zur Seite geht, landet zwischen zwei schwarzen Spiegeln und darf nun ganz ohne Umwege dem eigenen Ich begegnen. Auch das muss man aushalten (sinnigerweise lässt das dunkle Fotopapier die sonst üblichen Zurechtzupfbedürfnisse gar nicht erst aufkommen). Wobei einen das bewegte Mysterium der sieben Augenpaare doch schnell wieder in seinen Bann zieht.
St. Paul, St. Pauls-Pl. 11, bis 17. Februar 2015, täglich von 8.30 bis 17 Uhr, Eintritt frei, Sonntag, 29. Juni 2014, 11 und 20.15 Uhr Eucharistiefeier mit Bildbetrachtung
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