Blauer Himmel, rosige Aussichten

Der neue Direktor des Buchheim Museums startet mit einer Chagall-Ausstellung
von  Christa Sigg

Der Schein trügt. Oder besser: das Foto vom neuen Direktor des Buchheim Museums. Denn da schaut Daniel J. Schreiber ziemlich ernst hinter der angesagten schwarzen Brille, man könnte ihn gar für kühl halten. Wer ihn dann zwischen den rauschbunten Bilderzyklen Marc Chagalls antrifft, ist verblüfft. Schreiber kann seine Begeisterung kaum verbergen, angesteckt von der Kunst – und gar nicht nebenbei auch vom Starnberger See, für den er die renommierte Tübinger Kunsthalle verlassen hat.

Aber die Geschichten, mit denen der 47-jährige Kunsthistoriker gerade zu tun hat, sind halt auch gar so schön. Die spätantike Lovestory von Daphnis und Chloe, bei der selbst der mit allen Wassern gewaschene Johann Wolfgang von Goethe ins Schwärmen geriet, weil er in der Hirtendichtung „herrliche Landschaft, immer den blauesten Himmel und keine Spur von trüben Tagen“ fand, steht neben den „Vier Märchen aus Tausendundeiner Nacht“ im Zentrum der Schau. Chagalls fantasiesprudelnd farbintensive Lithografien sind die adäquate Umsetzung dieses von anrührend ursprünglicher Naivität durchzogenen Stoffs im 20. Jahrhundert – und in einer Auftaktausstellung eine deutliche Aussage.

Das Haus, das noch vor Monaten wegen seiner Verkrustung und der restriktiven Ausleihpolitik in die Kritik geraten war, scheint sich zu wandeln. Schreiber ist jedenfalls fest entschlossen, Museum und Sammlung zu öffnen, das zeigt sich bereits an den ersten kleinen Umbauten. Wo früher Durchgänge oder Fenster zugestellt waren, darf jetzt – so es die Kunst zulässt – wieder Tageslicht in die Räume fluten. Überhaupt ist er ein großer Anhänger der Architektur Günter Behnischs, die für bundesrepublikanische Demokratie und Antimonumentalität stünde, aber genauso von hoher poetischer Qualität sei. „Es gibt zahlreiche Ausblicke in die Landschaft“, sagt Schreiber, die wieder erlebbar gemacht werden sollen.

Von seinem Schreibtisch aus schaut er auf den See, der ihn inspiriere. Und der Druck ist hoch. Als Schreiber im August antrat, gab es keinerlei Programm, was für ein Haus dieser Größe ungewöhnlich ist. Leihgaben müssen oft Jahre im Voraus organisiert werden. Aber da man im Museum der Phantasie ganz auf die eigene Kollektion fixiert war, konnte man auf langfristige Planungen verzichten. Dem Haus tat das nicht besonders gut, die Auswirkungen sind bekannt. „In Buchheims Hort steckt unglaubliches Potenzial“, betont Schreiber, „zig Themen habe ich schon im Kopf, aber natürlich muss für interessante Ausstellungen auch Qualitätvolles von außen hinzugenommen werden.“

Bereits die Chagall-Schau, die auf einen Wunsch von Buchheims Witwe Diethild zurück geht, erfuhr durch Leihgaben wertvolle Ergänzungen – auch die Vernissage am Sonntag ist erstmals öffentlich. Und mit den Kolleginnen in Penzberg, Murnau und Kochel ist Schreiber in intensivem Gespräch. Eine gemeinsame Großausstellung, die man von Ort zu Ort abfahren könnte, wäre der Clou. Aber das ist Zukunftsmusik. Erst muss der Neue im eigenen Haus klar Schiff machen: Von seiner Besatzung ist er angetan, „die Präsentation der Sammlung wird jedoch nach und nach völlig verwandelt“. Was leider nicht heißt, dass Briefbeschwerer und andere Kuriositäten ins Depot wandern.

Denn den „Krimskrams“ findet Schreiber im Gegensatz zu den meisten Kunsthistorikern spannend: „Ein Karussellpferd oder ein altes Prunkbett können manchmal aufregendere Geschichten erzählen als ein schönes Bild.“ Wenn es gelingt, das im Haus zu vermitteln, geht das Buchheim Museum einer erfreulichen Zukunft entgegen.

"Chagall. Leben und Lieben“, Sonntag, 10. November 2013: Vernissage um 17 Uhr. Ausstellung ab 10 geöffnet, bis 16. Februar 2014

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