Bilderrausch aus der Zeitmaschine

Im Herbst 2014 ist am Museum für Völkerkunde eine Burma-Ausstellung geplant – historische und aktuelle Fotografien geben jetzt einen Vorgeschmack  
von  Christa Sigg

Im Herbst 2014 ist am Museum für Völkerkunde eine Burma-Ausstellung geplant – historische und aktuelle Fotografien geben jetzt einen Vorgeschmack.

Mehr als 10000 Autos werden jeden Monat in der Hauptstadt zugelassen – vor nur zwei Jahren waren Naypyidaws Straßen leer. Die traditionelle Shantracht tragen dort noch zwischen zehn und 20 Prozent. Und man kann sich allein mit diesen Zahlen ausmalen, was in Myanmar, bei uns besser bekannt unter dem Namen Burma, derzeit abgeht.

Der Fortschritt frisst sich im Eiltempo durchs Land, ach was: explodiert. Und wer in Jahresabständen anreist wie die Fotografin Birgit Neiser, ist jedesmal platt, überrascht, oft genug entsetzt. Ihre Bilder sind jetzt im Museum für Völkerkunde zu sehen. Und das mit einem spannenden Gegenüber: den hundert Jahre alten Fotografien von Christine Scherman (1865-1940). Sie war die Frau des damaligen Direktors Lucian Scherman (1864-1946), dem asienaffinen Kopf der Ethnographische Sammlung, wie sie seinerzeit hieß. Und als Fotografin die ideale Begleiterin auf dessen ausgedehnten Reisen.

Dass Scherman seine Gattin mit nach Burma nahm, wird in den offiziellen Genehmigungen der Exkursion wie ein Schnäppchen betont – im Gegensatz zu den „jobbenden“ Politiker-Anhängseln von heute gab’s Christine Schermans Assistenz zum staatskassenschonenden Nulltarif.

Für die Sammlung des Hauses war das ein Coup, denn der Einsatz dieser ethnologisch hoch versierten Frau ging weit über das Maß einer üblichen Mitarbeit hinaus. Das verrät schon der Blick, mit dem sie ihre Objekte aussucht und vor der Kamera positioniert. Kleider, Schmuck oder Werkzeug hat sie ihrem Bildpersonal danach oft abgekauft, was dem Museum Beträchtliches aus dem bis 1911 nicht vertretenen Burma bescherte.

Doch bei allem exotischen Farbrausch: ein Vergnügen dürfte das Fotografieren nicht gewesen sein. Ausrüstung und Chemikalien für die Entwicklung vor Ort waren umständlich und schwer zu transportieren, die Aufnahmen mit Glasplatten sowieso eine diffizile Tortur. Nichts von diesen Mühen ist auf den eindringlichen Bildern zu bemerken. Und Birgit Neiser findet erstaunliche Pendants, manchmal fast identische Szenen. Oft scheint die Zeit stehen geblieben, und nur die Farbe verrät den Abstand eines Jahrhunderts.

Mehr und mehr zeigt sich aber auch, welche Schätze, welche Traditionen Myanmar dieser Tage für immer verliert. Dass die Ausstellung ins „Goldene Land“ wandern und dort bleiben wird – der erste kulturelle Austausch mit der Bundesrepublik – ist ein echtes Geschenk. Eines voll Wehmut.

Museum für Völkerkunde, bis 12. Januar 2014, Di bis So 9.30 bis 17.30 Uhr

 

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