Besser spät als nie
Ein Megafon-Ruf nach Entschuldigung auf dem Odeonsplatz: Der unscheinbare Mann ist Teil des Kunst-Projekts „A Space Called Public“.
Die Performance ist vollkommen unspektakulär, ja beiläufig: Ein älterer Herr mit Schiebermütze schlurft nun bis September täglich um kurz vor 12 Uhr mittags quer über den Odeonsplatz, öffnet eine unscheinbare Vitrine, greift zum Megaphon und ruft „Es ist nie zu spät, sich zu entschuldigen!“.
Ein Verrückter mit erstaunlich guter Ausstattung? Ein Amtmann mit offiziellem Auftrag? Nach ein paar Sekunden ist alles vorbei.
Der Mann steht tatsächlich im Dienste des Münchner Kulturreferates, er ist Teil des 1,2 Millionen Euro teuren Kunst-Projekts „A Space Called Public“, das sich das Duo Elmgreen & Dragset ausgedacht hat. Die Durchsage hat so bereits in Rotterdam und New York stattgefunden – was sie im Sinne der Ortsbezogenheit beliebig erscheinen lässt, ihre irritierende Wirkung am Odeonsplatz aber nicht mindert.
Doch inwiefern hat diese Weisheit überhaupt Gültigkeit? Und für wen gilt sie, für Opfer oder Täter? Für das Opfer ist die Entschuldigung im Zweifel zu spät, auch wenn die Reue beim Täter besser spät als nie kommt. Und ja, Reue, wofür eigentlich?
Natürlich denkt man vor der Feldherrnhalle, durch den Hitler-Putsch von 1923 und die Ehrenwache nach 1933 einer der zentralen Schauplätze der einstigen „Hauptstadt der Bewegung“, an das Dritte Reich und den Holocaust. Auch wenn die Aktion von Seiten der Künstler den Spielraum bewusst weiter gefasst hat und die Interpretation, ob es um persönliche oder kollektive Schuld geht, dem Publikum überlässt. Aber natürlich kann man sich dann auch fragen, ob der lapidare Rufer hier, angesichts der monströsen Vergangenheit, angemessen ist.
Wenn das Denken über die Floskel hinausgeht, hat die Performance allerdings schon etwas erreicht. Ebenfalls im Rahmen von „A Space Called Public“ wurde am Dienstag der Gewinner des Wettbewerbs für die Bespielung des leeren Sockels „4th Plinth Munich“ auf dem Wittelsbacherplatz bekannt gegeben: Der Münchner Künstler Alexander Laner (geboren 1974) setzte sich mit seinem Umnutzungsvorschlag „Schöner Wohnen“ durch. Er baut den Denkmalsockel zur „Luxus-Immobilie in Top-Lage“ um – mit Parkett, Dachterrasse und Garten. Eher ein exklusives Wohnklo auf vier Quadratmeter Grundfläche, die durch ein Zwischengeschoss geringfügig erweitert wird.
Als „komfortabler als ein Campingbus“ beschreibt Laner indes die möblierte Mini-Maisonette ohne Wasseranschluss, aber mit Camping-Toilette. Sie soll dann auch, für welche Nutzung auch immer, aber ganz real, auf dem Mietmarkt angeboten werden – jedoch nur gegen eine Art Unkostenbeitrag. Laners Idee ist eine pointierte Versinnbildlichung des akuten Münchner Wohnungsnotstandes, die Schlange der Interessenten kann man sich schon vorstellen. Bei allen, die leer ausgehen, könnte sich das Kulturreferat ja eventuell im Voraus entschuldigen.
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