Bernhard Maaz, der neue Pinakotheken-Chef. im Interview

Der Nachfolger von Klaus Schrenk bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen stellt sich vor
von  Christa Sigg

Mit der Fliege munter leben: Groß, schlank, smart – beim Fototermin in der Schützenstraße gleich beim Hauptbahnhof drehen sich die Passanten um nach Bernhard Maaz. Um launige Kommentare ist der neue Leiter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eh nicht verlegen, aber Qualitäten als Conférencier können in seiner Position nur von Vorteil sein. Und ein bisschen Akrobatik und Abrakadabra schaden auch nicht, der Generaldirektor und Nachfolger von Klaus Schrenk muss schließlich eine Menge unter seinen Hut oder besser: Bauhelm bekommen. Von der Sanierung der Alten und Neuen Pinakothek über die Pflege von Sponsoren bis zum eigentlichen Kerngeschäft in seinen fünf Münchner Museen und zwölf bayerischen Filialgalerien.

AZ: Herr Maaz, dass Sie am 1. Februar loslegen, ist eher utopisch?

BERNHARD MAAZ: Ja, man hat sich zwischen dem Münchener und dem Dresdener Ministerium nun darauf geeinigt, dass ich zum 1. April anfange.

Abgesehen von der Position – was reizt Sie an den Staatsgemäldesammlungen besonders? Oder ist es womöglich auch München?

Meine Kinder sind aus dem Haus, der Ruf kommt zum richtigen Zeitpunkt. München kenne ich seit 1990 recht gut. Ich war damals Stipendiat am Zentralinstitut für Kunstgeschichte und bin immer wieder gerne hergekommen. Ich liebe die Sammlung, auch das Netz der Filialgalerien finde ich faszinierend, ich schätze die Gebäude.

Gerade hat Kunstminister Spaenle den Planungsauftrag zur Gesamtsanierung der Neuen Pinakothek gegeben. Baustellen scheinen Sie magisch anzuziehen.

Da halte ich’s mit Bert Brecht: „Wer wen?“ Das Gute am Bauen ist ja, dass man einem Museum nachhaltig eine verbesserte Funktionalität geben kann, die für die Bilder wie für das Publikum von Vorteil ist. Man muss da sehr genau hinsehen und die Erfordernisse prüfen, damit man nicht nach 20 Jahren wieder baut, sondern den Verschleiß möglichst auf 50 Jahre streckt.

Sind Sie in die Planungen für die Sanierung der Neuen Pinakothek schon involviert?

In die Praxis dieser Fragen kann ich erst einsteigen, wenn ich wirklich da bin. Ich informiere mich aber schon jetzt. Und mit den Kollegen der Pinakothek sind wir ja seit Jahren im Gespräch, erst vor anderthalb Jahren waren wir in München, um uns für Dresdener Baumaßnahmen Rat zu holen. Mich wird also kaum überraschen, was hier zu tun ist.

Wie sieht denn Ihr ideales Museum aus?

Das habe ich gerade eingerichtet, das ist die Dresdner Gemäldegalerie: 250 Jahre lang wurden dort die nationalen Schulen getrennt präsentiert, zusammen mit Uta Neidhardt haben wir 2013 die Galerie baubedingt partiell umgehängt. Nun gibt es nicht mehr den Flügel mit italienischer Malerei, andere Bereiche mit niederländischer und flämischer, spanischer und deutscher Malerei. Wir haben international zusammengeführt, was zusammengehört. Wenn die Alte Pinakothek dermaleinst ihre Bauabschnitte hinter sich hat, wird man noch mal schauen, ob und wie die Hängung hier verändert wird. Bei Altmeistersammlungen halte ich die Trennung der nationalen Schulen für eine Erkenntnisbremse.

Sie interessieren sich mehr für Phänomene als für nationale Schulzusammenhänge?

Ja. Wie kann man die europäische Renaissance begreifen? Wie die Aufklärung, mit der das Barockzeitalter endet? Für mich markiert die Aufklärung das Ende der alten Malerei, deshalb würde es mich reizen, diese Epoche am Ende des Rundgangs der Alten Pinakothek zu präsentieren. Damit wird spürbar, dass man alle Grundfragen neu stellen darf. Etwa, um zu schauen, ob und wie sich die Sehgewohnheiten im 21. Jahrhundert verändern.

Wo beginnt die Moderne? Mit der Aufklärung? Oder mit Caspar David Friedrich und seiner künstlerischen Radikalität in der Fokussierung auf das Essentielle?

Solche Fragestellungen werden sicher mit der Gesamtmannschaft der Pinakotheken zu diskutieren sein. Sanierungsbedingt gab und gibt es ja bereits interessante, erhellende Gegenüberstellungen aus den verschiedenen Pinakotheken. Wäre das auch eine Option? Die einzelnen Häuser sind Identitäten in sich. Das muss der Besucher verstehen, zumindest fühlen. Ein Austausch zwischen den Sammlungen kann sehr hilfreich sein, die Crossovers als Modephänomen sollten wir aber nicht überstrapazieren.

Ihr Vorgänger hatte ein gutes Händchen für Sponsoren.

Für mich ist ein Museum nicht ohne die Menschen zu denken, die es tragen. Und dazu gehören auch Sponsoren. Die ersten Kontakte mit Privatsammlern hier sind so anregend gewesen, dass das große Hoffnung macht. Zudem weiß ich von den Erträgen des jährlichen PIN.Festes und muss sagen: Was für ein Glück!

Zumal Ihr Ankaufsbudget nicht der Rede wert ist und es zum anderen keinen wirklichen Etat für Sonderausstellungen gibt.

Wenn es uns gelingt, eine Abteilung aufzubauen, die kontinuierlich Drittmittel akquiriert und koordiniert, ist schon viel geschafft. Auch in Dresden haben wir mit Freundeskreisen und Sponsoren zusammengearbeitet und dabei erkleckliche Summen eingeworben – trotz der lokal bedingten Schwierigkeiten. Ich denke, dass das in München von einer noch größeren Selbstverständlichkeit getragen ist.

Der Druck steigt, immer mehr Ausstellungen zu zeigen. Der Qualität ist das nicht immer zuträglich.

Das Besondere der Münchner Sammlungen ist ihr Reichtum. Ich sehe eine zentrale Aufgabe darin, dass wir mit den vorhandenen Beständen arbeiten und daraus Projekte entwickeln, also zum Beispiel eine umfangreiche, wichtige Restaurierung plausibel machen, sie zu kontextualisieren, das Einzelwerk in seiner „Biografie“ herausarbeiten. Monografische Ausstellungen sind wichtig, Blockbuster anzusteuern, kann dagegen nicht das Ziel sein. Natürlich werden wir etwa in der Alten Pinakothek mittelformatige oder Studioausstellungen und von Zeit zu Zeit so komplexe Ausstellungen wie jetzt zu Canaletto zeigen. Aber man muss den Wettbewerb der Häuser untereinander nicht forcieren. Es gibt in München mit der Kunsthalle, mit dem Lenbachhaus, mit dem Haus der Kunst wichtige Ausstellungshäuser. Im Zeitalter knapper Finanzen soll man sich nicht gegenseitig übertrumpfen, sondern schauen, wie man miteinander Jahr für Jahr zu einem interessanten Programm kommt.

Wie kommen Sie mit der bayerischen Mentalität klar?

Ich bin ja in Thüringen aufgewachsen und zwischen zwei Rundfunksendern hin- und hergesprungen: dem RIAS und dem Bayerischen Rundfunk. Mir ist die Sprache vertraut, ich liebe die hiesige Herzlichkeit. Und dann ist man schnell in den Bergen, in Italien...

Werden Sie Dresdner Spezialitäten wie Quarkkeulchen und Stollen vermissen?

Nein, ich freue mich tierisch auf Schweinekrustenbraten!

Was macht Bernhard Maaz, wenn die Kunst Pause hat?

Dann fährt er an den Achensee oder nach Tirol und zieht sich die Wanderstiefel an. Oder er nimmt sich ein Buch, er liest gerne Memoiren, Briefwechsel, Autobiografisches aus dem 20. Jahrhundert. Oder er hört alte Musik. Oder er setzt sich mit Freunden zusammen und denkt übers Leben nach.

Die Fliegenträger-Vakanz durch den Weggang von Florian Hufnagl ist mit Ihnen überwunden. Eine Marotte?

Nein, eine tiefe Überzeugung. Mit dem Schlips können Sie Autos verkaufen, mit der Fliege können Sie munter leben. Christa Sigg Bernhard Maaz, der neue Leiter der Pinakotheken, über seine wichtigsten Pläne und Aufgaben

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