Bayerische Landesausstellung "Typisch Franken?": Zwischen Stolz und Vorurteil

Ansbach - Bier, Wein, Bratwurst, Nürnberg und der Dialekt - das fällt den meisten als erstes ein, wenn sie an Franken denken. Fußballaffine Menschen haben noch den Club im Kopf, den 1. FC Nürnberg. Und dass die Franken ganz eigen sind, jedenfalls nicht so richtig bayerisch. Was ist dran an diesen Klischees? Was macht Franken aus? Die Bayerische Landesausstellung "Typisch Franken?", die jetzt in Ansbach zu sehen ist, weiß die Antwort auch nicht - daher das Fragezeichen im Titel. Sie stellt verschiedene fränkische Identitäten vor.
Los geht es tatsächlich mit Bier, Wein, Bratwurst und einem Modell der Nürnberger Burg: Zusammen mit einem Asterix-Band auf Fränkisch, Lebkuchen oder einem Hutschenreuther Porzellanteller rotieren sie auf dem "Franken-Karussell". Das war es dann aber auch mit den Klischees. Denn den Franken gibt es natürlich genauso wenig wie den Bayern oder den Norddeutschen. Die Ausstellung, aufgeteilt in je drei Regionen für die drei Bezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken, schlägt daher einen großen Bogen.
Wo Kaiserin Sisi den russischen Zaren traf
Wie ein Reisetagebuch soll man die Schau lesen können, sagt Projektleiter Rainhard Riepertinger, man soll sie durchstreifen, wie man in dem Buch blättern würde. Entsprechend bunt ist die Auswahl der Exponate - wie Mitbringsel oder Erinnerungsstücke, die man ins Tagebuch kleben könnte.
So wie das Foto von Kaiserin Elisabeth von Österreich, Sisi. Es zeigt sie beim Spaziergang mit ihrem Mann, Kaiser Franz Joesph. Es ist das vorletzte Foto von ihr, entstanden fünf Monate vor ihrer Ermordung, ein Paparazzo-Foto: Aufgenommen wurde es in Bad Kissingen, wohin die Kaiserin oft inkognito fuhr. In Kissingen traf sich die High Society Europas und der Welt. Sisi traf dort zum Beispiel den russischen Zaren und den bayerischen König Ludwig II.
Ohnehin war Franken gut mit dem Adel Europas vernetzt, schon allein durch geschickte Heiraten: Die bekannteste Verbindung ist sicher die zwischen Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha und Victoria, Königin der damals bedeutendsten Großmacht, des Vereinigten Königreichs.
Dass Kissingen so beliebt wurde, hat der Ort übrigens Bayern zu verdanken - was viele Franken nicht gern hören. Zwar war Kissingen schon im 17. Jahrhundert für seine Heilquellen bekannt, doch erst unter den Wittelsbachern bekam der Ort die urbanen Strukturen, und es war Ludwig II., der der Stadt den Zusatz "Bad" verlieh.

Auch Reichskanzler Otto von Bismarck kam regelmäßig nach Bad Kissingen zur Kur, und das, obwohl gleich während seines ersten Aufenthalts ein Anschlag auf ihn verübt wurde. Er wurde von Fans belagert wie heute Hollywoodstars und ließ sich sogar öffentlich wiegen. Die "Bismarck-Waage", ein mit rotem Samt bezogener Sessel, gehört zu den kurioseren Exponaten.
Vom Promi-Glamour zum Glanz technischer Raffinessen: Vor allem die Region um Nürnberg war schon im 16. Jahrhundert ein Wirtschaftsstandort erster Güte, unter anderem wegen mechanischer Meisterwerke wie die Steinschlossuhr - Vorläufer heutiger Tageslichtwecker. Die Uhr mit eingebautem Feuerzeug entzündete zur Weckzeit eine Kerze, die automatisch aus einem Metallkasten aufgerichtet wurde.

Auch Albrecht Dürer befeuerte die Wirtschaft, er war der erste Künstlerunternehmer, der über seine Werkstatt auch Bilder verkaufen konnte, die nicht von ihm selbst stammten. Die Ausstellung zeigt ein besonderes Exemplar: die einzige erhaltene Radierplatte Dürers von 1515. Ebenfalls großen Einfluss bis heute hat ein anderer fränkischer Künstler, der dennoch weit weniger bekannt ist: der Wunsiedeler Schriftsteller Jean Paul. Von ihm stammen Wortschöpfungen wie Wetterfrosch, Schmutzfink, Angsthase und Weltschmerz.
Erfindergeist und Unternehmertum der Franken ziehen sich bis ins 20. Jahrhundert, als in Fürth Grundig gegründet wurde, AEG die Waschmaschine erfand - ein Luxusprodukt, das Monatslöhne kostete - und Adidas in Herzogenaurach Geschichte schrieb: mit den griffigen Schraubstollen für Fußballschuhe. Und das erhob nicht nur die Franken, sondern ganz Deutschland in ungeahnte Sphären: Mit ihnen gewann die deutsche Nationalmannschaft 1954 die Weltmeisterschaft in Bern gegen Ungarn. Das 1:2 schoss Max Morlock, Mittelstürmer des 1. FC Nürnberg. Sein Schuh ist nun in Ansbach zu sehen.
Es ist Meisterschaft in vielen Fächern, die den Besucher beeindrucken soll. Und da hat man erst etwa die Hälfte der 150 Exponate gesehen. Für Minderwertigkeitskomplexe, die den Franken auch nachgesagt werden, haben sie also keinen Grund, und das wissen sie schon auch. "Der Franke hat einen Nationalstolz; er fühlt sich als den Kern der deutschen Nation, als den Träger des Namens des großen einstigen Frankenreichs. Vor allen Stämmen bevorzugt schaut er auf die benachbarten Schwaben, Rheinländer und Bayern mit hohem Selbstwertgefühl herab", heißt es in einem Physikatsbericht.
Mitte des 19. Jahrhunderts nämlich wollte die bayerische Regierung sich ein Bild über die verschiedenen Regionen im Freistaat machen und forderte Berichte an, die die Amtsärzte zu erstellen hatten. Doch trotz des ausgeprägten Selbstbewusstseins: "Der Franke ist von Herzen froh, zu Bayern zu gehören, so stolz er auch auf sein Frankenthum ist."
Das mag damals, als Franken noch nicht lange zu Bayern gehörte, so gewesen sein. Heute gehört das Jammern über Benachteiligung durch Altbayern irgendwie dazu. Dabei ist dies immerhin die dritte Landesausstellung über Franken, wohingegen es noch keine über Schwaben und Altbayern gab.
Aber wenn die Region halt auch so viel zu erzählen hat! Nicht nur Räubergeschichten wie "Das Wirtshaus im Spessart". Das Räuberwesen machte im 19. Jahrhundert tatsächlich den Menschen dort schwer zu schaffen. Überfälle waren an der Tagesordnung, und es waren keine Gentlemanräuber, die höflich nach der Geldkassette fragten. Stattdessen sind lederne Geldgürtel zu sehen, mit denen die Bürger ihr Vermögen versteckten, und Metallkästen, die auf den Wagen festgekettet wurden. Mit den romantischen Vorstellungen, beflügelt vor allem durch den Film aus den 50er Jahren mit Liselotte Pulver, hatte das nichts gemein.
Die Macher legen Wert auf das Fragezeichen im Titel
Wie überhaupt das Bild des romantischen Fachwerk- und Butzenscheiben-Frankens nur die halbe Wahrheit ist. Zu verdanken ist es den vielen Malern und Schriftstellern, die sich ab dem 19. Jahrhundert in Rothenburg ob der Tauber Inspiration holten und dieses Bild in die Welt schickten. Bei der Weltausstellung in Chicago 1893 war gar der Deutsche Pavillon dem Rothenburger Rathaus nachempfunden, und noch in Disneys "Pinocchio"-Film von 1940 diente die Stadt als Kulisse. Kein Wunder, dass oft Rothenburg als Fränkisch und Fränkisch als Romantisch gilt.
Die Themen sind schön aufbereitet, lassen allerdings den roten Faden vermissen. Aber der ist hier wohl, dass es viele fränkische Seelen gibt. Es ist eben nicht Wein oder Bier, sondern beides: Wein in Mainfranken, Bier in Oberfranken (mit der höchsten Brauereidichte der Welt). Auf das Fragezeichen im Titel legen die Ausstellungsmacher also großen Wert. Jeder Besucher findet hier etwas, das ihn anspricht, und auf der Reise durchs Frankenland soll sich jeder selbst ein Bild machen.
Am Ende kann sich der Besucher über einen virtuellen einarmigen Banditen an einer Umfrage beteiligen und aus zwölf Vorschlägen auswählen, was für ihn denn nun typisch fränkisch ist. Die Ergebnisse werden direkt in einem Ranking angezeigt und zum Ausstellungsende im November ausgewertet. Auf das Fragezeichen wird man wohl auch dann noch nicht verzichten können.
Bis 6. November täglich von 9 bis 18 Uhr in der barocken Orangerie in Ansbach. Der Katalog erscheint im Pustet Verlag.