Bayerische Kunstförderpreise 2021: Kooperation mit der Natur

Die "Ekstase" findet im Nebenraum statt. Jan Erbeldings gleichnamige Sound-Arbeit versucht, das innere Sehen anzuregen, indem eine Stimme aus dem Off unter anderem Darstellungen der Vision der heiligen Hildegard von Bingen erläutert. Die Leinwand bleibt dabei schwarz bis auf den vermeintlichen Abspann. "Sehen" kann hier nur, wer genau zuhört.
Eine durchaus lohnende Achtsamkeitsübung in Visualisierung, die Erbelding (geboren 1984) inszeniert. Der Fotograf und Absolvent der Münchner Akademie ist einer der vier bayerischen Kunstförderpreisträger 2021, die derzeit in der Galerie der Künstler*innen ausstellen.
Bayerische Kunstförderpreise: Vier Ausgezeichnete präsentieren ihre Arbeiten
Die vier aktuell Ausgezeichneten präsentieren sich und ihre formal und inhaltlich diversen Arbeiten prägnant. Erbelding bekam den Spezialpreis "Schreiben als künstlerische Praxis" und schuf für seine weitere Serie "very specific objects after Donald Judd" möbelartige Pappmaché-Plastiken, die bergende Hüllen für den historisch-poetischen Exkurs bilden.
Nebenan nimmt Jonas Höschl auf die Olympiade 1972 Bezug. Der 1995 geborene Künstler hat in Nürnberg und München studiert und setzt sich in verschiedenen Medien mit den als "heiter" intendierten Spielen auseinander, die mit der Geiselnahme der israelischen Sportler und einem Blutbad mit elf ermordeten Geiseln, einem toten Polizisten und fünf toten Entführern endete.
Wenn in Höschls absichtsvoll verschwommenem und verlangsamtem Video "Turmspringer" die Wettkämpfer nach virtuosen Vielfachdrehungen endlich ins Becken eintauchen, spritzt das Wasser so Fontänen-artig hoch, als ob dort eine Granate explodieren würde. Daneben verweist der Künstler, der bei Juergen Teller studierte, auf Leni Riefenstahl, die das "Fest der Völker" 1936 unterm Hakenkreuz in Berlin filmisch heroisierte. Höschl macht aus Versatzstücken Anti-Propaganda.
Haltung zwischen Hingabe und Zwang
Ebenfalls an der Nürnberger Akademie und am Bard College in Upstate New York studierte Nele Jäger (geboren 1992). Für ihre pointierte Präsentation "Holding You Holding Me" brachte sie in den vier Ecken eines Schauraumes ausgestreckte Beine aus geflammtem Stahlblech an, die den Saal quasi in ihre Mitte nehmen. Eine irritierende Haltung zwischen Hingabe und Zwang, die sich des Raumes ermächtigt und die Machtverhältnisse von Staat, Institution und KünstlerInnen reflektiert.
Und über allem schwebt eine seltsame Uhr mit verdrehtem Zeiger, hält zwischendrin an oder läuft gegen den Uhrzeigersinn. Für Jäger versinnbildlicht das die Entwicklung der Kunst, die nicht linear fortschrittlich verläuft, sondern in der mancher Trend rückwärts weist.
Insekten, die zu Kunstschaffenden werden
Maximilian Prüfer schließlich (geboren 1986) lässt Insekten zu Kunstschaffenden werden: Der Konzeptkünstler, der an der Augsburger Hochschule und in Bologna studierte, ist bereits ziemlich erfolgreich. Er arbeitet an der Schnittstelle Mensch-Natur-Tier. Bei ihm werden die Spuren der Schnecke zu faszinierenden Gemälden, für ihn malen Ameisen, Asseln und Motten.

Er sammelt die Pigmente von (toten) Schmetterlingen, Regentropfen und Tierknochen und schafft daraus poetische Himmelsbilder und imposante Installationen; für ein Projekt in China übernahm er selbst die Bestäubungsarbeit der Biene.
Prüfer präsentiert eine Serie mit Meisterwerken der Kunst wie Duchamp und Kandinsky als schemenhafte Abbilder - buchstäblich bestehend aus Fliegenschiss. Die Frage nach dem Meister, ist bei Prüfer naheliegend, wird aber nicht zur Gretchenfrage. Seine Kunst ist eine Kooperation mit der Natur, in der ein Schöpfergeist die Fäden in der Hand hält.
Galerie der Künstler*Innen (Maximilianstr. 42), bis 27. Februar, Mi/Fr - So 11 bis 18, Do 13 bis 20 Uhr