Bayerische Inselverzwergung!

„Dinoworld – Eine Reise in die Welt der Giganten“: Dinosaurier, Skelette und Fossilien sind in der Kleinen Olympiahalle zu sehen. Warum bleibt der T. Rex der Superstar? Und warum sind die Bayern-Dinos verzwergt?
Seit April kann man in München eine Zeitreise unternehmen – weit in die prähistorische Zeit zurück, als die Evolution an so etwas wie den Menschen noch gar nicht dachte. Wir sprachen mit dem Dino-Ausstellungsmacher Peter Kapustin.
AZ: Herr Kapustin, mit Bayern verbindet man viel Urtümliches, aber nicht zwingend Urzeitliches. Wem wären wir denn vor 150 Millionen Jahren hier begegnet?
Peter Kapustin: Über Wasser oder unter Wasser? Bayern war damals vom Jura-Meer bedeckt. Es gab viele kleine Inseln, dort lebten kleine Dinosaurier. Es gab auch den Urvogel Archaeopteryx und kleine Landräuber wie den Juravenator oder den Compsognathus. Dazu kommen natürlich viele Insekten, die man auch aus heutiger Zeit kennt, wie Libellen, Käfer oder Wespen.
Und unter Wasser?
Das war spektakulärer: von großen Mosasauriern, Krokodilen, Fischsauriern über Schlangenechsen bis zu Korallen- und Beißfischen, Rochen oder Haien. Es war einiges geboten.
Es gibt ja wieder einen Dinosaurier-Hype.
Der Hype war ja seit „Jurassic Park“ 1993 nie richtig weg. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Dinosaurier-Parks eröffnet. Uns kommt auch die digitale Welt zugute: Es dauert jetzt nicht Jahre, bis Neuentdeckungen veröffentlicht werden. Fehlt noch, dass man Live-Bilder aus dem Grabungsfeld zeigt.
Der Beginn der Dinosaurier-Leidenschaft war auch bei Ihnen „Jurassic Park“?
Ich durfte den Film damals gar nicht sehen, ich war noch zu jung. Ich habe gelesen, dass „Jurassic Park“ wie kein anderer Film zuvor die Merchandising-Möglichkeiten ausgenutzt hat. Ich hatte damals auch den ganzen „Jurassic Park“ im Miniformat in meinem Kinderzimmer. Und die Spielzeuge von damals sind für meine beiden Jungs jetzt auch noch interessant.
Die Darstellung der Dinosaurier war beispiellos echt.
Ich wurde kürzlich gefragt, was man aus „Jurassic Park“ lernen kann. Wissenschaftlich eher wenig. Was relevanter ist, ist die Darstellung, wie die Saurier sich zum Beispiel bewegt haben. Da orientieren sich die Filmemacher sehr an der Wissenschaft. Wenn man sieht, wie ein Brachiosaurus geht und steht, das ist beeindruckend.
Sie haben gesagt, das heutige Bayern wäre mit den Malediven zu vergleichen.
Es gab ein flaches salziges Meer mit vielen kleinen Inseln und weißen Sandstränden: ein Traumland zum Urlaubmachen. Größere Landmasse gab es eher im bayerischen Osten.
Hätte man als Mensch gern hier gelebt? Gab es hier eher Fleisch- oder Pflanzenfresser?
Speziell in Bayern haben wir bis jetzt nur Fleischfresser gefunden, unter anderem eben Juravenator und Compsognathus. Das waren kleine Fleischfresser bis zu zwei Meter lang.
Der Tyrannosaurus Rex soll gar nicht mehr der Star unter den Sauriern sein...
T. Rex ist mittlerweile auf Platz vier, fünf oder sogar sechs abgerutscht, was die Größe betrifft.
Es geht also nur um die Größe?
Nein, denn was die Bekanntheit anbelangt, ist er nach wie vor mit weitem Abstand auf Platz eins. Allerdings hat Spinosaurus gut aufgeholt.
Was macht den aus?
Anfang des 20. Jahrhunderts hat Ernst Freiherr Stromer von Reichenbach das Skelett in Ägypten gefunden. Es war dann in der Münchner Paläontologie ausgestellt. Entgegen den Ratschlägen von Stromer wurde es im Zweiten Weltkrieg nicht geschützt. Das Gebäude wurde von einer Bombe getroffen, und das einzige nahezu vollständige Skelett eines Spinosaurus wurde für immer zerstört. Sein langes Rückensegel und die langen, spitzen Zähne, die anders ausschauen als die von anderen Fleischfressern, deuten darauf hin, dass er sich eher von Fisch ernährt hat. Man hat inzwischen Kieferreste gefunden, die darauf hinweisen, dass er gigantisch groß werden konnte. Es gibt Vermutungen von bis zu 20 Meter Länge. Der T. Rex konnte zwölf Meter erreichen. Der Spinosaurus ist in der Dino-World in Originalgröße ausgestellt.
Saurier sammeln ist ein eher ungewöhnliches Hobby. Wie sind Sie dazu gekommen?
Der Funke kam durch „Jurassic Park“. Nach meiner Sportkarriere brauchte ich eine Ersatzbeschäftigung. Also habe ich mich intensiver mit dem Thema Paläontologie beschäftigt. Ich habe lange auf mein erstes Höhlenbären-Skelett gespart. Der Bär stand dann im elterlichen Wohnzimmer, später kam noch ein riesiges Dino-Modell dazu. Da hat meine Mutter gesagt: Jetzt nimm mal den Keller. Den haben wir dann in ein Museum umgebaut, der wurde aber auch bald zu voll. Im ehemaligen Rathaus von Taufkirchen war ein Heimatmuseum, das aber rausmusste. Und ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, diese Räume umzugestalten. 2008 war dann die Eröffnung. 2010 kam eine neue Ausstellungshalle dazu. Zwei Jahre später ein Urzeit-Garten. Alles haben wir in unendlich vielen ehrenamtlichen Stunden errichtet, montiert und gestaltet. Und gerade war Baubeginn für eine neue Dino-Halle, die wir hoffentlich im Winter eröffnen können. Und das soll nur ein erster Schritt sein für eine große Erweiterung zu einem Dinopark.
Welchen Saurier schätzen Sie besonders?
Den recht unscheinbaren Europasaurus: eine Zwergform des langhalsigen Brachiosaurus. Der Europasaurus ist im Vergleich zu seinen großen Verwandten nur acht Meter lang geworden. An ihm sieht man schön die Inselverzwergung.
Inselverzwergung?
Wenn Tiere nicht viel Lebensraum haben, passen sie sich der Umgebung an und werden auch durch die Nahrungsknappheit kleiner. So ist es mit den bayerischen Dinosauriern passiert.
„Dinoworld“, Kleine Olympiahalle bis 29. Juli, Di – So 10 –17 Uhr, an Ferien- und Feiertagen auch montags. Infos / Karten: www.dinoworld.de Familienführungen mit Dino-Experten: 22. Juni und 13. Juli, 15 Uhr