Banksy im Münchner Untergrund

Das Schreddern wird einfach nicht langweilig. Die ganze Welt kennt Banksys "Girl with Balloon", das sich 2018 gleich nach der Versteigerung bei Sotheby's selbst zerstört hat. Doch die Gesichter zu studieren, die das gesamte Spektrum vom spontanen Vergnügen bis zum blanken Entsetzen widerspiegeln, hat bis heute großen Unterhaltungswert. Über eine Million Pfund waren sprichwörtlich im Eimer. Fürs Erste jedenfalls, und nun ist das Auktionsvideo aus London samt zerschnittenem Girl ein Hingucker in der Ausstellung "House of Banksy" im ehemaligen Galeria-Kaufhof am Stachus.
Dass man in den Untergrund hinabsteigt, passt ganz gut. Nicht bis zu den U-Bahn-Gleisen, wo die Sprayer ihre fahrenden Leinwände finden, sondern ins Souterrain. Die Sammlung Goetz hatte hier im März 2023 eine herrlich piksende Installation der Künstlerin Nathalie Djurberg eingerichtet. In den Stockwerken darüber war eine Mischung aus noch mehr Kultur und Sport angedacht, doch am Tag nach der Eröffnung wurde das "Lovecraft" genannte Zwischennutzungsprojekt auch schon wieder dichtgemacht.
Banksy trifft immer noch präzise in die offenen Wunden
Neues Spiel, neues Glück. Die üblichen Banksy-Verdächtigen sind im Einsatz, und sie haben im Vergleich zum einstigen Forum der Technik am Deutschen Museum ordentlich nachgelegt. Das betrifft nicht nur die Weitung auf 200 Motive aus allen Schaffensphasen des berühmtesten Street-Art-Künstlers, sondern auch die kluge Entscheidung, sich nicht mit scheinbaren Originalen und Absprachen "abzusichern".
Dieses konstruiert-verdruckste "Wir kennen da einen, der mit einem ganz engen Weggefährten Banksys seit Kindergartentagen in Kontakt steht" glaubt eh kein Mensch mehr. Zumal es bei einem Anonymus, der den Kunstmarkt angeblich hasst, ihn aber so virtuos wie kaum ein Zweiter bedient und nutzt, ja auch keinen rechten Sinn macht. Oliver Forster von der Cofo Entertainment GmbH verkündet deshalb ohne Vertun, dass man auf 2300 Quadratmetern Fläche ohne jede Autorisierung des Banksy-Imperiums agiere und kein einziges Original zeige.
Keine Originale, stattdessen gut gemachte Kopien
Vielmehr floss die Energie in künstlerisch wie handwerklich sehr ordentlich gemachte Szenarien, die Banksys Denke gut vermitteln. Maler aus dem Street-Art- und Theater-Milieu waren zugange, die können mit Farben, Dosen und Stents, also Schablonen, umgehen. Auf Ziegelwänden schippern jetzt Buben in einem sinkenden Boot, pinkelt ein Grenadier Guards Officer mit Bärenfellmütze wenig manierlich in eine Ecke und entsorgt eine Hausfrau ihren Gatten zum Valentinstag in der Gefriertruhe.
Dazu kommen Bühnenbildner, die problemlos einen Möwenangriff wie echt aussehen lassen, eine Suite von Banksys The Walled Off Hotel direkt an der Sperrmauer in Bethlehem nachgebaut haben oder eben das Schredder-Girl: einmal im Zustand vor der Auktion und ein zweites bis zur Hälfte zerstört. Bekanntlich schoss das für 1,04 Millionen Pfund (1,18 Millionen Euro) erstandene Bild 2021 als "Love is in the Bin" erst so richtig in die Höhe und brachte mit sagenhaften 22 Millionen Euro gleich zehnmal so viel ein.
Banksy, der Robin Hood des Kunstmarkts?
Ganz so präzise sind die Wohltaten dieses Robin Hood des Kunstmarkts dann doch nicht zu steuern. Dagegen hat der kleine Kerl, der in Zeiten von Covid statt Superman eine Krankenschwester als neue Heldin durch die Luft fliegen lässt, dem englischen Gesundheitsdienst - diesmal über Christie's - viel Geld in die Kassen gespült.
Was zählt, ist die Nachricht. Kuratorin Virginia Jean hört sich dann ein bisschen zu sehr nach einer Pressesprecherin des Banksy-Trusts an, aber man kann dem Mann aus Bristol auch nur auf den Leim gehen. Das Übermaß an gutem Stoff ist gerade in dieser Fülle auszumachen, und viele Arbeiten sind in der Öffentlichkeit nicht mehr zu sehen. Sicher mag sich manches im Laufe von 35 Jahren etwas abgenutzt haben, doch es kommt immer wieder Neues, das mitten in die offenen Wunden einer Gesellschaft trifft.
"House of Banksy" ab 14. Juni 2024 im ehemaligen Kaufhof, Karlsplatz 21-24 , So bis Mi 10 bis 18, Do bis Sa bis 20 Uhr, Tickets Erwachsene ab 18 Euro, www.banksy-munich.de