Ausstellungen in der Kulturhauptstadt Bad Ischl

Die jungen Touristinnen aus Asien knipsen, was das Smartphone hält. Dabei ist die Regionalbahn von Attnang-Puchheim nach Obertraun nur der Vorgeschmack auf das, was in Hallstatt los ist. Kulturhauptstadt Europa? Freundliches Unverständnis, man hat ja nur einen Nachmittag, und das Foto vor Hallstätter Kulisse ist obligatorisch.
Bad Ischl kann die Konkurrenz aushalten, das liebliche K. & k.-Flair zieht ein anderes Publikum an. Droben im weitläufigen Park thront die Kaiservilla. Hier, zwischen sanften Bergen, verbrachte Kaiser Franz Joseph I. seit 1849 seine Sommer. Hier hat der junge Franz 1853 seine Hochzeit mit Sisi verkündet. Aber auch der große Weltenbrand entstand aus der Sommerfrische: Am 28. Juli 1914 verlas der Habsburger-Kaiser die Proklamation "An meine Völker". Die Kriegserklärung an Serbien nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie - und der Beginn des Ersten Weltkriegs.
Eine Hauptstadt aus 23 Gemeinden
Jetzt, 110 Jahre später, ist Ischl Kulturhauptstadt und steht als "Bannerstadt" für 23 Gemeinden im Salzkammergut - von Gmunden bis Gosau, zwischen Attersee und Grundlsee - in denen heuer Kultur satt stattfindet. Wobei man "Stadt" bei einer Gemeinde mit etwas über 14 000 Einwohnern nicht wörtlich nehmen darf.
Unter dem Motto "Kultur ist das neue Salz" ist Elisabeth Schweeger, in den 90er Jahren Chefdramaturgin am Bayerischen Staatsschauspiel, für die künstlerische Leitung des Kulturhauptstadt-Programms verantwortlich. Es schillert zwischen Brauchtum und Avantgarde. Man zeigt Gmundner Geschirr und zeitgenössische Keramik-Kunst, bespielt den Traunsee mit schwimmenden Plattformen, stellt in der alten Gmundner Stadtgärtnerei ein Containerdorf als Spielwiese für Kunstschaffende zur Verfügung, führt unter dem Stichwort "Global Home" einen Naturpfad durch Wald und Tal und lockt das ganze Jahr über mit Ausstellungen, Konzerten, Lesungen und Performances.
Bunte Vögel
Die bunten "Luv Birds" im Memphis Style der Wiener Künstlerin Marua Sagadin, die als Welcome-Installation ins prächtige Treppenhaus des alten Postgebäudes eingezogen sind, stehen exemplarisch für Schweegers Kulturhauptstadt-Spagat: zwischen blauem Himmel, Bergen, Seen und K. & k.-Nostalgie Platz für Neues zu schaffen.
Ischl ist, sehr frei nach Fanny Gräfin zu Reventlow, kein Ort, sondern ein Zustand. Österreichs bourgeoise Bohème des 19. Jahrhunderts verteilte sich in den Sommermonaten übers Salzkammergut. Der Salzabbau hatte die Region, die teils zu Oberösterreich, teils zur Steiermark gehört, durch den Handel mit der Welt vernetzt. Doch der Rohstoff ist endlich. Die Vorräte in den drei letzten österreichischen Bergwerken Aussee, Hallstatt und Ischl dürfte je nach Fördermenge noch 50 bis 100 Jahre reichen.
Kunst mit Salz und Wasser
Das weiße Gold ist auch Grundlage der Solebäder, durch die Ischl im 19. Jahrhundert, obwohl es an keinem der vielen Seen liegt, zum bedeutenden Kurort aufstieg. Gottfried Hattinger, gebürtiger Oberösterreicher und 20 Jahre Co-Kurator des Münchner SpielArt-Festivals, hat die zentrale Ausstellung "Kunst mit Salz und Wasser" im historischen Ischler (Salz-) Sudhaus zusammengestellt.
Der in der heutigen Gestalt 1835 vollendete Bau stand lange Jahre leer. Hier wurde bis 1965 die Sole in Pfannen erhitzt, und so das (Siede-)Salz gewonnen. Doch im für die Identität der Region so wichtigen Baudenkmal mitten im Ort steht nach dem Kulturhauptstadt-Spektakel noch keine Weiternutzung fest.
Das Unfassbare begreifbar machen
Der Kaiser ist tot, der konkrete Charme der Monarchie nicht totzukriegen. Auch im plüschigen Café Zauner steckt der Kaiser im Namen jedes zweiten Zuckergebäcks - und das Salz im Karamell. Thomas Bernhard aß lieber Frittatensuppe und schrieb sich seinen Weltenhass unweit des Traunsees von der Seele. Natürlich ist das Salzkammergut ein Idyll mit Abgründen: Am Südende des traumhaft schönen Traunsees liegt Ebensee. Dorthin, in ein Nebenlager des KZ Mauthausen, wurden ab November 1943 insgesamt 27 000 Häftlinge deportiert, um unter schlimmsten Bedingungen tiefe Stollen für die unterirdische Raketenproduktion in den Fels zu schlagen. Darunter Tausende Juden, viele Zwangsarbeiter aus Osteuropa und Italien - und etwa der jüdische Münchner Unternehmer Curt Mezger, der im Januar 1945 nach Ebensee verschleppt und dort einige Wochen später ermordet wurde. Die japanische Künstlerin Chiharu Shiota hat für den Stollen eine Installation aus roten Seilen und übergroßen Kleidungsstücken konzipiert, die das Unfassbare, das hier geschah, begreifbar zu machen versucht.
In den Salzstollen von Altaussee wiederum wurden die von den Nazis fürs geplante Führermuseum in Linz in ganz Europa geraubte Kunstschätze zwischengelagert. Die große Ausstellung-Trilogie mit dem zu harmlos klingenden Titel "Die Reise der Bilder" in Aussee, Lauffen und Linz wird ab März an Hitlers Kunst-Raubzüge und seine willigen Helfer erinnern.
Programm unter www.salzkammergut-2024.at