August und Elisabeth Macke im Franz Marc Museum in Kochel: Die Farben der Liebe

Die neue AZ-Serie "Ausflüge zur Kunst": August und Elisabeth Macke waren ein Traumpaar. Im Franz Marc Museum in Kochel ist ihre vielschichtige Beziehung in einem betörenden Bild-Parcours zu erleben.
von  Christa Sigg
Die märchenhafte Beziehung zwischen Elisabeth und August Macke könnte dieser Entwurf für einen Wandteppich zum Ausdruck bringen. Der Maler hat 1912 ein Liebespaar in einem Paradiesgarten aquarelliert.
Die märchenhafte Beziehung zwischen Elisabeth und August Macke könnte dieser Entwurf für einen Wandteppich zum Ausdruck bringen. Der Maler hat 1912 ein Liebespaar in einem Paradiesgarten aquarelliert. © Bundeskanzleramt / Franz Marc Museum Kochel

Märchenhaft war diese Begegnung. Und wenn man dafür ein Bild aussuchen müsste, dann das "Orientalische Liebespaar", das sich in einem paradiesischen Garten zärtlich zugeneigt die Hand hält.

1912 hat August Macke diesen Entwurf für einen Wandteppich gemalt, da ist er mit Elisabeth schon bald acht Jahre zusammen, und die Begeisterung dringt aus jedem einzelnen seiner Briefe – bis er sechs Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs mit nur 27 Jahren an der Westfront fällt.

August und Elisabeth Macke: Heute würde man von einem Power Couple sprechen

Wer weiß, wie sich diese Verbindung weiterentwickelt hätte, doch man muss in der Kunstwelt lange suchen, um ein vergleichbar intensives Miteinander auf mehreren Ebenen zu finden. Heute würde man wenig poetisch von einem Power Couple sprechen, das trifft es zwar nicht ganz, aber die Mackes zogen in jeder Hinsicht an einem Strang. Und bereits ein Jahr nach dem Tod des Malers hat Elisabeth damit begonnen, sein Schaffen systematisch zu ordnen, Korrespondenzen und Schriftstücke zu archivieren und Ausstellungen in die Wege zu leiten.

Man könnte auch sagen, sie hat einfach weitergemacht. Zumindest, was das Knüpfen von Kontakten, das Verhandeln und überhaupt das "Promoten" von August Mackes Kunst anbelangt. "Der Maler und die Managerin" lautet der Titel einer Ausstellung, die dieses Œuvre vor dem Hintergrund ihrer außergewöhnlichen Beziehung vor Augen führt. Nach der ersten Station in Münster am LWL-Museum für Kunst und Kultur, das in Deutschland den größten Bestand an Werken Mackes beherbergt, ist die Schau im Franz Marc Museum in Kochel nun in etwas gestraffter, modifizierter Form zu sehen und – passend zum eigenen Sammlungsschwerpunkt – um Franz und Maria Marc erweitert.

Schau im Franz Marc Museum in Kochel: Eine intimere Präsentation als 2014 im Lenbachhaus

Nach der opulenten Macke-Marc-Schau 2014 im Lenbachhaus zeigt diese intimere Präsentation erneut, wie sehr sich die beiden Künstler gegenseitig beflügelt haben. Sie treffen ja auch im richtigen Moment aufeinander: Der zum Kauzig-Vergrübelten neigende Marc steckt 1910 in einer Krise und lässt sich vom spontanen, wohltuend unbekümmerten Kollegen aus der Reserve locken.

Das betrifft vor allem Mackes Faible für Farben, und es dauert nicht lange, bis beider Paletten um die Wette leuchten. 1912 reisen sie schließlich nach Paris und besuchen Robert Delaunay, dessen "Fensterbilder" die Männer tief beeindrucken. Mackes sachte in Farbflächen zergliedertes Gemälde "Café am See" von 1913 erzählt davon, bei Marc sind es unter anderen die "Gazellen" von 1913/14 und die diaphane "Komposition I".

Mit einem Pelzpüppchen gemalt: Ein hinreißendes Hinterglasbild

Auch Maria und Elisabeth sind sich grün, man schreibt Briefe, besucht sich gegenseitig, tauscht Geschenke und Bilder. Und nach dem Tod der Männer – Marc fällt 1916 bei Verdun – sind sich die Frauen bei aller Verschiedenheit eine große Stütze und bleiben zeitlebens freundschaftlich verbunden. Es gibt ein hinreißendes Hinterglasbild, das August Macke 1912 von Maria Marc, damals noch Franck, mit einem Pelzpüppchen gemalt hat.

Neben der Tatsache, dass es Mackes Erkunden der lokalen Volkskunst demonstriert, gehört es zu den Raritäten in diesem Überblick. Denn im Gegensatz zu Elisabeth taucht Maria eher selten als Modell auf. Die Beziehung zu Marc war eh nicht ohne Komplikationen, während sich die Mackes früh einig wurden.

August Macke, der im Oktober 1909 gerade seinen Militärdienst ableistet, und Elisabeth Gerhard. Schon als Teenager haben sich die beiden verliebt.
August Macke, der im Oktober 1909 gerade seinen Militärdienst ableistet, und Elisabeth Gerhard. Schon als Teenager haben sich die beiden verliebt. © LWL-Museum für Kunst und Kultur Münster

Er war 16, sie 15, auf dem Schulweg hat es gefunkt, und um die schöne Schwester seines Klassenkameraden Walter wieder zu sehen, gab August vor, das "fabelhaft interessante Gesicht" des Freundes zeichnen zu wollen. Erst einmal "in die Familie geschlichen", malte er dann auch Lisbeth, die schnell zum Lieblingsmodell wurde – über 200 Mal hat Macke sie in den elf gemeinsamen Jahren festgehalten. Dass die Angebetete aus einer wohlhabenden Bonner Kaufmannsdynastie stammt, erleichtert vieles.

Macke, der außer an Elisabeths sammelnden Onkel Bernhard Koehler kein einziges Bild verkauft, kann sich ganz auf seine Malerei konzentrieren. Und sie bestärkt ihn, ist eine gebildete, einfühlsame Gesprächspartnerin auf Augenhöhe. Das betonen gerade die Porträts, die sie "ausgehfertig" zeigen wie zum Beispiel das Bildnis mit Hut aus dem Jahr 1909.

Macke sucht die Harmonie: Im Leben und in der Kunst

Gedankenversunken wie Édouard Manets Bardame Suzon in den Folies Bergère scheint Elisabeth die Umwelt gar nicht wahrzunehmen. Zugleich lässt sie etwas Selbstgewisses, fast Toughes vermuten, und man kann sich leicht vorstellen, wie die weltgewandte Gemahlin mit Galeristen und Museumsdirektoren verhandelt. Dabei hatte sich Macke "die Frau" an sich ganz anders gedacht: dass sie "innerhalb der Familie wirkt" und der Mann entsprechend "außerhalb".

Es kommt nicht von ungefähr, wenn Mackes vielleicht schönstes Bild von Lisbeth einen häuslichen Moment einfängt: Flankiert von einem Vorhang trägt die 21-Jährige einen Teller mit Obst. Ihr gesenkter Blick ist nach innen gerichtet, nachdenklich, fast melancholisch. Die um die Schultern gelegte Stola fließt weich und vermittelt Geborgenheit.

Das "Portrait mit Äpfeln" von 1909 ist vielleicht das schönste Bild, das August Macke von seiner damals schwangeren Frau Lisbeth gemalt hat.
Das "Portrait mit Äpfeln" von 1909 ist vielleicht das schönste Bild, das August Macke von seiner damals schwangeren Frau Lisbeth gemalt hat. © Städtische Galerie im Lenbachhaus, Bernhard und Elly Koehler Stiftung 1965/ARTOTHEK

Wüsste man nicht, dass Elisabeth zurzeit der Entstehung des Gemäldes  war – und die Äpfel sind immer wieder als Symbol der Fruchtbarkeit gedeutet worden –, könnte man auch so leicht darauf schließen, dass Macke hier das Idealbild einer Gefährtin und potenziellen Mutter vorführt. Er hat freilich schnell realisiert, wie sehr ihm diese Frau guttut. Er sucht allerdings auch die Harmonie, das ist bei allen aus der damaligen Sicht noch so irritierenden Reduktionen und den neuen Farbkombinationen, dem Aufdröseln in Rasterungen und Farbfelder, ein grundsätzlicher Antrieb. Macke will Bilder malen, die den Betrachter mit einer "himmlischen Freude an der Sonne und am Leben überschütten".

Das unterstreichen die Aquarelle der Tunisreise, die er 1914 mit Paul Klee und Louis Moillet unternimmt. Delaunays kubistisches Zerteilen ist allgegenwärtig, mehr noch bei Klee, doch während der Schweizer zur Fläche tendiert, denkt Macke in (Farb)Räumen. Zumal er bei allem Experimentieren mit geometrischen Formen die Gegenständlichkeit nie aufgibt.

Intensive Farbigkeit und die Dominanz der Ornamentik sind das Ergebnis der Tunisreise - hier August Mackes "Händler mit Krügen" von 1914.
Intensive Farbigkeit und die Dominanz der Ornamentik sind das Ergebnis der Tunisreise - hier August Mackes "Händler mit Krügen" von 1914. © LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster

Im Vergleich dazu wird Franz Marcs Hang zur Abstraktion umso deutlicher. Von den kristallinen Rehen und Pferden ist es ein kleiner Schritt, bis diese Tiere völlig in ihrer Umgebung aufgehen – farblich tun sie es längst –, und das ganz nach Marcs Vision einer Einheit von Kreatur und Kosmos. Macke dagegen will erzählen und verlässt bald schon die Raster der Tunisreise zugunsten atmosphärisch dichter Szenen aus dem öffentlichen Leben.

Seine anonymen Figuren blicken in Schaufenster und flanieren durch den Park, sie vergnügen sich im Zoo oder am See.  Und sie scheinen glücklich in ihrer behaglich bürgerlichen Welt, die die Mackes im Privaten verkörpern. Auch das macht diesen Künstler bis heute so ungemein populär.

"August und Elisabeth Macke. Der Maler und die Managerin", bis 17. September 2023 im Franz Marc Museum Kochel, zwei Kataloge zum Gesamtpreis von 25 Euro. Bahn: Wegen der Erneuerung der Oberleitung kommt man derzeit nur mit dem Schienenersatzbus nach Kochel – entweder von Tutzing oder Bad Tölz aus.

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