Auf Augenhöhe mit Michelangelo und Gott
Michelangelos berühmte Fresken der Sixtinischen Kapelle sind ab kommenden Freitag in München zu bewundern: als fantastische Repros
Etwas länger dürfen sich hier nur betagte Männer aufhalten. Seit 1878 wird in der Sixtinischen Kapelle der neue Papst gewählt, über 100 Kardinäle versammeln sich dann in diesem beeindruckenden Kunstraum, und mancher wird in zähen Verhandlungsstunden den Blick schweifen lassen.
Das gemeine Kind Gottes muss sich dagegen mit einem schnellen Bilderrausch begnügen: Sagenhafte vier Millionen Besucher werden jedes Jahr an Michelangelos legendären Fresken vorbeigescheucht.
Näher am Gottesbild als die Kardinäle
Mit Kunstgenuss hat das wenig zu tun, und selbst ein gut gemachter Bildband kann die wahren Ausmaße nicht vermitteln. Das brachte die Brüder Gabriel und Beau Ioana auf die Idee, diesen Höhepunkt der Renaissance kurzerhand in einer Reproduktion vorzuführen. Ab Freitag startet die Schau in München. 34 farbechte Repliken der römischen Originale werden dann in der Alten Bayerischen Staatsbank vis-à-vis der Fünf Höfe gezeigt. Am Werk war übrigens Magnum-Fotograf Erich Lessing. Der mittlerweile 93-jährige Österreicher hat sich mit Reportagen vom Ungarn-Aufstand 1956 genauso wie von Filmsets in Hollywood einen Namen gemacht.
Lessings großes Faible galt jedoch der Kunst. Den Louvre hat er festgehalten und schließlich auch den Vatikan, wo er gleich nach der großen Sixtina-Restaurierung in den 90ern noch auf dem Gerüst fotografieren konnte. So nah kommen nicht einmal die Kardinäle den Fresken.
Das "Jüngste Gericht" ist ganz nah
„Wir möchten jedem die Möglichkeit geben, die Kunst Michelangelos hautnah zu erleben“, sagt Veranstalter Gabriel Ioana. Und das sei wörtlich zu verstehen, „man darf unsere Bilder sogar anfassen“. Das Herzstück ist für ihn natürlich das „Jüngste Gericht“ mit dem kraftvollen Jesus Christus im Zentrum. Mancher mag sich eher an den Propheten und Sibyllen erfreuen, diesen muskelbepackten Prachtweibern. Oder an der berühmten Belebung Adams durch Gottes Zeigefinger. Auf 1400 Quadratmetern, verteilt auf drei Etagen, sollte alles bis ins kleinste Detail zu sehen sein. Und vor allem: bequem.
Vier Jahre lang hat Michelangelo in einer schwindelerregenden Höhe von 22 Metern auf dem Gerüst gelegen und gekauert, gezweifelt und geflucht. Und die Striche mussten sitzen, große Korrekturen waren kaum möglich, wenn al fresco, also in den noch nicht durchgetrockneten Putz gemalt wurde. Von einer Schinderei zu sprechen, ist sicher noch untertrieben. Aber der schwierige Künstler, dem von der Architektur bis zum Sonett alles gelang, wollte gerade im päpstlichen Palast reüssieren – und das Ergebnis fasziniert bis heute.
Zweimal kostenlos in der Sparkasse, gesamt nur in der Staatsbank
Um das himmlische Geschehen quasi auf die Erde zu holen, war einiges Verhandlungsgeschick nötig: „Allein die Bildrechte zu klären, hat über ein Jahr gedauert“, erzählt Gabriel Ioana. Allerdings haben sich die Mühen gelohnt. Die Ausstellung kam bereits in Montreal, Dallas und zuletzt in Wien gut an. Jeweils um die 100 000 Besucher wollten Michelangelos Werke sehen. „Auch jetzt für München sind wir schon an einigen Tagen komplett ausverkauft“, freut sich Ioana, der hier seit 20 Jahren zu Hause ist.
Um einen Vorgeschmack zu bekommen, kann man zwei der Exponate in der Haupthalle der Stadtsparkasse am Marienplatz bewundern.
Und mit „Little Michelangelo“ erhält der Nachwuchs die Gelegenheit, selbst zu den Farben zu greifen, während sich die großen Kunstfans entspannt dem Genie widmen können. Übrigens ohne zwei bis drei Stunden vorher in der Schlange zu warten, wie das in Rom immer noch der Fall ist.
Alte Bayerische Staatsbank, Kardinal-Faulhaber / Ecke Prannerstraße, 7. April bis 9. Juli, täglich von 10 – 20 Uhr, Eintritt: Erwachsene Mo – Fr, 19,50 (Sa / So 21,50) Euro, Kinder bis 15 Jahre 9,50 und 10,50 Euro, ermäßigt 12,50 (Sa / So 13,50) Euro, mehr unter www.sixtinischekapelle.eu